Flüchtlings- und
Barackenland

Überbevölkerung im Oberösterreichischen Zentralraum
Die nationalsozialistische Herrschaft, der Krieg und das Kriegsende hatten die größte Wanderungs- und Fluchtwelle ausgelöst, die Oberösterreich je erlebt hatte: Im gesamten Landesgebiet mussten einschließlich des deutschen und ungarischen Militärs, der Flüchtlinge, der ausländischen Zwangsarbeiter, der Kriegsgefangenen, Häftlinge in den Konzentrationslagern, Dienstverpflichteten und Ausgebombten aus dem Reich und der einheimischen Zivilbevölkerung fast zwei Millionen Menschen, also mehr als das Doppelte der Einwohnerzahl von 1937, versorgt werden.

Und ständig trafen neue Flüchtlingszüge ein. Es war ein fortdauerndes Kommen und Gehen: jüdische Flüchtlinge aus Osteuropa, aus dem Reich zurückgeführte Österreicher, freigelassene Kriegsgefangene und vertriebene Volks- und Sudetendeutsche waren neu im Lande aufzunehmen...

In den ersten Tagen der Besatzung kam ein erneuter, durch den Vormarsch der roten Armee ausgelöster Strom an Flüchtlingen hinzu, was die Lage noch zusätzlich verschlimmerte. Außerdem mussten die alliierten Armeen und Besatzungssoldaten selbst auch untergebracht und versorgt werden.

Oberösterreich war somit zum Ende des Zweiten Weltkrieges gewissermaßen zum Mittelpunkt der Wanderungs- und Fluchtbewegungen geworden. Selbst nach Jahren riss der kriegsbedingte Flüchtlingsstrom nicht ab: Durch die Benes-Dekrete kam es noch bis 1947 zur massenhaften Entrechtung und Vertreibung von Sudetendeutschen aus tschechoslowakischen Gebieten, von denen viele nach Oberösterreich kamen.

Flüchtlingsbetreuung in der amerikanischen Zone
Das schwierige Problem der Betreuung und Versorgung dieser Menschenmassen betraf vorwiegend die amerikanische Besatzungszone. Die russischen Besatzer hatten mit dem Flüchtlingsproblem kaum zu schaffen, denn der weitaus größte Teil der deutschsprachigen Bevölkerung in den Ostländern war aus Angst vor der Roten Armee ins amerikanisch besetzte Gebiet geflohen. Aufgabe der US-Militärregierung im südlichen Oberösterreich war es nun, die gewaltigen Menschenmassen zu erfassen, mit Unterkünften auszustatten, mit Lebensmitteln und Kleidung zu versorgen sowie die Repatriierung in ihre Heimatgebiete zu organisieren. Bis Ende 1945 gelang es, knapp 200.000 Menschen in ihre Heimatländer zurückzuführen.

„Zwischenstop“ Barackenlager
Die Organisation der Repartriierung war ein schwierig zu bewältigendes Problem. Der „Zwischenstop“ in den Barackenlagern dauerte bei vielen mehrere Jahre an.
In Linz waren bereits während der Zeit des Nationalsozialismus durch den enormen Zustrom von Zwangsarbeitern, Umsiedlern und Kriegsgefangenen große Barackenlager entstanden. Die Einsatzgebiete dieser Arbeiter waren nicht nur die neuen Großbetriebe Reichswerke „Hermann Göring“, Eisenwerke Oberdonau und Stickstoffwerke AG. Nach dem Krieg kamen angesichts der Flüchtlingsmassen noch weitere Barackenlager sowohl in der Stadt als auch auf dem Land hinzu. Allein in Linzer Baracken lebten im Mai 1945 mehr als 30.000 Menschen und in Oberösterreich insgesamt „hausten“ cirka 100.000 Menschen in behelfsmäßigen Lagerunterkünften. Diese Zahl konnte in den folgenden fünf Jahren etwa auf die Hälfte reduziert werden.
Entsprechend ihrer Herkunft wurden die Einwohner unterschiedlichen Lagern zugeteilt: Es gab Lager für fremdsprachige Flüchtlinge (DP’s), eigene Lager für Juden sowie Lager für die „volksdeutschen“ Flüchtlinge.

Lagerleben und Lageralltag
In der Erinnerung vieler ehemaliger Barackenbewohner aus Linz war das Lagerleben primitiv und bedrückend. Charakteristisch für das Leben im Lager war in der ersten Nachkriegszeit der Mangel an den allernotwendigsten Dingen; selbst an Kleidung fehlte es in ausreichendem Maß. Durch die kaum isolierten Baracken litten die Menschen enorm unter der Kälte der Winter. Die schlechten sanitären Bedingungen und hygienischen Verhältnisse stellten eine beständige Gefahr von Epidemien dar. Feuchte, von Wanzen und anderem Ungeziefer befallene Räume waren neben der noch jahrelang schlechten Versorgungs- und Ernährungslage eine weitere Belastung für die Lagerbewohner. Außerdem stieg durch die allgemeine Not auch die Kriminalität in den Lagern beträchtlich an.

Erst im Laufe der Jahre verbesserte sich die Lebensqualität in den Lagern allmählich: Während man anfangs mit 20 oder mehr Menschen auf engstem Raum zusammengepfercht war und Sanitäranlagen und Küchen miteinander teilen musste, entstanden später kleine Wohneinheiten, die ein bescheidenes Leben in eigenen vier Wänden ermöglichten. Auch kulturelle und sportliche Aktivitäten entwickelten sich nach und nach. Es wurden Fußballklubs, Theatergruppen und Musikkapellen gegründet. Regelmäßig abgehaltene Tanzveranstaltungen und Abendunterhaltungen ließen für kurze Zeit von der alltäglichen Not Abstand gewinnen. Noch heute zeugen manche, in Lagern abgeschlossene Ehen und entstandene Freundschaften von diesen sozialen Beziehungen.

Organisation und Verwaltung der Lager
Innerhalb der Lager herrschte eine gemeindeähnliche Struktur: Ein Siedlungskomitee und ein Lagerleiter vertraten die Interessen der Lagerbewohner; sie fungierten auch als Kontrollinstanz. Mit strengem Reglement wurden Rechte und Pflichten der Lagerinsassen kontrolliert. Die Lagerstruktur folgte einem militärischen, in überschaubare Einheiten gegliederten Prinzip: Einer gewissen Anzahl von „Mannschaftsbaracken“ standen eine zentrale Verwaltungsstelle, sanitäre Anlagen, Großküchen sowie einige wenige handwerkliche und gewerbliche Einrichtungen zur Verfügung. Nach und nach kamen auch kulturelle, sportliche und soziale Einrichtungen wie Kirchen, Kindergärten, Krankenstationen und Schulen, Geschäfte und Gasthäuser etc. hinzu.

Schritte zur Integration
In der sozialen Hierarchie der Städte waren Barackenbewohner nicht hoch bewertet: So schlug sich beispielsweise die Stigmatisierung als „Barackenmensch“ auch in einer erschwerten Arbeitssuche nieder. Auch das Ansehen und Erscheinungsbild der Stadt generell wurde zwei Jahrzehnte lang durch die Baracken bestimmt: Bürgermeister Ernst Koref prägte zu dieser Zeit den bekannten Ausspruch vom Wandel der Stadt Linz von der Barockstadt zur Barackenstadt.

Im Jahr 1952 wurden die Barackenlager offiziell in „Wohnsiedlungen“ umbenannt, man erkannte, dass die ursprünglich zeitlich befristet Aufgenommenen in Österreich bleiben würden; für sie war aus einem „Zwischenstop“ die zukünftige Heimat geworden, und ihre Integration in die österreichische Gesellschaft war notwendig geworden. Eine wichtige Rolle in der Normalisierung und Integration der in Baracken wohnenden Flüchtlinge hatten die „Gemeinnützige Landeswohnungsgenossenschaft für Oberösterreich“ (LAWOG) und die „Danubia“, die „Siedlungsgenossenschaft für die deutschsprachigen Heimatvertriebenen“ inne. Sie waren in Oberösterreich die wichtigsten Bauträger im Baracken-Ersatzwohnungsbau. Die letzten Barackenlager wurden erst in den 1960er Jahren aufgelöst.

Verwendete Literatur siehe Bibliografie.
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2005