Jahre des Existenzkampfes:
1945–1949

In der direkten Nachkriegszeit standen für Besatzungsmacht und Verwaltung die Versorgung der Bevölkerung an Lebensmitteln und Wohnungen an oberster Stelle. Durch die hohen Flüchtlingszahlen und die Überbevölkerung war dies ein kaum zu bewältigendes Problem.

Die Versorgung der Bevölkerung – Lebensmittelrationierung
Im Jahr 1945 brach die Lebensmittelversorgung völlig zusammen: Mit den wenigen Vorräten, die zu Kriegsende zur Verfügung standen, und den viel zu niedrigen Ernteergebnissen sollte einigermaßen gerecht gewirtschaftet werden, weshalb die Rationierung der Lebensmittelvorräte aus der Kriegszeit noch mehrere Jahre nach dem Krieg fortgeführt werden musste. Mittels Lebensmittelkarten wurden jeweils für ein Monat festgelegte Kalorienrationen an Fleisch, Milch, Kartoffeln, Brot und auch Kleidungsstücke sowie weitere lebensnotwendige Dinge ausgegeben – allerdings nur an jene, die eine Arbeit vorweisen konnten. Die Kalorienrationen in den Jahren 1945 und 1946 bewegten sich zwischen Werten um 1200 und 1550 und weniger pro Tag und Person und lagen zum Teil unter den Werten der Kriegszeiten. Nach verschiedenen Kategorien wurden Lebensmittel ausgegeben: für Schwerarbeiter, Normalverbraucher, schwangere oder stillende Mütter, etc. In Urfahr speisten Volksküchen die Bevölkerung zu niedrigen Preisen und Arme umsonst aus.
Im Frühjahr 1947 wurde Österreich immer noch als eines der Länder Europas mit der am schlechtesten ernährten Bevölkerung eingestuft. So mochte es fast überraschen, dass ab 1948 die Lebensmittelbewirtschaftung nach und nach abgebaut werden konnte. 1955 war schon nicht mehr der Mangel, sondern die landwirtschaftliche Überproduktion das Problem.

Der Schwarzmarkt
Die allgemeine Versorgungskrise führte zwangsläufig zur selbst organisierten Beschaffung von lebensnotwendigen Gütern – sei es durch das beschränkte Halten von Kleinvieh, den eigenen Anbau von Gemüse oder zu überhöhten Preisen auf dem florierenden Schwarzmarkt. Immer wieder kam es zu Razzien, Durchsuchungen und Festnahmen. Besonders gefürchtet waren die Gepäckskontrollen auf den Bahnhöfen, wo „Hamsterern“ häufig die am Land teuer erstandenen Waren wieder abgenommen wurden. In den ersten Nachkriegsjahren wurden mehrere tausende Kilogramm Fett, Fleisch, Mehl und andere Lebensmittel beschlagnahmt.
Die Versorgung mit Zigaretten, vornehmlich ausländischen, wie Lucky Strike, Marlboro, Camel, der Goldwährung des schwarzen Marktes, war ganz vom Nachschub der Besatzer abhängig. Naturalien oder Dollars waren die begehrtesten Zahlungsmittel am schwarzen Markt. Zigaretten, Alkohol, Schokolade, Coca Cola, Penicillin oder Nylonstrümpfe waren Währungen, die viele Zugänge öffneten.

Währungsreformen
Der Schwarzmarkt stellte ein beträchtliches wirtschaftliches Problem dar, und ein Versuch der Inflationsbekämpfung schlug sich in mehreren Währungsreformen nieder. Die westlichen Besatzer zahlten mit selbst gedruckten Militärschillingen. Daneben kursierte immer noch die Reichsmark. Der österreichische Schilling wurde ab 30. November 1945 wieder zum Zahlungsmittel. In zwei Währungsreformen 1945 und 1947 wurde der Geldüberhang abgeschöpft. Im Unterschied zur Währungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg wollte man der Überschuldung nicht durch eine völlige Geldentwertung, sondern durch eine Sperre und Streichung aller über einer pro Person festgelegten Höchstsumme von 150 Reichsmark/Schilling erreichen. Sparbücher, Anleihen und sonstige Guthaben waren wieder weitgehend verloren. Dennoch war eine galoppierende Inflation nicht zu verhindern. Manche nahmen es humorvoll: "Iss und trink, solang's Dir schmeckt, / schon zweimal ist uns's Geld verreckt!"

Aufräumarbeiten und Wiederaufbau
Die wichtigsten Aufgaben der Nachkriegszeit waren Aufräumarbeiten und Wiederaufbau der durch Bombenkrieg und Artilleriebeschuss zerstörten Gebäude und Infrastruktur. Vor allem die Wiederherstellung der öffentlichen Versorgung mit Gas, Wasser und Strom zählte zu den ersten dringend notwendigen gemeinsamen Aufgaben von Besatzungsmächten und Bevölkerung, der abgesehen von wenigen Ausnahmen eine allgemeine Arbeitspflicht auferlegt wurde. Problematisch an den Wiederinstandsetzungsarbeiten war in der ersten Zeit der allgemeine Mangel an Arbeitskräften und auch an Material: Kohle, Glas, Ziegel waren in großen Mengen vonnöten.
Da die Kraftwerke durch die Kriegszerstörungen nur mit eingeschränkter Kapazität arbeiteten, war für die Bevölkerung eine nur eingeschränkte Nutzung von Strom und Gas möglich: Das Kochen mit Gasherden war nur zu bestimmten Tageszeiten erlaubt. Ähnlich verhielt es sich mit der Benutzung elektrischer Geräte.

Trümmerfrauen
Die Rolle der Frauen während der Nachkriegszeit, die für den Wiederaufbau unglaubliches leisteten, wird häufig unterschätzt. Viele Männer, die den Krieg überlebt hatten, waren verwundet oder kehrten erst nach einigen Jahren aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Harte körperliche Arbeit kennzeichnete den Alltag der „Trümmerfrauen“ in jenen Hunger- und Mangeljahren. Sie karrten Schutt, klopften Steine, trugen Trümmer zusammen und Häuser ab und hatten nebenbei noch für ihre Familien zu sorgen. Durch die Abwesenheit der Männer waren sie gezwungen, eigenständige Strategien zum Überleben für sich und ihre Familienmitglieder zu entwickeln.

Sparen – (Über)Lebensstrategie einer Generation
Mangel und Not sind wohl die treffendsten Kennzeichen der ersten Nachkriegsjahre: Wo man nur konnte wurde gespart und improvisiert. Frauen entwarfen spezielle Notspeisen, zauberten aus den wenigen vorhandenen Lebensmitteln und Ersatznahrung neue Kreationen, die in eigenen Spar-Kochbüchern ihren Niederschlag fanden. Stahlhelme wurden zu Kochtöpfen und Schöpfkellen umfunktioniert, aus Fallschirmen entstanden Ball- und Hochzeitskleider.
Sparen im Sinne von Geldsparen gab angesichts des Währungsverfalls wenig Sinn. Nur allmählich, erst in den 50er Jahren, konnte langsam wieder eine Spargesinnung aufgebaut werden.

Notrezepte 1945/46

Falsche Rahmsuppe
Falsche Rahmsuppe
Falsche Linzertorte

Falsche Rahmsuppe
Zutaten: 20 Deka Kartoffeln, 2 Esslöffel Magermilch oder gelöste Trockenmilch, Kümmel, Brotschnitten, ein wenig Essig, Salz


Falsche Rahmsuppe
Zutaten: zwei Handvoll Trockenkartoffeln, etwas Kümmel, Wurzelwerk, wenn irgend möglich etwas Porree, Salz, ein Lorbeerblatt, und falls vorrätig ein paar Scheiben Trockenpilze


Falsche Linzertorte
Zutaten: 30 Deka Erbsen (grün oder gelb), 10 Deka Zucker, 1 Packerl Backpulver, 2 Packerl Puddingpulver und wenn nicht erhältlich, dann 9 Deka Mehl

(aus: Die Frau, 1945 bzw. 1946 – zititert nach: Die Sinalco-Epoche, S. 146)

Kochbücher der ersten Nachkriegsjahre

  • Franz Ruhm: 133 Kochrezepte für 1946. Eine Sammlung von Rezepten aus schwerer Zeit. Wien-Purkersdorf 1946.
  • Lucie Chalopetzky-Tosetto: Das sparsame Kochbuch. 333 ausgewählte Kochrezepte. Wien/Bad Ischl 1946.
  • Praktische Winke für zeitgemäßes Kochen. Mit dem Anhang von Sparrezepten: sparen – strecken – einteilen, 1947.
  • Neue Kochrezepte, 1946. Sailers Taschenreihe Nr. 4: Schlagobers aus Trockenmilchpulver! Wie stelle ich Backpulver her? Und viele zeitgemäße Kochrezepte. Preis S 1.--

Verwendete Literatur siehe Bibliografie.
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2005