Weitere Naturereignisse

Weitere extreme Naturereignisse im mittelalterlichen Oberösterreich


Hagel und Gewitter
Das Wirtschaftsleben der mittelalterlichen Agrargesellschaft – von der Aussaat und Ernte bis hin zu den Marktpreisen für Getreide und andere Grundnahrungsmittel – war in besonderem Maße von den jeweiligen Witterungsumständen abhängig. Große Überschwemmungen waren dabei nur ein Faktor, der für Missernten, Preissteigerungen und im Extremfall für Hungersnöte verantwortlich war, da in den gebirgigen und hügeligen Landschaften des Ostalpenraums und Alpenvorlandes nur relativ kleine Teile des landwirtschaftlich genutzten Landes überflutet wurden. Viel stärker wirkten sich dagegen Hagelgewitter, Winde, durchgängig nasskaltes Wetter, Frost sowie Hitze und Dürre auf die Nahrungskette des Menschen aus. Dementsprechend sind in den Annalen gerade die strengen Winter, die verregneten oder besonders heißen Sommer, aber auch Einzelereignisse wie Gewitter mit Hagel und Sturm vermerkt, da der dadurch angerichtete Schaden in vielen Fällen enorm war.

Ein Hagelgewitter mit besonders großen Hagelkörnern – sie sollen die Größe von drei Männerfäusten gehabt haben – ist für das Jahr 1403 belegt. Damals zerstörten diese „Steine aus Eis“ (lapides glaciales de celo) zahlreiche Dächer in Bayern, in Gmunden und in St. Wolfgang. Viele Menschen und Weidetiere verloren dabei ihr Leben.

Am 6. Juli 1507 wurde die Region um Wels von einem schweren Hagelgewitter heimgesucht. Der Welser Kaplan und spätere Pfarrer Lorenz Mittenauer berichtet detailreich in seiner Chronik davon. Besonderes Augenmerk liegt dabei nicht nur auf den Schäden – auch Todesopfer bei Menschen und Tieren (Gänse, Schweine, Schafe) waren zu beklagen –, sondern auf den Hagelkörnern selbst, ihrem Gewicht und ihrer Form. Manche seien so groß wie Haselnüsse gewesen, andere wie Hühnereier, wieder andere wie Gänseeier. Einige hätten wie Handflächen mit drei Fingern ausgesehen – bei dem Hagelschlag musste es sich somit eindeutig um eine Gottesplage gehandelt haben. Dieses Deutungsmuster ist freilich nur bei Mittenauer weiter verbreitet: So ist seine Chronik die einzige bekannte Quelle zur Jahrtausendflut von 1501, die dieses Ereignis als Gottesstrafe interpretiert.

Stürme
Eine Häufung von Starkwinden – oder zumindest von Nachrichten dazu – ist für das letzte Drittel des 13. Jahrhunderts festzustellen: Für das Jahr 1264 berichtet die Fortsetzung der Annalen von Lambach (Continuatio Lambacensis) von einem so starken Westwind, dass gewaltiger Schaden an Gebäuden entstand und viele Bäume umstürzten.

Einer der ausführlichsten Berichte über Sturmschäden stammt vom Linzer Höfling Paul Rasp, der Ende des 15. Jahrhunderts die oberösterreichische Fassung der so genannten Wiener Annalen um zeitgenössische Nachrichten zum oberösterreichischen Raum ergänzte. Der Sturm am 16. Juni 1492 zerstörte demnach einen großen Teil des Neubaus am Linzer Schloss – zu denken ist hier wohl vor allem an die Dachkonstruktion. Ein zweiter, noch stärkerer Sturm am Nachmittag des 25. Juni desselben Jahres soll sogar eine Kapelle im Schloss zerstört und zahlreiche Dächer in der Stadt Linz abgetragen haben. Darauf folgten in der Nacht sowie am nächsten Tag schwere Gewitter mit Hagel; der Schaden dieses Unwetters dürfte nach dem Abdecken der Häuser enorm gewesen sein. Weitere zehn Tage später kam es ein drittes Mal zu schweren Schäden an Gebäuden durch intensiven Gewitterregen und Sturm. Am Neubau des Schlosses stürzte – offensichtlich nach der Zerstörung eines Baugerüsts – ein großes Zimmer ein; die Trümmer kollerten den Schlossberg hinab.

Hitze, Dürre und Kälte
Im 13. Jahrhundert, noch in der hochmittelalterlichen Warmperiode, waren extrem heiße und trockene Jahre nicht selten und wirkten sich verheerend auf die Versorgungslage der Menschen mit Getreide, Obst und Wein aus. 1255 konnte wegen der Dürre praktisch keine Ernte eingefahren werden; eine Hungersnot, die Arm und Reich in gleicher Weise traf, war die Folge. Ebenso zerstörte eine große Trockenperiode große Teile der Ernte im Jahr 1262. Das Getreide blieb so klein, dass man es eher mit den Händen ausrupfen als mit der Sichel mähen konnte. Bis zur Ernte des Folgejahres wurden daher die Menschen in Österreich von einer schweren Hungersnot geplagt. Weitere schwere Dürrejahre sind für 1244, 1276/77, 1307, 1311 bis 1313, 1360, 1394, 1426 und 1427 belegt.

Für die Jahre 1503 sowie 1513 oder 1514 berichtet der Welser Kaplan und spätere Pfarrer Lorenz Mittenauer in seiner Chronik von extremen Trockenperioden. 1503 wurde der Großteil des Getreides durch die Dürre vernichtet; Quellen trockneten aus und selbst an den großen Flüssen ging der Fischbestand durch das extreme Niedrigwasser zurück. Es spricht einiges dafür, dass die Auswirkungen der großen Überschwemmung vom September 1503 deswegen so verheerend waren, weil der völlig ausgetrocknete Boden das Wasser zum Großteil abrinnen ließ und nur wenig aufsaugte. Bei der Trockenheit des Jahres 1513 oder 1514 verdorrte das Getreide sogar an sumpfigen Orten, so dass es praktisch keine Heuernte gab und das Getreide schon um den 4. Juli eingebracht wurde. Allerdings war der Ertrag gering: Wer im Frühjahr zehn Metzen (altes Hohlmaß) ausgesät hatte, erntete nur vier, so dass es zu massiven Preissteigerungen kam.

Wenn bei extremer Kälte im Winter die Flüsse mit einer dicken Eisschicht bedeckt waren und auch die Quellen und Brunnen einfroren, konnte es so weit kommen, dass akuter Trinkwassermangel herrschte. Die Bauern mussten daher im Winter 1513 auf 1514 große Mengen an Wasser für den Eigenbedarf über mehr als eine Meile mit Lasttieren herbeiführen, wie der Welser Pfarrer Lorenz Mittenauer in seiner schon erwähnten Chronik schreibt.

Erdbeben
Erdbeben sind in Oberösterreich relativ selten und nie besonders stark, im Gegensatz zum Wiener Becken, zur Mur-Mürz-Furche, zu Kärnten und dem Tiroler Inntal; für diese Gebiete sind mehrere, zum Teil zerstörerische Erdbeben im Mittelalter bezeugt. Allein in der Fortsetzung der Annalen von Admont (Continuatio Admuntensis) ist zum 22. August 1425 für das oberösterreichische Ennstal ein schweres Erdbeben mit einem Epizentrum im Raum Garsten bezeugt, weiters ein schwächeres Nachbeben zwei Tage später. Über Schäden teilt diese singuläre Nachricht nichts mit. In jedem Fall muss aber das Ereignis derart berichtenswert gewesen sein, so dass ein Admonter Mönch die mit 1250 endende Continuatio Admuntensis 1425 um eine weitere Nachricht ergänzte.

Tierplagen
Im Spätmittelalter waren der Ostalpenraum sowie das ober- und niederösterreichische Alpenvorland mehrfach von Heuschreckenplagen betroffen, die in der Regel von der ungarischen Tiefebene ihren Ausgang nahmen. Meist wurden die Heuschrecken nicht nur als eine Strafe Gottes oder als Zeichen zur Umkehr gedeutet, sondern galten auch als Vorboten des Jüngsten Gerichts. Die Menschen begannen daher mit Prozessionen und Gebeten, um so Zeichen der Umkehr und Buße zu setzen. Der tatsächliche Schaden der Heuschreckenschwärme war vermutlich weniger dramatisch, als es die zeitgenössischen Berichte nahe legen. Zu keiner der spätmittelalterlichen Heuschreckenplagen ist eine Steigerung der Getreidepreise angemerkt, obwohl dies sonst in vielen Quellen genau registriert wurde.

Mit Abstand am besten ist die Heuschreckenplage von 1338 bis 1341 dokumentiert, die vor allem im Ostalpenraum, aber auch in Böhmen und bis hin zum Rhein wütete. In fast allen Annalen aus Österreich und der Steiermark finden sich dazu Eintragungen, so auch in den zeitgenössischen Aufzeichnungen des Michael Rippo aus dem Zisterzienserstift Wilhering bei Linz.

Nach der Mitte des 14. Jahrhunderts werden Heuschreckenplagen im österreichischen Raum wieder deutlich seltener. Erst für das Jahr 1473 berichtet die Fortsetzung der Melker Annalen wieder von einer Invasion, die aus Moldawien über Siebenbürgen und Ungarn Österreich erreicht habe; die Heuschrecken seien schließlich bis in den Raum von Linz vorgestoßen und hätten bis 1476 Schaden angerichtet. Während die Plage in Ober- und Niederösterreich bis 1476 dauerte, hielt sie in der Steiermark und in Kärnten gar bis 1480 an.

Autor: Christian Rohr, 2009