Frühmittelalter

Buchmalerei in Oberösterreich im Frühmittelalter


Träger der Buchkultur waren im früh- und hochmittelalterlichen Oberösterreich ausschließlich Klöster. Im 8. und 9. Jahrhundert verfügte das Gebiet nur über eine schwache kirchliche Infrastruktur mit einigen wenigen Konventen. Schreibschulen existierten vermutlich nur in den Gründungen Herzog Tassilos III., in Mondsee (gegr. 748) und Kremsmünster (gegr. 777).

Kremsmünster und Mondsee
In Kremsmünster haben sich nur einige wenige Fragmente mit unspezifischem Schmuck erhalten, die als Zeugnisse einer lokalen Werkstatt in Frage kommen; die Existenz eines Skriptoriums (Schreibstube) ist aber nicht mit Sicherheit zu belegen. Dem Benediktinerkloster St. Michael in Mondsee hingegen lassen sich rund 20 Handschriften bzw. Fragmente zuordnen, die fast alle sorgfältig ausgeführten Buchschmuck besitzen. Die Bedeutung der Schreibschule ist unter anderem dadurch begründet, dass sich schon aus der Zeit vor 800 neben verzierten Initialen auch figürliche Darstellungen erhalten haben - mit Ausnahme von St. Peter in Salzburg ist das bei keinem anderen Kloster des Herzogtums Bayern der Fall.

Psalter von Montpellier
Bereits am Beginn der Überlieferung steht ein Hauptwerk: ein kleiner, aufwendig ausgestatteter Psalter (Montpellier, Bibliothèque Interuniversitaire, Section Médecine, Ms. 409), der vor 788 für ein Mitglied der herzoglichen Familie angefertigt wurde und noch im 8. Jahrhundert im Zuge der Verbannung von Tassilos Familie nach Frankreich gelangt ist. Er enthält zwei ganzseitige Bilder mit Christus und David als Standfiguren unter Rundbogenarkaden, die auf ältere oberitalienische Vorbilder zurückgehen, und zahlreiche Initialen, welche mit zeittypischen Formen wie Fischen, Flechtwerk, Blüten und verschiedenen geometrischen Mustern verziert sind; neben Deckfarben sind auch Gold und Silber für die Ausstattung verwendet worden.

Codex Millenarius
Um 800 entstand mit einem Evangeliar, dem Codex Millenarius (Maior) (Kremsmünster, StiB, Cim. 1), die wichtigste Mondseer Handschrift. Text und Bilder gehen auf eine spätantike, vielleicht aus Ravenna stammende Vorlage zurück, die zuvor bereits im benachbarten St. Peter in Salzburg für das so genannte Cuthbercht-Evangeliar (ÖNB, Cod. lat. 1224) benutzt worden war. Vor allem die Bilder des Evangeliars geben somit eine Vorstellung von einer verlorenen frühchristlichen Handschrift, die einem ungewöhnlichen Ausstattungsschema folgte: Die Symbole der Evangelisten sind nicht wie üblich gemeinsam mit den Verfassern der Evangelien in einem Bild dargestellt, sondern sie erscheinen gleichwertig auf der gegenüberliegenden Seite. Außergewöhnlich ist auch das Schriftbild der Handschrift, da anstelle der allgemein gebräuchlichen karolingischen Minuskel die Unziale, eine spätantike Buchschrift, nachgeahmt wurde.
Das ist auch bei dem nur noch in Fragmenten erhaltenen, etwas später entstandenen Ingolstädter Evangeliar der Fall, dessen Buchschmuck aus Kanontafeln mit figürlichen Medaillons und Initialen bestanden hat. Anlage und Detailformen der Kanontafeln verraten nun allerdings die Kenntnis insularer Buchmalerei, die bislang in Mondsee keine Rolle gespielt hat. Hintergrund dafür ist vermutlich die im Jahr 803 erfolgte Unterstellung der Abtei unter den Kölner Erzbischof Hildebald, über den westliche Vorlagen nach Mondsee gelangt sein können.

Aus späterer Zeit sind keine Mondseer Prachthandschriften mehr überliefert. Dass das Kloster aber immer noch über eine wichtige Schreibschule verfügt haben muss, zeigt ihr Einfluss auf die Salzburger Buchmalerei. Offenbar wurde unter dem Salzburger Erzbischof Adalram (reg. 821-836) ein Schreiber nach St. Peter berufen, der dort auch als Zeichner tätig war und für Mondsee typische Motive nach Salzburg verpflanzte. Etwa um 830 begann man in Salzburg auch - offenbar nach dem Vorbild Mondsees - Unzial-Evangeliare herzustellen. Als Mondsee im Jahr 833 dem Regensburger Bischof als Eigenkloster unterstellt wurde, wanderte ebenfalls ein Schreiber und Zeichner ab, der dann in Regensburger Handschriften nachzuweisen ist. Für Mondsee selbst sind in der Folge jedoch keine Bücher mehr überliefert.

Autor: Friedrich Simader, 2009