Ringen um die Durchsetzung

Das Ringen um die Durchsetzung der Reformation in Oberösterreich

~ 1527–1568


Landesfürsten als Wächter des Seelenheils
Von Beginn der Reformation an waren religiöse Fragen auch politische Fragen. Der Fürst verstand sich als der von Gott eingesetzte Bewahrer der weltlichen Ordnung und Schutzherr der Kirche. Bis zur Zeit Maria Theresias im 18. Jahrhundert fühlten sich die Landesfürsten deshalb zuständig für das Seelenheil der Untertanen. Aus diesem Grund sahen sich die in Spanien streng katholisch erzogenen habsburgischen Brüder Karl V. (1500–1558, Kaiser bis 1556) und Erzherzog Ferdinand I. (1503–1564, Kaiser ab 1558) Gott gegenüber verantwortlich für die Bekämpfung der Reformation, die sie als Angriff auf die Kirche und damit auf das Heil der Menschen verstanden. Den Übergang vieler Untertanen zur Reformation konnten sie deshalb aus Gewissensgründen nicht dulden. Zugleich bedeutete dieser Übergang aber auch Ungehorsam gegenüber dem Herrscher, ja Rebellion. Damit ist verständlich, warum sowohl Karl - der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches - als auch Ferdinand - der Erzherzog von Österreich - so viel Energie in die Abwehr der Reformation investierten.

Auf Reichsebene scheiterte Karl V. Das zeigt schon die Missachtung des Edikts von Worms (1521) in vielen Teilen des Reiches. In diesem Edikt wurden Luther und eine Anhänger mit der Reichsacht belegt. Schließlich brachte der Augsburger Religionsfriede (1555) die reichsrechtliche Anerkennung der Reformation. Karl V. trat auch deshalb als Kaiser zurück. Die in Augsburg gefasste Vereinbarung (der so genannte Augsburger Religionsfriede) übertrug dem jeweiligen Landesfürsten die Kompetenz, die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen („cuius regio eius et religio”).

Bekämpfung der Reformation
In Österreich versuchte Erzherzog Ferdinand vergeblich, die Reformation durch Mandate und Befehle zurückzudrängen. Ferdinand trat 1521 seine Herrschaft in Österreich an. 1523 erließ er ein Verbot der Schriften Luthers und anderer Reformatoren. Ein Jahr später, 1524, beschloss er gemeinsam mit anderen katholischen Fürsten Süddeutschlands die Regensburger Ordnung, mit der die lutherische Lehre bekämpft und eine Reform des Klerus durchgeführt werden sollte. In Österreich wurde diese Ordnung als Edikt erlassen. 1527 verkündete Ferdinand in Buda ein Mandat, das neuerlich die Durchführung des Edikts von Worms und der Regensburger Ordnung befahl. 1528 wurden alle, die „ketzerische“ Bücher druckten oder damit handelten mit der Todesstrafe bedroht. Doch die politische und finanzielle Situation des Landesfürsten, der seit 1526 auch König von Ungarn und Böhmen war, erlaubte es nicht, gewaltsam gegen jene vorzugehen, welche die fürstlichen Mandate missachteten. Mit der ungarischen Krone hatte Ferdinand nämlich auch den Krieg gegen das Osmanische Reich geerbt (1529 erste Türkenbelagerung Wiens). Die damit verbundene finanzielle Belastung gab den mehrheitlich reformatorisch gesinnten Landständen nun die Möglichkeit, Ferdinand unter Druck zu setzen und eine konsequente Durchführung seiner religionspolitischen Maßnahmen zu verhindern, hatten sie doch schließlich einen Beitrag zu den Kriegskosten zu leisten.

Die evangelisch gesinnten Landstände beharrten auf dem Recht auf Predigt des „reinen Evangeliums’ “und riefen genauso wie ihre habsburgischen Gegenspieler nach einem allgemeinen Reformkonzil. Diese Forderung wurde wiederum vom Papst abgelehnt.

Die Stände Oberösterreichs

Die Herrschaft der habsburgischen Landesfürsten war an die Mitwirkung der Stände gebunden. Diese bildeten im Landtag eine Art „Parlament“, dessen wichtigstes Recht jenes der Steuerbewilligung war. Politisch dominierte der Adel, der zum Großteil der Lehre Luthers anhing. Dieser Umstand zeitigte entscheidende Auswirkungen auf die konfessionelle Situation des Landes ob der Enns.

Kontakte mit den Zentren der Reformation
In der Bevölkerung, vor allem unter Adeligen und Stadtbevölkerung, setzte sich inzwischen reformatorisches Denken immer mehr durch. Gefördert wurde es durch viele Kontakte mit den Ländern, in denen die Reformation trotz kaiserlicher Verbote durchgeführt wurde. Adelige und Bürger ließen ihre Söhne in Wittenberg und anderen Zentren der Reformation studieren. Da sich auch zahlreiche Priester und Ordensangehörige der Reformation anschlossen, vollzog sich der Wandel in kleinen Schritten mit der Reform der Gottesdienste, dem Verzicht auf katholische Riten, Marienverehrung und dergleichen.
Aber es darf nicht übersehen werden, dass jede Reform mit der Gefahr der Bestrafung verbunden war. Immer wieder wurden Priester vor das bischöfliche Ordinariat in Passau geladen. Wie eine solche Vorladung ausgehen konnte, hatte die Hinrichtung Leonhard Kaisers gezeigt.

Klare Forderungen
Je länger die religiöse Auseinandersetzung dauerte, umso drängender wurden die Forderungen der Anhänger der Reformation. Mit dem von Philipp Melanchton (1497–1560) verfassten Augsburger Bekenntnis (Confessio Augustana) verfügten die Evangelischen über einen gemeinsamen Grundlagentext. Dieser wurde Kaiser Karl V. am Reichstag zu Ausburg im Jahre 1530 überreicht. Das Augsburger Bekenntnis wurde zum grundlegenden Text des lutherischen Kirchenwesens.

1532 forderten die Stände auf dem Innsbrucker Ausschusslandtag die „Predigt des klaren Wortes Gottes ohne Menschenzusatz“. 1538 gingen sie auf der Tagung der ständischen Ausschüsse in Linz weiter: Offen bekannten sie sich zur lutherischen Lehre von der Rechtfertigung (Der Mensch kann sich das Seelenheil nicht durch fromme Praktiken verdienen, sondern bekommt dieses aus Gottes Gnade geschenkt.) und forderten die Einführung des Abendmahls in beiderlei Gestalt. Wortführer der Evangelischen war Jörg von Perkheim (um 1485–1559), Herr auf Schloss Würting (Gemeinde Offenhausen).

Noch radikaler wurde die Haltung der Evangelischen auf dem Prager Generallandtag 1541/42, wo die Ständevertreter (Erasmus von Starhemberg, Jörg von Schaunberg, Jörg von Perkheim, Sigmund Ludwig von Polheim u. a.) eine Schrift des Theologen Justus Jonas (1493–1555) vorlegten, in der die Niederlagen gegen die Türken als Strafe für die Verachtung Gottes und seines Wortes gedeutet wurden.

Errichtung der Landschaftsschule
Bestärkt wurden die Evangelischen durch einen Beschluss des Reichstags von Regensburg 1541, in dem erstmals eine Duldung des Augsburger Bekenntnisses auf Reichsebene ausgesprochen wurde. Damit wuchs auch in Oberösterreich die Hoffnung, endlich ein anerkanntes evangelisches Kirchenwesen begründen zu können. Aus dieser Hoffnung heraus verfügten die Brüder Jörg und Wolf von Perkheim 1543 testamentarisch, dass ihr Besitz, falls sie ohne leibliche Nachkommen bleiben sollten, in eine Stiftung zur Gründung einer evangelischen Landschaftsschule eingehen sollte. Nach dem Tod Jörgs 1559 trat dieser Fall tatsächlich ein. Das Vermögen der Perkheimer bildete die Grundlage zur Errichtung der Landschaftsschule, die um 1566 begründet wurde. Ihr Sitz war zunächst im verlassenen Minoritenkloster in Enns, bevor sie 1574 in das neu erbaute Landhaus in Linz übersiedelte. Die Bibliothek Jörgs wurde zum Grundstock der in Restbeständen erhaltenen Landhausbibliothek („Sammelbände aus der Reformationszeit“ im oberösterreichischen Landesarchiv).

Sammelbände aus der Reformationszeit

Die so genannten Sammelbände aus der Reformationszeit stellen den letzten Rest der ehemals reichhaltigen ständischen Bibliothek dar. Dabei handelt sich um protestantische Streitschriften, Predigten etc. aus dem 16. Jahrhundert. Diese wurden im Zuge der Gegenreformation aus der Bibliothek entfernt und gesondert aufgestellt. Deshalb überstanden sie auch den Brand des Landhauses im Jahre 1800, bei dem die einige tausend Bände umfassende Bibliothek vernichtet wurde. In dieser Sammlung findet sich auch der Trostbrief Martin Luthers, den er an Leonhard Kaiser gerichtet hatte.

Keine flächendeckende Seelsorge
Doch trotz seiner politischen Bedrängnis blieb Erzherzog Ferdinand in der Ablehnung der Reformation hart. Den Niedergang der katholischen Kirche konnte er damit aber nicht aufhalten. Die Zahl der Mönche nahm dramatisch ab, sodass in den folgenden Jahrzehnten einige Klöster mehr oder weniger leer standen. Die Ablehnung der geistlichen Stiftungen durch die Anhänger der Reformation entzog dem niedrigen Klerus die Existenzgrundlage. Damit brach auch die flächendeckende katholische Seelsorge zusammen.

Wende zu Gunsten der Habsburger
Dennoch schien sich das Blatt zu Gunsten der katholischen Seite zu wenden. 1545 wurde in Trient das lang ersehnte Konzil eröffnet, allerdings ohne evangelische Beteiligung. Die Ständevertreter Ober- und Niederösterreichs veröffentlichten stattdessen eine Schrift Philipp Melanchthons, in der die Ablehnung des Konzils begründet wurde.

1547 besiegten die Heere Karls V. die evangelischen Reichsstände in der Schlacht bei Mühlberg im Zuge des Schmalkaldischen Krieges. Kurz darauf schloss Erzherzog Ferdinand einen Waffenstillstand mit dem Sultan. Damit schien der Weg zur Lösung des Glaubenskonflikts im Sinne der Habsburger frei.

Schmalkaldischer Bund

Der Bund evangelischer Reichsstände wurde geschlossenen, um die militärische Durchsetzung von Urteilen des Reichskammergerichts des Heiligen Römischen Reichs in Glaubenssachen abzuwehren. Der Bund – benannt nach der Stadt Schmalkalden in Thüringen – wurde von Frankreich, England und Dänemark unterstützt. Nach dem Schmalkadischen Krieg 1546/47 wurde der Bund von Kaiser Karl V. zerschlagen.

Wirkungslose Verbote Erzherzog Ferdinands
Auf dem Reichstag von Augsburg einigte man sich auf Druck des Kaisers auf eine Zwischenlösung, das Augsburger Interim (1548). Zwar wurden die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt und die Priesterehe zugestanden, aber die theologischen Anliegen der Reformation wurden zurückgewiesen. Auch die Forderung der oberösterreichischen Ständevertreter (Jörg von Perkheim) nach freier Religionsausübung wurde abgelehnt.

Stattdessen versuchte Erzherzog Ferdinand mit noch schärferen Verboten gegen die Evangelischen vorzugehen. Neue Mandate richteten sich gegen evangelische Bücher, die Anstellung evangelischer Lehrer und das Studium an lutherischen Universitäten. Schließlich ließ Ferdinand 1554 die Feier des Abendmahls unter beiderlei Gestalt verbieten, was zu heftigem Protest der Landstände führte.Tatsächlich aber waren die Mandate Ferdinands weitgehend wirkungslos. In vielen Schlössern des Adels wirkten lutherische Prediger und die Städte gingen offen zur Reformation über. So wurde in Steyr 1554 das Heilige Abendmahl auf lutherische Weise gefeiert und die Fronleichnamsprozession abgeschafft.

Vor allem ausgelöst durch das Augsburger Interim wurden theologische Fragen öffentlich diskutiert, wie die Stellungnahmen von Christoph Jörger, Herr auf Tollet, und seines Prädikanten (Predigthelfer, Laienprediger) Martin Moseder zeigen. Auch der Augsburger Religionsfriede von 1555 änderte an der Lage der Evangelischen in Oberösterreich wenig. Zwar setzte die Regelung, wonach der Landesherr die Konfession der Untertanen bestimmen durfte, den Erzherzog und seine Verbote ins Recht. Dennoch ermutigte der Augsburger Religionsfriede auch die Evangelischen in Österreich: Immerhin waren sie jetzt Anhänger einer reichsrechtlich anerkannten Religion, auch wenn diese in Österreich verboten war.

Immer mehr Evangelische
Dennoch konnte sich Ferdinand in der Religionsfrage praktisch weiterhin nicht durchsetzen. Der wieder aufgeflammte Krieg gegen die Türken, aber auch der Hinweis darauf, dass große Teile der Bevölkerung das ihnen zustehende Recht auf Auswanderung in Anspruch nehmen würden, zwangen ihn zum Nachgeben.

Inzwischen waren große Teile der Bevölkerung Oberösterreichs evangelisch. In den Städten mit Ausnahme der Landeshauptstadt Linz wirkten lutherische Prediger an den Hauptkirchen. Gottesdienste wurden nach evangelischem Ritus gefeiert, an den Schulen unterrichteten lutherische Lehrer. 1559 gründete der Rat der Stadt Steyr im ehemaligen Dominikanerkloster eine weithin berühmte Lateinschule. Der zweite Rektor dieser Schule kam aus Wittenberg, was die enge Verbindung zwischen dem evangelischen Oberösterreich und dem Zentrum der Reformation deutlich macht.

Hoffnung auf Legalisierung
Mit dem Tod Ferdinands I. 1564 wuchs die Hoffnung auf Legalisierung der konfessionellen Verhältnisse. Der neue Landesfürst, Kaiser Maximilian II. (1527-1576, Kaiser ab 1564), galt als friedliebend und stand dem Protestantismus positiver gegenüber als sein Vater. Er suchte Kompromisse, förderte aber zugleich gemeinsam mit dem neuen Bischof von Passau, Urban von Trenbach (Trennbach), die Erneuerung der katholischen Kirche.
1568 gewährte Maximilian II. dem Herrn- und dem Ritterstand die Religionsausübung gemäß dem Augsburger Bekenntnis in ihren Schlössern und Patronatskirchen. Die Städte blieben von dieser Religionskonzession ausgenommen. In der Praxis änderte das an der konfessionellen Situation des Landes nichts.

Linzer Landhaus
Das ab 1564 errichtete Landhaus in Linz ist ein Symbol für die Halbheiten in der Politik Maximilians. Zwar gestattete er den Ständen, das verlassene Minoritenkloster in Linz zu kaufen, abzureißen und an seiner Stelle das Landhaus zu errichten. Die Klosterkirche musste aber katholisch bleiben. Das hatte zur Folge, dass die Evangelischen drei Jahrzehnte lang im Festsaal des Landhauses (heute Steinerner Saal) Gottesdienst feierten, während die angrenzende Kirche leer stand. Ab 1600 wurde die Minoritenkirche von den Jesuiten genützt.

Auch die Errichtung des Ennser Stadtturms fällt in die Regierungszeit Maximilians. Der Turm wurde an Stelle und aus dem Material einer abgebrochenen Marienkirche errichtet und wurde bewusst als Symbol für den Sieg der Reformation gestaltet. An der Spitze des Turmes befindet sich ein typisch protestantischer Genius.

80–90 % Evangelische
In den Städten und auf dem Land hatte sich Mitte des 16. Jahrhunderts die Reformation durchgesetzt. Allerdings gab es kein geordnetes Kirchenwesen mit klaren Leitungsstrukturen und Ordnungen. Deshalb konnten in Oberösterreich verschiedene Richtungen des Protestantismus Fuß fassen. Welche theologische Meinung wo vertreten wurde, entschied der jeweilige Arbeitgeber der Theologen, sei es der Patronatsherr oder der Stadtrat. Das führte zu teils heftigen theologischen Auseinandersetzungen und schwächte das Ansehen der Evangelischen. Mit der Religionskonzession 1568 schien das jahrzehntelange Ringen um den Glauben allerdings entschieden: Oberösterreich war zu 80 bis 90 % evangelisch. Dennoch behielt der habsburgische Landesfürst, auch Maximilian II., das Ziel einer Rekatholisierung Oberösterreichs im Auge.

Autor: Günter Merz, 2010