Provinzwerdung

Die Politik des Kaisers Augustus verfolgte das Ziel die „weiten Ländermassen zwischen Italien, Illyrikum, Makedonien und der Donau einerseits sowie zwischen Rhein und Elbe andererseits“ zu gewinnen und damit „die Alpen- und Donauländer und einen Großteil Germaniens“ dem Reiche einzuverleiben, um eine durch Elbe beziehungsweise March und Donau gesicherte Grenze erstehen zu lassen. Während aber die Germanenpläne des Augustus infolge des Misslingens der großangelegten Offensive gegen das Markomannenreich Marbods, die wegen des illyrischen Aufstandes abgebrochen werden musste, und der Katastrophe im Teutoburgerwald zum Scheitern verurteilt waren, zeitigten die militärischen Operationen, welche die Unterwerfung des Alpen- und Donauraumes bezweckten, vollen Erfolg.

Friedliche Besetzung Noricums
Während die Okkupation im raetischen Raum mit blutigen Kämpfen verbunden war, geriet das im Osten angrenzende Regnum Noricum fast kampflos in römischen Besitz. Das Königreich, seit mehr als 150 Jahren der vor allem von Aquileia ausgehenden wirtschaftlichen und kulturellen Beeinflussung ausgesetzt, fiel den Römern „als reife Frucht“ zu. Leider fehlen bis jetzt alle näheren Hinweise darüber, wann die Landnahme durch die Römer erfolgte. Aus verschiedenen Anzeichen erscheint jedoch die Zeit des letzten Jahrzehnts vor Christi am wahrscheinlichsten.

Im norischen Gebiet kam es aber nach erfolgter Landnahme ebenso wie im benachbarten Raetien nicht gleich zur Einführung des Provinzialstatus, beide Länder verblieben im Okkupationszustand. Es lässt sich nicht feststellen, ob in Noricum ein Mandatar des benachbarten pannonischen Militärkommandos das Regiment führte oder ob ein einheimischer Vasallenfürst zum Gouverneur bestellt wurde.

Der Sitz der Verwaltung während der Okkupationszeit war die Stadt auf dem Magdalensberg, deren Name uns leider nicht bekannt ist. Diese Stadt, welche schon im frühen ersten Jahrhundert vor Christus Zentrum des römischen Handels geworden war, wurde nun, nach ihren repräsentativen Profan- und Sakralbauten zu schließen, Mittelpunkt des Lebens unter den neuen Herren.

Provinz Noricum
Unter Claudius (41–54) erhielt Noricum das Provinzialstatut und als Statthalter einen kaiserlichen Beamten aus dem Ritterstand mit dem Amtstitel procuratur. Der Prokuratur residierte nicht mehr in der Stadt auf dem Magdalensberg, sondern zum Sitz der Verwaltung wurde Virunum auf dem Zollfeld, das gleichzeitig mit vier anderen norischen Orten von Kaiser Claudius das Stadtrecht erhielt. Er hieß offiziell procurator Augusti (Augustorum) provinciae Noricae und gehörte der Rangklasse der ducenarii an. Er konnte demnach über ein Jahreseinkommen von 200.000 Sesterzen verfügen.

Die neugeschaffene Provinz umfasste daher neben den südlich der Donau gelegenen Teilen Nieder- und Oberösterreichs, die heutigen Bundesländer Salzburg, Steiermark, Kärnten und Ostirol sowie die jugoslawische Untersteiermark, Teile Südtirols und den bayrischen Chiemgau.

Die Befugnisse des prokuratorischen Statthalters waren die oberste richterliche Gewalt, die Finanzverwaltung und das Kommando über das Heer in seiner Provinz, das allerdings nur aus Auxiliarformationen, die sich in Organisation und Bewaffnung vom Legionsmilitär stark unterschieden, bestand. Diese Funktion als Oberkommandierender des in Noricum stehenden Heeres brachte es auch mit sich, dass dem Präsidialprokurator neben Virunum auch noch näher an der Donau gelegene Regierungsquartiere zur Verfügung stehen mussten. Ein solches war wohl Ovilava (Wels).

Autor: Gerhard Winkler, 2006