Römerstraßen

Römische Verkehrswege
Es gehört zu den geschichtlichen Leistungen der Römer, die Teile ihres weltweiten Reiches durch ein planvolles Netz von Kunststraßen, welche in der Hauptstadt Rom zusammenliefen, miteinander verbunden zu haben. Dieses Verbindungssystem war so gut und zweckentsprechend angelegt, dass ein Kurier die entferntesten Grenzen des Reiches in kürzester Zeit erreichen konnte. Eine dringende Depesche gelangte mit der kaiserlichen Eilpost auf dem Landwege in 14 Tagen von Rom nach Gibraltar und in 12 Tagen nach Konstantinopel oder an die schottische Grenze. Das römische Straßennetz war ein wesentlicher Garant für eine funktionierende Verwaltung des riesigen Reiches. Während der römischen Kaiserzeit sind die Reichsstraßen vor allem von den marschierenden Truppen, den kaiserlichen Beamten und ihrem Gefolge, den Transportwagen der Händler und nur selten von privaten Reisenden benützt worden. Noch im Mittelalter dienten die Trassen der alten Römerstraßen den Pilgern nach Rom oder ins Heilige Land als Wanderweg, und erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden sie vielerorts in Europa durch neue Anlagen ersetzt. Selbst heute noch folgt ein Teil der Hauptverkehrsadern dem Zug der römischen Verkehrswege.
Durch die zahlreichen, im 20. Jahrhundert neu entstandenen Bauten und insbesondere durch die unablässig und gnadenlos arbeitende Verwitterung wurde vieles verändert und zerstört. Es ist daher zu befürchten, dass vom Bestand der alten Straßenstücke, die uns noch an einigen Stellen erhalten sind und die im Gelände noch deutlich erkennbar hervortreten, bald nichts mehr vorhanden sein wird.

Das römische Straßennetz in Oberösterreich
Unser Bundesland wurde von drei Hauptstraßen durchquert, deren bedeutendste die Ost-West-Verbindung war, die vom Wiener Becken über Cetium (St.Pölten), Lauriacum (Enns-Lorch), Ovilavis (Wels) und weiter nach Augusta Vindelicum (Augsburg) führte. In Ovilavis vereinigte sie sich mit der von Aquileia ausgehenden Süd-Nord-Route, der so genannten „norischen Hauptstraße“, die von der Adria über das Canaltal, das Klagenfurter Becken, vorbei an der Provinzhauptstadt Virunum über Neumarkter Sattel, Rottenmanner Tauern und Phyrnpass bis an die Donau führte. Der Ausbau der Limesstraße entlang der oberösterreichischen Donau (via iuxta amnem Danuvium), die von Boiodurum (Passau-Innstadt) ausging, erfolgte erst am Beginn des 3. Jhdts., als die strategische Lage eine rasche Verbindung zwischen den Truppen an Rhein und Donau notwendig machte.

Die Bauweise der Römerstraßen
Über die Bauweise der römischen Überlandstraßen sind wir durch zahlreiche Bodenfunde recht gut informiert. Der bis zu 1 m starke Straßenkörper, der auf einer Decke aus gestampftem Lehm aufsaß, bestand aus drei, etwa 30 cm dicken Schichten: einem Unterbau (statumen) aus hochgestellten Bruchsteinen, einer Schüttung (ruderatio) aus faustgroßen Kieseln und einem Kern (nucleus) aus gewalztem oder gestampftem Kies. Alle Hohlräume waren mit Kalkmörtel (caementum) ausgefüllt und daher wasserdicht gemacht. Die Straßendecke (summa crusta) in Ortsdurchfahrten oder wichtigen Abschnitten bestand aus einem unregelmäßigen Steinpflaster, meistens aber nur aus Sand oder feinem Kies. Stets wurde auf eine regelmäßige Wölbung geachtet, um den Abfluss des Regenwassers zu ermöglichen. Die Begrenzung des 4 bis 5 m breiten Straßenkörpers bildeten seichte Gräben, eigentliche Gehsteige waren nur selten vorhanden. Alle Straßen verliefen, soweit es das Gelände erlaubte, schnurgerade. An schwierigen Stellen wurden Stützmauern, Brücken, Viadukte und sogar Tunnels angelegt, in Sümpfen bestand der Unterbau aus mehreren Lagen von Holzknüppeln. Auf gebirgigen Strecken sollten eigens ausgemeißelte Spurrillen, die sich durch den Verkehr immer weiter vertieften, das Bremsen der hier oft schwer beladenen Wagen beim bergab Fahren erleichtern.

Die Reise erfolgte über weitere Strecken zu Pferd, nur hochgestellte Persönlichkeiten und Frauen benutzten einen vierrädrigen Reisewagen. Die gewöhnlichen Soldaten gingen zu Fuß, wobei meist eine Tagesstrecke von 25-30 km zurückgelegt wurde. In dieser Entfernung standen Raststationen (mansiones) zur Verfügung, in größeren Abständen schoben sich Wechselstationen (mutationes) ein, in denen Reittiere zum Wechseln bereitstanden und auch Schmiede und Wagner oder ein Tierarzt zur Verfügung waren.

Meilensteine
Zur Streckenkennzeichnung und Markierung der Entfernungen wurden in Abständen von einer Meile (mille passus – 1000 Doppelschritte = etwa 1,5 km) Meilensteine aufgestellt. Diese bis zu 3 m hohen zylindrischen Säulen mit einem quadratischen Sockel waren beschriftet und gaben neben dem Namen und den Titeln des Kaisers, der die Straße errichten oder ausbessern hatte lassen, die Entfernung bis zur nächsten größeren Siedlung an. Von den über hundert Meilensteinen, die in Oberösterreich vorauszusetzen sind, haben nur sechs die Jahrhunderte überdauert: Die gut erhaltenen Steine in Wels und von Mösendorf bei Vöcklamarkt, das stark verwitterte Bruchstück vor dem Heimathaus Vöcklabruck und die heute schriftlosen Steine in Weiterschwang bei Gampern und Timelkam; der Stein von der Donauuferstraße bei Engelhartszell ist seit Jahrhunderten verloren.

Verlauf und Stationen der Römerstraßen
Durch zwei antike Quellen erhalten wir Aufschlüsse über den Verlauf und vor allem über die Stationen der Römerstraßen. Die sogenannte Tabula Peutingeriana (TP), die aus dem Besitz des Augsburger Humanisten Konrad Peutinger (1465–1547) stammende mittelalterliche Kopie einer antiken Straßenkarte, und das Itinerarium Antonini (IA), ein im 3. Jahrhundert entstandenes Reisehandbuch, verzeichneten die Straßenstationen und geben, leider durch zahlreiche Fehler entstellt, die Entfernungen zwischen ihnen an. Die Ost-West-Verbindung führte über Lauriacum (TP zu Blaboriciaco verschrieben), Marinianium (Linz-Wegscheid) nach Ovilavis (TP Ovilia) und weiter über Tergolape (Breitenschützing bei Schwanenstadt), Laciacum (TP Laciacis) und Tarnanto (Neufahrn) nach Iuvavum (Salzburg). Auf der Süd-Nord-Route lagen auf oberösterreichischen Boden Vetonianae (Voitsdorf), Tutatio (Micheldorf), Ernolatia (Dirnbach/St. Pankraz) und Gabromagus (Windischgarsten), ehe in Stiriate (Liezen) das Ennstal erreicht wurde. Die von Boiodurum (Passau-Innstadt) ausgehende Limesstraße verlief über Stanacum (Oberranna), Ioviacum (Gstöttenau zwischen Aschach und Eferding) und Ad Mauros (Eferding) nach Ovilavis.
Neben den Hauptstraßenzügen gab es noch ein dichtes Netz von schmäleren Nebenstraßen, die die Verbindungen zwischen den einzelnen Kastellen und Wachtürmen, aber auch zwischen den zahlreichen Gutshöfen (villae rusticae) herstellten.

Autor: Gerhard Winkler, 2006