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Azetylenbeleuchtung – eine Alternative zum Kohlengas


Alternativ zum Kohlengas setzten einige kleinere Orte und Städte auf eine öffentliche Beleuchtung mit Azetylengas, das aus einer Verbindung von Wasser und Calziumkarbid entsteht und bei entsprechenden Brennern und geeigneten Druckverhältnissen eine sehr helle und annähernd rußfreie Flamme liefert. Die kleineren Azetylen-Werke wurden zumeist von den Kommunen selbst betrieben, während in den größeren Städten Verträge mit Gasgesellschaften abgeschlossen wurden, die Kohlenkraftwerke führten.

Die Azetylen-Gaswerke, die alle um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden waren, hielten sich nicht sehr lange. Aufgrund der Rohstoffknappheit gegen Ende des Ersten Weltkrieges wurden sie zunehmend unwirtschaftlich und alsbald durch elektrische Beleuchtungsanlagen abgelöst.

Azetylen

„Azetylengas (Ethin) ist ein Produkt, das bei der (Kalzium)Karbidherstellung entsteht: Karbid ist eine chemische Verbindung von Kohlenstoff mit dem Metall Kalzium.“

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„Azetylengas (Ethin) ist ein Produkt, das bei der (Kalzium)Karbidherstellung entsteht: Karbid ist eine chemische Verbindung von Kohlenstoff mit dem Metall Kalzium.
Bei seiner Herstellung, die im elektrischen Ofen vorgenommen wird, benützt man den Kohlenstoff in Form von Holzkohle, Koks oder Anthrazit, während das Kalzium als Kalziumoxid, das ist gewöhnlicher gebrannter Kalk, wie man ihn auch zu Bauzwecken verwendet, beigegeben wird.“

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Das Azetylengaswerk Grieskirchen
Nachdem in Grieskirchen bereits seit 1865 eine Straßenbeleuchtung mit Petroleum existierte, traf die Gemeindevertretung von Grieskirchen im Jahre 1902 die Entscheidung für den Bau einer Azetylengas-Anlage, welche in dem damaligen Angerdorf die zwei Hauptstraßenzüge Stadtplatz und Rossmarkt mit Gaslicht versorgte und in der Folgezeit 55 Häuser beleuchtete. Schon 1910 erfolgte die Ablösung durch elektrische Beleuchtungsanlagen.

Das Azetylengaswerk Haag am Hausruck
Haag am Hausruck begann 1904 mit dem Bau einer Azetylengas-Anlage.

Das Azetylengaswerk Freistadt
Der Gemeinderat von Freistadt entschied sich im Jahr 1905 für den Bau einer Azetylengas-Anlage, welche von der Gumpoldskirchner Maschinen- und Metallwarenfabrik Richard Klinger ausgeführt und am 28. August 1906 feierlich eröffnet wurde. Unter der Leitung des Werksmeisters Hans Duray, einem Spezialisten des Gas- und Wasserfaches, wurde die Versorgung der öffentlichen und privaten Beleuchtung mit 20 km Rohrleitungen, 1400 Lampen und 74 Straßenlaternen sichergestellt.

Nicht von allen Seiten wurde die Installation der Acetylengas-Beleuchtung mit Begeisterung aufgenommen. Nach einer ersten Phase der Euphorie kam schon bald eine gewisse Unzufriedenheit mit dem explosiven, übel riechenden Azetylengas zum Ausdruck. Unter anderem suchte der Direktor der Marianums nach alternativen Lösungen zur neuen städtischen Beleuchtung. Da bereits neue Erkenntnisse im Bereich der Leuchtgaserzeugung erprobt worden und zur Anwendung gekommen waren, entschied man sich im Marianum nach der Einholung mehrerer Vergleichsberichte aus Deutschland für die Verwendung von Benoidgas. Dieses aus einer Mischung aus Luft und Hydrier (einer leicht verdunstenden, brennbaren Petroleum-Flüssigkeit) erzeugte Gas wurde unter der Verwendung entsprechender Apparate und Brenner verbrannt und mittels Auerschem Glühstrumpf zum Leuchten gebracht. Schon im März 1907 wurde diese Gasbeleuchtung durch eine Kommission bewilligt und mit der Installation des Apparates und der Rohrleitung begonnen. Besonders der angenehm warme Lichtschein des Gaslichtes wurde äußerst positiv aufgenommen. Dieser soll angeblich sogar die Arbeitslust und den Lerneifer der SchülerInnen beflügelt haben.

Mit dem Ersten Weltkrieg traten jedoch ernste Probleme in der Rohstoffversorgung auf. Es war nahezu unmöglich, an das teure Hexan zur Gaslichterzeugung zu gelangen. Noch bevor die Stadtväter von Freistadt eine Umstellung auf Strom in Erwägung zogen, gelang es bereits 1916 dem Direktor des Marianums eine elektrische Beleuchtung für seine Schule zu organisieren. Als jedoch zwei Jahre später aufgrund einer Unnachlässigkeit die Stromerzeugungsanlage in Flammen aufging, musste man im Marianum bis auf weiteres wieder mit einer einfachen Petroleumbeleuchtung das Auslangen finden.

Auf der Suche nach einer besseren Beleuchtung für seine Schule schloss der findige Direktor des Marianums im April 1919 einen Pachtvertrag für die Wiesmühle ab, die sich aufgrund des idealen Gefälles des Wassers hervorragend zur Erzeugung von Strom eignete.

Dieser Zeitpunkt markiert auch das Ende der Azetylenbeleuchtung der Stadt Freistadt. Schon ab 1919 wurde die Stadt vom Brauhaus aus notdürftig mit Strom versorgt und erhielt 1921/22 einen Anschluss an das entstehende oberösterreichische Verbundnetz. In den 1960er Jahren wurde das bereits stark verfallene Gaswerksgebäude abgebrochen und an dessen Stelle die heutige Bezirkshauptmannschaft Freistadt errichtet.
(Quelle: Archiv, Mühlviertler Schloßmuseum, Freistadt)

Leonfelden
Im Sommer 1908 beschloss das benachbarte Leonfelden, das bisher mit einer spärlichen Petroleum-Beleuchtung hatte auskommen müssen, ebenfalls Azetylenlicht einzuführen, um mit 20 Straßenlampen (siehe Bescheid Zl. 18711 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Urfahr an die Marktkommune Leonfelden) „eine den modernen Kulturbedürfnissen der Bevölkerung entsprechende Beleuchtung zu schaffen“. Anlässlich des Regierungsjubiläums des Kaisers erhielt die Anlage den Titel „Kaiser-Franz-Josef-Jubiläums-Beleuchtungs-Anlage“. Mit der Durchführung des Projektes und der Errichtung des Gebäudes auf der Parzelle Nr. 113/2 an der südlichen Ringstraße wurde wie schon in Freistadt die Gumpoldskirchener Firma Richard Klinger betraut. Zum Einsatz kam der Gasentwickler „System Klinger“ aus dem Jahr 1902 mit einer Leistungsfähigkeit von je 3 m³ bei drei Kolben. Die Anlage umfasste einen Gasometerraum, einen Heizraum und einen Karbidlagerraum mit Kapazitäten für die Lagerung eines Waggons Carbid. Noch im selben Jahr, am 2. Dezember 1908, wurde der Markt Leonfelden erstmals mit Azetylen-Gaslicht erhellt, was im Rahmen eines großen Festtages gefeiert wurde. Zu den größten Gasabnehmern Leonfeldens zählten die Kirche und der Pfarrhof. Die gesamte Anlage samt Rohrleitungen kostete der Marktkommune Leonfelden 32.000 Kronen. Nach der Einstellung des Betriebes im Jahr 1918 wurde die Anlage veräußert. Das Gaswerksgebäude an der Ringstraße (Nr. 39) besteht in seiner grundlegenden Architektur noch heute und wird als Wohnhaus genutzt.
(Quelle: Heimatkundearchiv Konsulent Lehner, Bad Leonfelden)

Azetylengas für autogenes Schweißen
Es war nur eine kurze Zeitspanne, in der sich das Azetylengas als Beleuchtungsmittel erfolgreich behaupten konnte. Die Gründe für die relativ kurze Periode seiner Verwendung sind mannigfaltig: Durch den hohen Rohstoffpreis, seinen unangenehmen Geruch, seine Explosivität und seine schwierige Wartung machte es sich als Beleuchtungsmittel viele Gegner. Bald fand Azetylengas nur mehr in der autogenen Schweißung der metallverarbeitenden Industrie Verwendung. Acetylen liefert mit 13.000 Wärmeeinheiten pro Kubikmeter mehr als doppelt so viel wie Methan. Durch die leichte Einstell- und Regulierbarkeit der Flamme wird es noch heute im Bereich des Autogenschweißens eingesetzt.

Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2006

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