NS-Konzentrationslager

NS-Konzentrationslager in Oberösterreich


Von den österreichischen Bundesländern war Oberösterreich am engsten mit dem System der nationalsozialistischen Konzentrationslager verbunden. Mauthausen und das wenige Kilometer entfernte Gusen, das an flächenmäßiger Größe wie auch an der Zahl der Häftlinge in einem mit Mauthausen zu nennen ist, sowie 15 Außenlager des KZ Mauthausen in Oberösterreich und weitere 35 in anderen Bundesländern bildeten einen riesigen Lagerkomplex.

Millionen Ermordete
Als 1938 das Konzentrationslager Mauthausen eingerichtet wurde, gab es fünf weitere Konzentrationslager im engeren Sinn im Deutschen Reich (Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Ravensbrück und Sachsenhausen). Bis 1942 kamen zehn weitere dazu. 1945 gab es insgesamt 22 Hauptkonzentrationslager mit über 1200 Außenlagern und Außenkommandos. Mit den zahlreichen Kriegsgefangenenlagern, Zwangsarbeiterlagern, „Judenlagern“, „Zigeunerlagern“, Arbeitserziehungslagern und sonstigen „Straflagern“ war das gesamte nationalsozialistische Herrschaftsgebiet zuletzt mit einem Netz von weit über 10.000 Lagern überzogen.

Wohl niemandem konnte diese Realität der Lager verborgen bleiben. Von etwa 25.000 Konzentrationslagerhäftlingen im Jahr 1939 stieg ihre Zahl nach SS-Daten auf 714.211 im Jänner 1945. Mit den schätzungsweise 700.000 bis 800.000 Todesopfern, die in den Konzentrationslagern umkamen (ohne die mehrere Millionen Toten in den Vernichtungslagern) und den Fluktuationen ergibt das eine Gesamtzahl von wohl an die 2 Millionen Menschen, die über unterschiedlich lange Zeit in Konzentrationslagern inhaftiert waren oder dort umkamen.

KZ Mauthausen
Der Beschluss, in Oberösterreich ein Konzentrationslager zu errichten, fiel bereits wenige Tage nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutsche Reich. Der Standort Mauthausen bot sich sowohl wegen der vorhandenen Granitsteinbrüche wie auch wegen der Nähe zu Linz an, wo das Bauprogramm für die „Führerstadt“ Linz einen großen Bedarf an Steinen erwarten ließ.

Am 28. März 1938 gab Gauleiter August Eigruber bekannt, dass die Oberösterreicher als „besondere Auszeichnung“ ein „Konzentrationslager für die Volksverräter aus ganz Österreich“ bekommen würden. Bereits im März 1938 besichtigten der SS-Obergruppenführer und Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes Oswald Pohl und Theodor Eicke, bis 1934 Kommandant von Dachau und dann Inspekteur der Konzentrationslager und Führer der SS-Totenkopfverbände, den Standort. Der Auftrag zur Betriebsaufnahme wurde im Mai gegeben. Im Juni wurde der Pachtvertrag mit der Gemeinde Wien für die Steinbrüche Wienergraben und Marbacher Bruch abgeschlossen. Am 8. August 1938 traf der erste Transport mit 300 Häftlingen aus Dachau, begleitet von ca. 80 SS-Angehörigen, in Mauthausen ein, das bis Oktober 1938 als Außenlager Dachaus geführt wurde. Bis Ende des Jahres wurden etwa 1000 Häftlinge aus Dachau und Sachsenhausen hierher überstellt. Dann folgte Transport auf Transport: politische Gefangene, Roma und Sinti, Zeugen Jehovas, Spanier, Polen, Juden, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene …

„Rückkehr unerwünscht“
Innerhalb des Systems der nationalsozialistischen Konzentrationslager zählte Mauthausen zu den Lagern mit den härtesten Haftbedingungen, was in der Einstufung in die so genannte Lagerstufe III („Rückkehr unerwünscht“) zum Ausdruck kam. Es diente der systematischen Vernichtung politischer Gegner und rassisch deklassierter und verfolgter Personen: In der NS-Diktion war Mauthausen für „schwerbelastete, unverbesserliche, kaum erziehbare Schutzhäftlinge“ bestimmt. Die Sterblichkeit war höher als in anderen Konzentrationslagern. Bis Anfang 1943 lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Häftlings bei einem halben Jahr, stieg dann auf neun bis zwölf Monate und sank im Winter 1944/45 wieder auf fünf Monate. Mauthausen war, wenn man die Vernichtungslager gesondert betrachtet, eines der „tödlichsten“ Konzentrationslager im Deutschen Reich. Die Todesrate lag hier über 50 %, verglichen mit Buchenwald (25 %), Dachau (16-33 %), Sachsenhausen (42 %), darüber lagen nur Stutthof (66,5 %) und das Konzentrationslager Auschwitz, ohne das Vernichtungslager (57 %). Insgesamt wurden hier zwischen 95.000 und 100.000 Menschen ermordet. Hinzugezählt werden müssen auch noch jene Menschen, die in den Monaten nach der Befreiung an den Krankheiten oder Mangelerscheinungen verstarben, die sie sich im Lager zugezogen hatten.

Fast 50 Außenlager
Der Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge, dem in der zweiten Kriegshälfte immer mehr Bedeutung beigemessen wurde, führte zur Errichtung von fast 50 Außenlagern, die wie ein Netz über das ganze Land ausgebreitet wurden. Mit der Errichtung von Außenlagern stiegen auch die Häftlingszahlen markant: von 14.000 Häftlingen Anfang 1943 auf 73.000 im Oktober 1944.

Die Initiative für die Errichtung von Außenlagern ging in der Regel von der Industrie aus. Neben den Hermann-Göring-Werken und der Steyr-Daimler-Puch AG waren es vor allem die Flugzeugwerke, die mit KZ-Häftlingen versorgt wurden: Heinkel, Messerschmitt und die Rax-Werke, die in der V2-Produktion engagiert waren. Die Häftlinge wurden neben der Produktion vor allem zur Errichtung der großen unterirdischen Anlagen eingesetzt: in Gusen, Ebensee, Melk, in Redl-Zipf, wo in den Kellern der Brauerei eine Sauerstofferzeugung für die Raketenantriebe eingerichtet wurde. Im Herbst 1944 bekamen auch Branchen, die für die eigentliche Rüstungswirtschaft kaum Bedeutung hatten, Häftlinge zugeteilt.

Ab Herbst 1944 wurden immer mehr Häftlinge für Aufräumkommandos nach Bombenangriffen eingerichtet, zum Schuttwegräumen und Bombenentschärfen. Mauthausen wurde immer mehr auch zum Auffanglager für aus dem Osten evakuierte Konzentrationslager, vor allem aus Auschwitz und Groß-Rosen. Eigens eingerichtet wurde das Lager Gunskirchen, in das ungarische Juden und Zwangsarbeiter in regelrechten Todesmärschen vor der immer näher rückenden Front getrieben wurden. Die Todesraten stiegen sprunghaft an, als die Versorgung völlig zusammenbrach.

Die Lebenssituation in den Außenlagern war höchst unterschiedlich, je nach Einsatzart und Führung des Lagers. Die Überlebenschancen waren in den Produktionsbetrieben viel höher als bei der Errichtung der Stollenanlagen. Die Todesraten in den Rüstungsbetrieben lagen nicht über 5 %, bei der Errichtung der unterirdischen Anlagen aber höher als 30 % im Jahr. In den letzten Monaten vor der Befreiung stiegen die Todesraten in allen Lagern drastisch an. Unterschiedlich schwere Arbeit war aber nicht die einzige Ursache unterschiedlicher Überlebenschancen. Sie waren auch abhängig von der jeweiligen Haltung der SS und der verantwortlichen Lagerführer.

Kommandanten und Lagerführer
Erster Kommandant des Konzentrationslagers Mauthausen war SS-Sturmbannführer Albert Sauer, allerdings nur von August 1938 bis Februar 1939. Von 1. April 1939 bis Kriegsende hatte Franz Ziereis diese Funktion inne. Sauer kam am 3. Mai 1945 in der Nähe von Berlin ums Leben. Ziereis wurde am 22. Mai 1945 im südlichen Oberösterreich von amerikanischen Soldaten festgenommen, dabei schwer verwundet und starb wenig später im Lazarett in Gusen. Lagerführer in Gusen war bis 1942 Karl Chmielewski. Er führte ein von Gewalt und Sadismus gekennzeichnetes Regime. Sein Nachfolger war der ähnlich berüchtigte Fritz Seidler. Es gibt Hinweise, dass er am 3. Mai 1945 zunächst seine Familie und dann sich selbst erschoss.
Beifreiung durch US-Truppen
Das Hauptlager wurde am 2. Mai 1945 von der SS-Bewachung verlassen und am 5. Mai 1945 von US-Truppen befreit. Der Hauptprozess wegen Verbrechen in Mauthausen fand 1946 vor einem Militärgericht in Dachau statt. 61 Personen waren angeklagt. 1947 wurde das Lager von der sowjetischen Besatzungsmacht an die Republik Österreich übergeben und 1949 zu einem öffentlichen Denkmal erklärt. 1970 wurde eine Dauerausstellung eröffnet. 1988 besuchte Papst Johannes Paul II. die Gedenkstätte. 2003 wurde das BesucherInnenzentrum mit der Ausstellung „Das Gedächtnis von Mauthausen“ eröffnet.

Todesraten

Man unterschied Anfang 1941 drei Härtestufen der Konzentrationslager: die Stufe I für „wenig belastete“ und „unbedingt besserungsfähige Schutzhäftlinge“ – Dachau, Sachsenhausen und das Stammlager Auschwitz, die Stufe II für „schwer belastete, jedoch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge“ – Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und das damals neu gegründete KZ Auschwitz II (Birkenau), und die Stufe III für „schwer belastete, kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge“ – Mauthausen und Groß-Rosen. Darüber hinaus gab es die Vernichtungslager (Kulmhof, Auschwitz-Birkenau, Belzec, Sobibor, Treblinka, Majdanek).

Man unterschied Anfang 1941 drei Härtestufen der Konzentrationslager: die Stufe I für „wenig belastete“ und „unbedingt besserungsfähige Schutzhäftlinge“ – Dachau, Sachsenhausen und das Stammlager Auschwitz, die Stufe II für „schwer belastete, jedoch erziehungs- und besserungsfähige Schutzhäftlinge“ – Buchenwald, Flossenbürg, Neuengamme und das damals neu gegründete KZ Auschwitz II (Birkenau), und die Stufe III für „schwer belastete, kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge“ - Mauthausen und Groß-Rosen. Darüber hinaus gab es die Vernichtungslager (Kulmhof, Auschwitz-Birkenau, Belzec, Sobibor, Treblinka, Majdanek).
Die Zahl der Häftlinge in Mauthausen ist nicht genau bekannt, denn nicht alle Häftlinge wurden nach der Einlieferung registriert und mit einer Nummer versehen. Manche wurden weder namentlich noch nummernmäßig erfasst, entweder sofort hingerichtet oder in einer isolierten Baracke untergebracht. Insgesamt waren während seines siebenjährigen Bestehens mehr als 200.000 Personen in Mauthausen und seinen Nebenlagern inhaftiert, von denen etwa die Hälfte ums Leben kam. Von allen Häftlingen in Mauthausen dürften etwa 23.000 Deutsche gewesen sein, davon rund 1650 „politische“ Österreicher. Die überwiegende Zahl verteilte sich auf Polen (40.000–50.000), Juden (40.000), sowjetische Staatsangehörige (40.000), Italiener und Südslawen (je 8000–9000), Spanier (über 7000) und Tschechen (6000); 4063 Frauen sind namentlich erfasst. In Mauthausen wurden etwa 5000 Personen mit Giftgas ermordet. Die häufigste Todesart war Vernichtung durch Arbeit. Dazu kamen formelle Hinrichtungen, „Erschießung auf der Flucht“, sadistische Schikane, Tod durch Unterkühlung, Mord durch tödliche Experimente, den erzwungenen Sprung über die Steinbruchwand, den Tod durch Verhungern, Erfrieren, unbehandelte Krankheiten, Schwächung; viele starben auf den Todesmärschen und, zuletzt, bei der Evakuierung der Lager. Die Todesraten waren etwa im Winter 1939/40 und von 1941 bis 1943 so hoch, dass kein Häftling eine Chance hatte, mehr als ein Jahr zu überleben.

KZ-Außenlager in Oberösterreich
Bachmanning
Bad Ischl (Außenlager von Dachau)
Ebensee
Enns
Grein
Großraming
Gunskirchen
Gusen I
Gusen III (Katzdorf-Lungitz)
Lenzing
Linz I
Linz II
Linz III
Redl-Zipf (Schlier)
Steyr-Münichholz
Ternberg
Vöcklabruck
Wels I (Gunskirchen)
Wels II
Weyer-Dippoldsau

Häftlingsstand Mauthausen 1938–1945
(Hauptlager mit allen Außenlagern zum jeweils letzten Tag eines Jahres

Häftlingsstand Mauthausen 1938–1945
(Hauptlager mit allen Außenlagern zum jeweils letzten Tag eines Jahres)
31. 12. 1938 994 Häftlinge
31. 12. 1939 2666 Häftlinge
31. 12. 1940 etwa 8200 Häftlinge
31. 12. 1941 etwa 15.900 Häftlinge
31. 12. 1942 etwa 14.000 Häftlinge
31. 12. 1943 25.607 Häftlinge
31. 12. 1944 72.392 männliche und 959 weibliche Häftlinge
7. 3. 1945 84.472 männliche und 1043 weibliche Häftlinge
4. 5. 1945 mindestens 64.800 männliche und 1734 weibliche Häftlinge

Anmerkung: Dieser Häftlingsstand gibt nur Auskunft über die Zahl der an eben genau diesem Tag im Lager Inhaftierten und sagt nichts über die Zahl der Personen aus, die innerhalb eines Jahres oder insgesamt ins KZ eingeliefert wurden.

Literatur:

  • Marsalek, Hans: Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen. Dokumentation. Wien 1980, neueste Auflage 1995.
  • Perz, Bertrand Perz - Freund, Florian: Konzentrationslager in Oberösterreich 1938 bis 1945. Linz 2007.
  • Oberösterreichische Gedenkstätten für KZ-Opfer. Linz 2001.

Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 10. Mai 2008