Raubritter in Oberösterreich

Fast um jede oberösterreichischen Burg spinnt sich eine Raubrittergeschichte. Das wohl bekannteste Beispiel aus Oberösterreich ist die Erzählung vom Meier Helmbrecht, dem Bauernsohn, der es den Rittern gleichtun wollte und am Galgen endete.

Begriff „Raubritter“
Der Begriff Raubritter stammt nicht aus der Zeit der Ritter selbst, sondern ist eine Neuschöpfung, die das erste Mal im Jahr 1798 belegt ist - in der Ankündigung eines Ritterromans in der Wiener Zeitung vom 29. September 1798, der dann im folgenden Jahr 1799 tatsächlich in Wien erschien: Der Raubritter mit dem Stahlarme, oder der Sternenkranz. Eine Geistergeschichte.

Was als harter Kern hinter dem Begriff und dem Phänomen der Raubritter steckt, kann viele Ursachen haben: Das ergab sich aus der Mehrdeutigkeit der mittelalterlichen Eigentumsbegriffe und aus dem feudalen Herrschaftssystem, bei dem das staatliche Gewaltmonopol noch nicht voll durchgesetzt war.

Es gab erstens die Sichtweise der Untertanen: Für diese waren die adeligen Grundherren generell oder zumindest in jenen Fällen, wo man sich ungerechtfertigt und ohne die öffentliche Gegenleistung eines „Schutz und Schirmes“ ausgebeutet fühlte, nichts anderes als Raubritter, die sich, wenn schon nicht durch Straßenraub oder Plünderungszüge, so jedenfalls durch willkürliche und harte Abgaben an den Untertanen bereicherten.
Andererseits gab es die Sichtweise des Landesfürsten und des sich etablierenden modernen Zentralstaates. Für diese waren die Raubritter jene Feudalherren, die sich der landesfürstlichen Gewalt widersetzten und ihr Recht mit Fehden gegen andere Feudalherren, gegen die Landesfürsten und auch gegen den König und Kaiser durchzusetzen versuchten.
Und es gab drittens die Sichtweise des feudalen Adels selber. Für diesen waren Raubritter jene Untertanen, die die Standesgrenzen zu durchbrechen versuchten, sich in den Adelsrang aufzuschwingen trachteten und ihren Rang durch einen entsprechend demonstrativen Lebensstil unterstreichen wollten, der häufig durch schrankenlose Ausbeutung und außerhalb der Rechtsordnung stehende Raubzüge finanziert wurde.

Fehden
Das Austragen von Fehden war stets Teil der ritterlichen Lebensweise gewesen und wurde der waffenberechtigten Bevölkerung in großen Teilen des mittelalterlichen Europas sogar lange Zeit rechtlich zugesichert (seit Kaiser Friedrich Barbarossa jedoch nur montags bis mittwochs), seit dem Landfrieden von 1495 war es aber ganz verboten. Die Führung der Fehde erfolgte auf Raub und Brand. Von Tötung wurde meist abgesehen. Das Ausplündern der gegnerischen Ländereien und Untertanen war ein Hauptbestandteil solcher mit Waffengewalt durchgesetzter tatsächlicher oder vermeintlicher Rechtsansprüche.
Fehden mussten formell erklärt und angekündigt werden. Für eine rechte Fehde war von der Ansage bis zur Eröffnung der Feindseligkeiten eine Frist von drei Tagen einzuhalten. Fehden, die nicht angesagt waren, waren unrechte Fehden. Die Beteiligten wurden damit automatisch zu Raubrittern. Bei einer erledigten Fehde wurden Friedensbriefe ausgestellt.

Einschränkungen im Fehdewesen
Fehden waren also eine Art Selbsthilfe und Selbstjustiz. Unter schwachen Herrschern waren sie häufiger als unter starken. Mit der zunehmenden Ausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols wurden sie immer häufiger als unrechtmäßig hingestellt und die Fehdeführenden wurden als Raubritter disqualifiziert.
Nach den erfolglosen Bemühungen der hochmittelalterlichen Landfriedensbestrebungen, die die ritterliche „Selbstjustiz“ in ihre Schranken weisen sollten, führten der Ewige Landfriede ab 1495 und die Reichsexekutionsordnung (1512/1555) zur endgültigen Kriminalisierung der privaten Ritterfehde. Die staatliche Gesetzgebung der frühen Neuzeit legte damit die Grundvoraussetzung für die Begriffsentstehung des Raubritters.

Fehden im Land ob der Enns
Am häufigsten waren Fehden zwischen einzelnen Adelsgeschlechtern, seltener mit dem Landesherrn oder Kaiser. Mit dem Begriff „Raubritter“ konnte man abgestempelt werden, wenn man wie die Schaunberger nach einem eigenen reichsunmittelbaren Land strebte oder wie die Witigonen sich einer feindlichen Adelsgruppe anschloss, aber auch, wenn man sich vom Landesfürsten um Geld und Besitz betrogen fühlte und keinen anderen Weg mehr wusste, als es gewaltsam einzutreiben.
Um die Mitte des 13. Jahrhunderts, in der kaiserlosen Zeit (Interregnum), versuchten die Territorialherren auf Kosten des jeweils anderen ihr Gebiet zu erweitern. Im Jahre 1250 fielen Leute des Passauer Bischofs im Weilhartgebiet ein, verwüsteten die Gegend und stahlen 1500 Stück Vieh. 1380/81 kam es zur so genannten Schaunberger Fehde, die zur völligen Niederlage der Schaunberger gegen den Landesfürsten und zum Ende des Traums vom eigenen „Landl“ führte. Die Burg Schaunberg allerdings erwies sich für den Landesfürsten als uneinnehmbar.
1385/86 flammten die Kämpfe nochmals auf. 1390 kam es mit den Rohrern, die in der Steyrer Umgebung begütert waren, zur Rohrer Fehde. Herzog Albrecht III. belagerte ihre Burgen Leonstein und Grünburg. Dabei dürften in Österreich erstmals Kanonen eingesetzt worden sein. 1392 mussten die Rohrer Burg und Herrschaft Leonstein dem Herzog überlassen.

Die vielen Fehden, mit denen Kaiser Friedrich III. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts konfrontiert war, sind einerseits Ausdruck der Adelskrise des ausgehenden Mittelalters, andererseits auch Folge einer schwächer werdenden Zentralgewalt, die der feudalen Zersplitterung nicht wirklich Herr werden konnte. Georg von Puchheim zum Beispiel hatte von Friedrich III. die riesige Summe von 24.000 Pfund zu fordern, die er allen Versuchen zum Trotz nicht erhielt. Der Puchheimer erklärte dem Kaiser daraufhin die Fehde. Im Absagebrief verkündete er, dass er dem Lande des Kaisers und allen seinen Untertanen und Dienern an allem ihrem Gut zu Wasser und zu Land Feind sei und nach ihrem Schaden trachten wolle, so viel er vermöge. Ausgenommen davon waren die Reichsfürsten und die Person des Kaisers selber. Den Schaden hatte die Bevölkerung.

„Herren“ und „Gemeine“
Die Grenze zwischen „Herren“ und „Gemeinen“, zwischen Adeligen und Nichtadeligen, zwischen Rittern und Bauern war schon im 13. Jahrhundert schärfer geworden: Durch die Verbauerung zahlreicher kleiner Ritter wurde jene Zwischenschicht von Ritterbauern zerstört, die noch in manchen bäuerlichen Hausnamen auf „Turm“,„Berg“ oder „Burg“ weiterlebt. Andererseits rückten ehemalige Ministerialen und kleine Ritter in den Hochadel auf. Der Adel wurde zu einer kleinen, abgegrenzten Schicht. Die Bezeichnung „Herr“, die ursprünglich dem Lehensherrn und den Mitgliedern des Herrenstands vorbehalten war, wurde auf alle Adeligen ausgedehnt.

Niedergang der Ritterschaft
Der Übergang vom naturalwirtschaftlich geprägten Feudalstaat zum frühkapitalistischen Fürstenstaat verbunden mit der Ablöse der Ritterheere durch Söldnerheere führte im 15. Jahrhundert zum sozialen und wirtschaftlichen Niedergang der Ritterschaft. Die Krise des Ritterstandes, die durch die Änderungen der Militärtechnik, aber auch durch die Agrarkrise und das Sinken der Grundrenten ausgelöst war, konnte auf verschiedene Weise ausgeglichen werden. Manche versuchten sich als Raubritter, wobei dieser Weg angesichts der Festigung des staatlichen Gewaltmonopols zunehmend aussichtsloser wurde. Dagegen konnte der Erfolg als Söldnerführer oder die Übernahme von Funktionen in der landesfürstlichen Verwaltung einen raschen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufstieg bringen. Die neuen Eliten, die Söldnerführer, Steuerverwalter, Kriegslieferanten und Kameralunternehmer, Salzamtmänner, Mautner, Fernkaufleute und Gewerken schufen sich Grundherrschaften großen und neuen Stils. Die Zelkinger, bekannt als Stifter des Kefermarkter Altares, waren eines der Geschlechter, die von der Krise der kleinen Ritterschaft immens profitierten und ihren Besitzstand im 15. Jahrhundert entsprechend ausweiten konnten. Die wirtschaftlich und sozial Unterlegenen versuchten sich nicht selten mit Überfällen auf reisende Händler, auf Bauern oder auf reiche Leute zu entschädigen und wurden so zu gemeinen Räubern.

Vorgehen gegen „Raubritter“
Im 16. Jahrhundert wurde immer stärker versucht, die staatliche und landesfürstliche Autorität durchzusetzen. Als zum Beispiel Ferdinand I., von Spanien kommend, seine Herrschaft auch in Oberösterreich antrat, stießen er und sein Gefolge auf beträchtliche Ablehnung aus dem heimischen Adel. Diejenigen, die sich auflehnten, wurden zu „Raubrittern“. Ferdinand, so steht es in den Geschichtsbüchern, ging gegen das nördlich der Donau aufkommende Raubritterunwesen vor: Der Anführer Bernhard Zeller von Schwertberg wurde in Linz hingerichtet, mehrere Adelige wurden eingesperrt.

Vom sich etablierenden absolutistischen Staat wurden Fehden und gemeine Räubereien zurückgedrängt. Für die Untertanen aber wurden die staatlichen Steuereintreiber und Requirierungskommissäre zu häufig nicht weniger unangenehmen neuen „Raubrittern“.

Meier Helmbrecht

Meier Helmbrecht ist eine Versnovelle, die im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts entstanden ist, also in jener Zeit, die als „Interregnum“ oder „herrscherlose Zeit“ bekannt ist. Ihr Autor Wernher der Gartenære war wohl als fahrender Dichter im Donauraum unterwegs. Andere vermuten in ihm einen Angehörigen des Klosters Ranshofen.

Meier Helmbrecht ist eine Versnovelle, die im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts entstanden ist, also in jener Zeit, die als „Interregnum“ oder „herrscherlose Zeit“ bekannt ist. Ihr Autor Wernher der Gartenære war wohl als fahrender Dichter im Donauraum unterwegs. Andere vermuten in ihm einen Angehörigen des Klosters Ranshofen.

Inhalt: Der Bauernsohn Helmbrecht träumt vom Aufstieg in den Ritterstand und von einem leichten und angenehmen Leben als Ritter. Helmbrecht schließt sich unter dem Namen Slintezgeu (Schling-das-Gäu) einer Raubritterbande an und zieht mordend, plündernd und marodierend durch die Lande. Seine Schwester Gotelind verführt er ebenfalls zum Hochmut, nimmt sie mit sich fort und verlobt sie mit seinem Spießgesellen Lemberslint (Lämmerschlind). Bald nach der prachtvoll gefeierten Hochzeit wird die Räuberbande freilich von den Schergen der Obrigkeit ausgehoben und mühelos überwältigt. Während die anderen Raubritter allesamt gehenkt werden, wird Helmbrecht als Zehnter nach altem Brauch „begnadigt“; ihm werden die Augen ausgestochen sowie ein Fuß und eine Hand abgehackt. An den Hof der Eltern zurückgekehrt, wird er von Bauern, die er früher überfallen und ausgeraubt hatte, im Wald erschlagen.

Linktipp:

http://www.gilgenberg.at/kultusbeide.htm

Hier finden Sie mehr Informationen zum Helmbrecht und dem mutmaßlichen „Originalschauplatz“ der Dichtung.

Literatur:

  • Andermann, Kurt (Hg.): Grundlegend: „Raubritter“ oder „Rechtschaffene vom Adel“? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter. Sigmaringen 1997.
  • Der Klassiker: Brunner, Otto: Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Unveränderter reprografischer Nachdruck der 5. Aufl. Darmstadt 1990.
  • Wernher der Gärtner: Meier Helmbrecht. Nachdichtung von Johannes Ninck, Stuttgart 1986.
  • Nolte, Theodor - Schneider, Tobias (Hg.): Wernher der Gärtner „Helmbrecht“. Die Beiträge des Helmbrecht-Symposions in Burghausen 2001. Stuttgart 2001.
  • Stelzl, Adolf: Meier Helmbrecht von Wernher dem Gartenaere. Eine Spurensuche. Ried im Innkreis 2001.
  • Stepanek, Paul (Red.): Meier Helmbrecht und Gilgenberg. Eine literarische Tradition im oberen Innviertel und ihre Landschaft. Herausgegeben von der Gemeinde Gilgenberg und dem Land Oberösterreich. Ried im Innkreis 1980.


Ausflugstipp:

Helmbrecht-Pfad
Der „Helmbrecht-Pfad“ führt von Burghausen nach Gilgenberg. Er soll nicht nur die Erinnerung an die Helmbrecht-Erzählung beleben, die - zumindest in einer Handschrift - in dieser Region angesiedelt ist, sondern auch den Tourismus ankurbeln. Zu Fuß, per Rad oder auch mit der Pferdekutsche kann man auf insgesamt 30 km in zwölf Stationen die Geschichte vom Bauernsohn erleben, der gerne Ritter gewesen wäre und als Raubritter am Galgen endete.
Der Ausgangspunkt ist Burghausen. Der Wander-, Rad- und Kutschenweg führt über Wanghausen und Hochburg-Ach bis Gilgenberg zum so genannten Helmbrechtshof, einem uralten, für das Innviertel typischen Vierseithof, in dem Helmbrecht aufgewachsen sein soll.


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 27. Mai 2009