Raucherland Oberösterreich

Der früheste bislang bekannte Beleg über Tabakkonsum in Österreich stammt aus dem Jahr 1644, und zwar aus dem Kloster Schlägl, wo in diesem Jahr den Klerikern das Tabaktrinken mit aller Strenge untersagt worden war.

Erste Bekanntschaft mit Tabakpflanzen
Vom Tabak selbst und seiner amerikanischen Herkunft hatte man zweifellos bereits im 16. Jahrhundert erfahren. Der berühmte Botaniker Carolus Clusius, der in den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts zum Vorsteher der Wiener Gärten berufen worden war, war einer der besten Kenner der Tabakpflanze. Auch das Herbarium des Linzer Botanikers H. Harder aus dem Jahr 1599, das im Oberösterreichischen Landesarchiv aufbewahrt ist, enthält Tabakblätter und Tabakblüten.

Erste Raucher
Nach 1644 werden die Nachrichten über Rauchen sehr rasch dichter. 1646 wird in Steyr bereits eine Toback- und Pulvertandlerey erwähnt. 1651 lieferte die Rohrbacher Leinenhändlerswitwe Catharina Martschlögerin ihrem Schwager Christof Helfenberger, Bürger zu Rohrbach, zwei Kisten Tabak aus Nürnberg und Regensburg nach Rohrbach. Dass die frühesten Belege über das Rauchen in Österreich gerade aus Oberösterreich stammen, ist kein Zufall der Quellenlage. Die Mühlviertler Leinwandhändler ebenso wie die Steyrer Eisenhändler hatten gute Verbindungen nach Oberdeutschland, nach Nürnberg, Frankfurt und Augsburg, wo sie in den frühen deutschen Anbaugebieten um Hanau herum sicher Gelegenheit hatten, den Tabak kennen zu lernen.

Erster Tabankanbau
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts wurde in Österreich auch mit dem Tabakanbau begonnen, im niederösterreichischen Neumarkt an der Ybbs bereits 1648, wo ein aus Bayern gebürtiger Schneidermeister den Tabakanbau eingeführt und damit dem verarmten Markt zu neuen Einnahmen verholfen haben soll. In Oberösterreich war es der Landeshauptmann Heinrich Willhelm Graf von Starhemberg, der um das Jahr 1658 auf der seinem Schwager, dem Grafen Kuefstein gehörigen Herrschaft Schwertberg den Tabakanbau initiiert und dafür um recht viel Geld einen Tabakpflanzer aus Frankfurt angeworben hatte. Der Markt Schwertberg verpflichtete sich, zur Bearbeitung der Tabakfelder 50 Leute zu stellen, denen täglich ein etwa ein Kilo Brot als Lohn gereicht wurde. Die Tabakpflanzen wurden in Mistbeeten gezogen und hernach ins Freie versetzt.

Kau- und Schnupftabak
1665 wurde dem Ennser Ratsbürger Johann Geiger die Lizenz für die Verarbeitung dieses heimischen Tabaks erteilt. Graf Lobgott von Kuefstein stellte allerdings in diesem Jahr seinen Tabakanbau in Schwertberg bereits wieder ein, weil er schon so weit verbreitet gewesen sei, dass dies zu einem Verfall der Preise geführt habe. 1669 bezeichneten die oberösterreichischen Stände den Tabak bereits als Ware, die vom gemeinen Volk im ganzen Lande verbraucht werde. 1676 wurde der Geigerschen Tobak Spinn- und Imprägnierungs-Fabrica in Enns für zehn Jahre ein Monopol eingeräumt. Die Bezeichnung der Fabrik lässt schließen, dass vornehmlich Kau- und Schnupftabake erzeugt wurden.

Der Dreißigjährige Krieg hatte zur Verbreitung des Tabakkonsums so entscheidend beigetragen, dass Abraham a Sancta Clara den Tabak ein „Soldatenkraut“ nannte. Kein Land, keinen Stand, kein Schloss, keinen Markt wollte Abraham a Sancta Clara in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts mehr in Österreich kennen, in „welchem nicht eine unsägliche Menge der stinkenden Tobacks-Menschen“ zu finden sei. Um 1693 gab es Tabakanbau in Oberösterreich in verschiedenen Gegend: um Enns, Steyr, Mauthausen, Pregarten und Perg sowie um Wels, Schwanenstadt, Waizenkirchen, Aschach und Ottensheim.

Formen des Tabakkonsums
Das Kauen war die billigste Art des Tabakgenusses und galt von Anfang weg als Merkmal der armen Leute. Es ersetzte ältere Formen des Drogenkonsums, die unter alpenländischen Unterschichten weit verbreitet gewesen waren, vor allem das Kauen von Arsen und von Pech.
Für die Oberschichten des 18. Jahrhunderts war das Schnupfen typisch. Nur dieses war hof- und gesellschaftsfähig. In Österreich erreichte der Verbrauch von Schnupftabak um 1780 den Höhepunkt. 1789 stammten 85 % der Erlöse der österreichischen Tabakregie aus dem Verkauf des sehr viel teureren Schnupftabaks und nur 15 % vom billigen Rauchtabak. 1802 wurde das absolute Verkaufsmaximum für Schnupftabak erreicht. Ab 1824 ging der Schnupftabakverbrauch sehr rasch zurück.

Der meiste Ärger der Behörden richtete sich gegen das unter der Bezeichnung „Tabak Trinken“ verbreitete Pfeifenrauchen, vor allem wegen der damit verbundenen Feuersgefahr. Wer sich allerdings um die Mitte des 19. Jahrhunderts besser dünkte und entsprechend Geld hatte, rauchte die neuen, teuren Zigarren, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts auch in Österreich bekannt geworden waren und 1823 erstmals offiziell von der Tabakregie angeboten wurden.

Linzer Tabakfabrik
Die Zigaretten, die in Amerika schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts bekannt waren, begannen ihren Siegeszug in Österreich erst nach 1870. Bis zum Jahre 1910 hatten sie mengenmäßig den Umsatz an Zigarren bereits überflügelt. Im Jahre 1904 wurde, den geänderten Rauchergewohnheiten entsprechend, in der Linzer Tabakfabrik die Erzeugung von Zigaretten aufgenommen. 1904 erzeugte das Linzer Werk 41.000 Stück Zigaretten, 1910 bereits 350 Millionen Stück. In den späten 1920er Jahren produzierten im Linzer Werk mehr als 1000 Beschäftigte zwischen 1,6 und 1,9 Mrd. Stück Zigaretten im Jahr. Im Ersten Weltkrieg hatte sich der Siegeszug der Zigarette sehr beschleunigt. Im Zweiten Weltkrieg war ihre Dominanz total geworden.
Zigaretten waren wie Zigarren zuerst Produkte für die Stadt und die Oberschichten. Für die Arbeiter waren sie zunächst viel zu teuer. Sie wurden aber sehr rasch billiger, da sie maschinell herstellbar waren. Vor allem die beiden Weltkriege förderten ihre Verbreitung. Auch von der Werbung wurden Zigaretten als modern, innovativ, ins Industriezeitalter und in die Freizeitgesellschaft passend hingestellt.

Rauchverbote
Es waren einerseits feuerpolizeiliche Motive, andererseits Aspekte der Anstandskonvention, die die frühe Antinikotinbewegung antrieben. Tabak war als Medizin, als Aufputschmittel, als Droge der Intellektuellen wie der Arbeiter angesehen und eingesetzt. Die Argumente, die in den Verbotsdekreten angeführt wurden, waren der Geldabfluss ins Ausland, die Feuersgefahr, der allgemeine Anstand.
Der Brand der Wiener Hofburg im Jahre 1668, der auf Rauchen zurückgeführt wurde, soll den Kaiser ungeheuer erzürnt haben. Das „Tabaktrinken“, wie man das vorher gänzlich unbekannte Rauchen damals nannte, wurde daraufhin streng untersagt. In Haslach wurde dies offensichtlich gründlich missverstanden. Man publizierte 1671 zwar das Verbot des „Tabaktrinkens“ in einer Instruktion für den Marktrichter, aber mit der etwas eigenartigen Begründung, dass es in der Region ohnehin genug frisches Brunnenwasser gebe, vor allem „für die Weiber“, wie man hinzufügte. Man glaubte offensichtlich, dass der Tabak tatsächlich getrunken werde.

Einnahmequelle
Der Staat ging schon um 1670 dazu über, das Rauchen, statt es zu verbieten, zu einer bevorzugten Quelle seiner Einnahmen zu machen. Der finanzielle Appetit der Herrscher auf Einnahmen aus dem Tabak wurde immer größer. Rasch wechselnde organisatorische Strukturen wurden geschaffen, um Einnahmen aus dem Tabakverbrauch abzuschöpfen, teils über Zölle, teils über Monopole. Die Tabakwirtschaft wurde immer mehr in Richtung eines Monopols ausgebaut, weil die Einnahmen daraus direkt dem Monarchen zustanden, während über die Zolleinnahmen die Landstände verfügen konnten. 1784 wurden Tabakwirtschaft und Tabakwarenhandel endgültig in staatliche Regie übernommen.

Gefängnisstrafen für Raucher
Andererseits erneuerte man die Rauchverbote auf Straßen, Marktplätzen und in Parkanlagen, einerseits aus feuerpolizeilichen Motiven, andererseits aus Sorge um die öffentliche Sittsamkeit. In Linz war das Rauchen im frühen 19. Jahrhundert auf der Promenade und auf den Marktplätzen untersagt. Rauchen in der Öffentlichkeit wurde bis zum Jahr 1848 mit Gefängnis oder Stockschlägen bestraft. In einem einzigen Monat, zum Beispiel im März 1816, wurden in Linz 16 Gefängnisstrafen wegen Rauchens im Freien verhängt.

Die ursprüngliche Intention, die Vermeidung von Bränden, geriet immer mehr in den Hintergrund. Rauchen in der Öffentlichkeit galt als Zeichen politischer Aufmüpfigkeit. Die Freigabe des Rauchens in der Öffentlichkeit war eine der ersten Forderungen der Revolution von 1848.

Gesunder Tabak?
Gesundheitliche Aspekte hingegen spielten bei Rauchverboten bis ins frühe 20. Jahrhundert kaum eine Rolle. Eher im Gegenteil. Tabak wurde von vielen Ratgebern als gesund empfohlen. Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich zwar eine sehr kämpferische Antinikotinbewegung. Aber auch sie argumentierte vorerst nicht medizinisch, sondern entweder rassisch („Der deutsche Mann und insbesondere die deutsche Frau raucht nicht!“) oder wirtschaftlich, im Sinne einer unnützen Geldvergeudung. Adolf Hitler war aus solchen Gründen vehementer Nichtraucher. Das hinderte die illegalen Nationalsozialisten ab 1933 nicht, mit einem ausgedehnten Tabakschmuggel aus Deutschland Richtung Österreich die österreichischen Staatseinnahmen aus dem Tabakmonopol zu untergraben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten Schwarzmarkt und Schmuggel von Tabak, die Ami-Zigaretten und die USIA-Zigaretten, erneut eine große Rolle.

Schädlicher Rauch
Ernsthafte medizinische Argumente gegen das Rauchen tauchten erst nach dem Ersten Weltkrieg auf. Immer mehr erkannte man, dass das Rauchen nicht nur die Gesundheit gefährdet, sondern der öffentlichen Hand auch viel mehr Kosten verursacht, als es Einnahmen bringt.

Die Linzer Tabakfabrik

Die Geschichte der Linzer Tabakfabrik begann im Jahre 1850, unmittelbar im Anschluss an die Stilllegung der staatseigenen Linzer Wollzeugfabrik sowie die Arbeitslosigkeit und soziale Not, die am Ende des Vormärz offenkundig geworden war und auch bei der Revolution 1848 eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hatte.
Ein Teil der Gebäude der aufgelassenen Wollzeugfabrik (insbesondere die 1764 errichtete so genannte Zweite Färberei, ein zweigeschoßiger Vierkanter östlich des ehemaligen Hauptgebäudes) wurde für die Tabakfabrikation verwendet, während das von Johann Michael Prunner errichtete barocke Hauptgebäude zu einer Kaserne umgewidmet und erst im Jahre 1969 abgebrochen wurde. Die Baulichkeiten der Linzer Tabakfabrik wurden sukzessive erweitert.
1928 wurde der Entschluss zu einem völligen Neubau gefasst. Den Auftrag erhielten die renommierten Architekten Peter Behrens und Alexander Popp.

Die Geschichte der Linzer Tabakfabrik begann im Jahre 1850, unmittelbar im Anschluss an die Stilllegung der staatseigenen Linzer Wollzeugfabrik sowie die Arbeitslosigkeit und soziale Not, die am Ende des Vormärz offenkundig geworden war und auch bei der Revolution 1848 eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hatte.
Ein Teil der Gebäude der aufgelassenen Wollzeugfabrik (insbesondere die 1764 errichtete so genannte Zweite Färberei, ein zweigeschoßiger Vierkanter östlich des ehemaligen Hauptgebäudes) wurde für die Tabakfabrikation verwendet, während das von Johann Michael Prunner errichtete barocke Hauptgebäude zu einer Kaserne umgewidmet und erst im Jahre 1969 abgebrochen wurde. Die Baulichkeiten der Linzer Tabakfabrik wurden sukzessive erweitert.
1928 wurde der Entschluss zu einem völligen Neubau gefasst. Den Auftrag erhielten die renommierten Architekten Peter Behrens und Alexander Popp.
Der Bau und die Fertigstellung der südseitigen Zigarettenfabrik, des Pfeifentabakgebäudes und der Verwaltungsgebäude an der Donaulände und des Maschinen- und Kesselhauses waren ganz von der Weltwirtschaftskrise überschattet. Dennoch gelang es, das Bauprogramm durchzuziehen, so dass am 12. November 1935 die feierliche Eröffnung erfolgen konnte.

Mit den neuen Fabrikationsgebäuden waren nicht nur moderne, der maschinellen Fabrikation angepasste Räumlichkeiten entstanden, sondern auch mit modernen Konstruktions- und Baumaterialien errichtete Industriebauten, die auch international vielbeachtete Maßstäbe setzten: Berühmt wurde die von der Gerade in die Kurve übergehende, an einen Schiffskörper anknüpfende geschwungene Form und die auf die innere Struktur ausgerichtete Fassadengliederung des Zigarettenfabrikationsgebäudes.

2009 wird nach fast 160 Jahren die Tabakverarbeitung in Linz stillgelegt werden. Über Jahrzehnte hinweg repräsentierte sie höchste technische Standards. Für die Zukunft wird sie eines der bedeutendsten Industriedenkmäler des Landes darstellen.

Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 7. Juni 2008