Österreichische Volkspartei
(ÖVP)

Mit der Neugründung der ÖVP am 17. April 1945 im Wiener Schottenhof waren Weichenstellungen verbunden, die für die Entwicklung der Zweiten Republik und ihr konsensdemokratisches System von entscheidender Bedeutung waren: Sie war einerseits als demokratische „Partei der Mitte“ konzipiert, die alle gesellschaftlichen Gruppen vereint, andererseits als „Österreich“-Partei, indem das „Österreichische“ vorrangig positioniert wurde, im Unterschied zu den anderen damaligen Parteien, der SPÖ und der KPÖ, oder gar dem 1949 gegründeten VdU, dem Verband der Unabhängigen und Vorläufer der FPÖ, der das „Österreich“ vorerst gar nicht im Namen führte.

Andererseits unterstrich der Name „Volkspartei“ die Entscheidung für eine integrative, alle Schichten und Gruppierungen einbeziehende Programmatik der bürgerlichen Mitte. Mit dem Begriff „Volkspartei“ suchte man einerseits liberalen und auch antiklerikalen Gruppierungen der Zwischenkriegszeit den Weg in die neue Partei zu ebnen. Dass man bei der ÖVP-Gründung im Namen auf das programmatische und traditionsreiche Etikett „christlich“ oder „christlichsozial“ verzichtet hatte, war aber andererseits sicher nicht als Resultat einer Abkehr von Vorstellungen und Konzepten der christlichen Soziallehre zu verstehen, gehörten doch die ersten Exponenten der Parteigründung dem prononciert christlichsozialen Flügel an.
Dr. Felix Hurdes, der 1946 die Funktion eines „bundesstaatlichen Volksbildungsreferenten“ erfüllte, definierte im Rückblick die Volkspartei der unmittelbaren Nachkriegszeit als „linke Mitte“. Alle ÖVP-Programmdenker der unmittelbaren Nachkriegszeit fühlten sich der Tradition der Katholischen Soziallehre verpflichtet.

Die sozialpartnerische Ausrichtung wurde in der Entscheidung für die bündische Strukturierung der ÖVP grundgelegt. Der föderalistischen Struktur Österreichs entsprach die Entscheidung für eine Gliederung in Landesparteien.

In Oberösterreich stieß der Name „Volkspartei“ auf große Akzeptanz, erinnerte er doch an den Katholischen Volksverein, der hier bis 1934 die oberösterreichische Landesorganisation der Christlichsozialen Partei gebildet hatte. Man konnte nicht nur an die alten Parteinamen „Katholischer Volksverein“ und „Katholische Volkspartei“ anschließen, sondern auch im organisatorischen Aufbau beim Volksverein anknüpfen.

Schon während des herrschenden Parteienverbots begann inoffiziell und auch gar nicht im Untergrund der Aufbau der ÖVP-Organisation: Am wichtigsten waren zwischen dem 5. und 10. Mai regelmäßige Treffen von Parteiproponenten in der Linzer Museumstraße 18 in der Wohnung von Hofrat Dr. Josef Zehetner, der vom Bischof als Landeshauptmann-Stellvertreter oder sogar Landeshauptmann vorgeschlagen wurde. Dr. Josef Zehetner fungierte bis in den September 1945 als inoffizieller Parteiobmann und vertrat bis zu diesem Zeitpunkt die Partei als solcher auch bei allen wichtigen Treffen des Jahres 1945. Dem ersten, noch recht inoffiziellen „Parteivorstand“ gehörten neben Zehetner noch Dr. Albert Schöpf, Dr. Heinrich Gleißner, Wilhelm Salzer und Franz Schütz an, aber kein einziger Bauer. Mit Datum 3. Juli 1945 wurden relativ umfangreiche Satzungen und Grundsätze der „Oberösterreichischen Volkspartei“ erstellt.

Der Arbeiterflügel verlor rasch an Bedeutung. Der Bauernbund prägte die neue Partei: Auch die Errichtung des Wirtschaftsbundes wurde in den Sommermonaten vorbereitet. Die am 26. August 1945 bestellte provisorische Landesparteileitung setzte sich aus 20 Bauernbund-, 12 AAB- und acht Wirtschaftsbund-Repräsentanten zusammen.

Die starken Persönlichkeiten in der oberösterreichischen Volkspartei waren vorerst nicht der Parteiobmann oder der Landesparteisekretär, sondern die Exponenten der Bünde. Dies führte dazu, dass in dem Ende August 1945 zwischen den Bünden abgeschlossenen Übereinkommen keine Rede mehr davon war, dem Initiator der ersten Stunde Dr. Zehetner eine führende Rolle zu reservieren. Der kommende Mann war Dr. Heinrich Gleißner, der als Arbeitersohn, Beamter und Kammeramtsdirektor zwar bündische Grenzen überspannte, aber doch dem agrarischen Bereich zuzurechnen war. Weil aber Gleißner vorerst nicht so exponiert auftreten sollte, wurde Dr. Josef Stampfl als Landesparteiobmann installiert.

Am 2. Landesparteitag der ÖVP Oberösterreich vom 28. bis 30. November 1947 war Dr. Stampfl als Landesparteiobmann zurückgetreten. Stampfl gab die Obmannstelle an den Linzer Magistratsbeamten Obersenatsrat Dr. Albert Schöpf ab.

Erst am 5. Landesparteitag am 14. Oktober 1951 übernahm Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner die Führung der Partei und löste Dr. Albert Schöpf ab, der seit 30. November 1947 Landesparteiobmann gewesen war.

Mit 1. Jänner 1952 wurde der damals 31-jährige Jurist Dr. Erwin Wenzl auf Vorschlag Gleißners zum Landesparteisekretär bestellt. Wenzl sorgte für eine straffe, schlagkräftige Organisation bis in die Gemeinden, integrierte die Bünde in die Parteiarbeit und stellte die ÖVP auf eine solide finanzielle Basis. Im Dezember 1952 zog die ÖVP in den „Raiffeisenhof“ des Bauernbundes in Linz, Obere Donaulände 7 ein. 1984 ging das Haus in das Eigentum der Landespartei über und wurde seitdem zur modernen Parteizentrale umgebaut.

1955 gab es entscheidende personalpolitische Weichenstellungen: Landeshauptmann-Stellvertreter Felix Kern war am Vormittag des Wahltages, dem 23. Oktober 1955, einer zehn Tage vorher erlittenen Herzattacke erlegen. Landeshauptmann-Stellvertreter wurde Johann Blöchl. Kerns Position als Landesrat erhielt der junge Dr. Erwin Wenzl, der die Partei so erfolgreich reorganisiert hatte.

Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner, der am 5. April 1971 das 78. Lebensjahr überschritt und die Funktion des Landeshauptmanns von 1934 bis 1938 und von 1945 bis 1971 ausgeübt hatte, legte in diesem Jahr sein Amt zurück.
Die Nachfolge trat sein über zwei Jahrzehnte hinweg engster Mitarbeiter Dr. Erwin Wenzl an, der am 1. Dezember 1968 bereits die Funktion des Landesparteiobmanns von ihm übernommen hatte. Bereits seit 1966 war Wenzl Landeshauptmann-Stellvertreter. Er wurde am 3. Mai 1971 mit den Stimmen der ÖVP und der FPÖ gewählt. Bei der Landtagswahl 1973 stellte die ÖVP bewusst Erwin Wenzls Persönlichkeit in den Vordergrund. Die ÖVP präsentierte ihn, der im Sternzeichen des Löwen geboren war, in bis heute unvergessenen Plakaten und Broschüren als Löwen, auf einer Honda und mit seinem Regierungsteam im geländetüchtigen Haflinger. Mit dem „Wenzl-Honda-Plakat“ („Unser LH dreht voll auf.“ ) wurde die Personifizierung des Wahlkampfes eingeleitet. Diese Strategie erfuhr mit den legendären „Löwen-Plakaten“ eine konsequente Fortsetzung und wurde mit „Wenzl, dem Schrittmacher“ abgeschlossen: „Erwin Wenzl – der Schrittmacher einer sicheren Zukunft!“

Als Wenzl am 3. Oktober 1977 seinen Rückzug aus der Landespolitik auf eine Führungsposition in der OKA ankündigte, konnte er mit gutem Gewissen sagen. „Ich habe mich nie gescheut, Verantwortung zu tragen.“ Früh genug hatte er für eine geregelte Nachfolge gesorgt und übergab 1977 sein Amt als Landeshauptmann und Landesparteiobmann an seinen jahrzehntelangen engen Mitarbeiter Dr. Josef Ratzenböck, auch wenn dieser Rückzug für viele überraschend und verfrüht aussehen mochte.

Die 1979 errungene absolute Mehrheit konnte 1985 noch weiter ausgebaut werden. Der Vorsprung der ÖVP gegenüber der SPÖ hatte sich zwischen 1979 und 1985 sogar verdoppelt. Entscheidend war allen Analysen zufolge der hohe Landeshauptmannbonus.

1995 kam es zur großen Generationenablöse: Dr. Ratzenböck zog sich 66-jährig aus der Landespolitik zurück und übergab sein Amt als Landeshauptmann mit 2. März 1995 an Dr. Josef Pühringer. Bereits am 11. Februar war Pühringer mit 97,6 Prozent der Delegiertenstimmen zum Landesparteiobmann der ÖVP Oberösterreich gewählt worden. Dr. Erich Watzl wurde als neuer Parteisekretär installiert und Mag. Michael Strugl als sein Stellvertreter.

Am 6. April 2017 übergab Dr. Josef Pühringer das Amt des Landeshauptmanns an seinen Nachfolger Mag. Thomas Stelzer.

Autor: Roman Sandgruber, 2005