"Verbotener Umgang"
und Zwangsabtreibung

Ab 1942 wurden massenhaft Männer und Frauen aus der Sowjetunion (so genannte OstarbeiterInnen) zur Zwangsarbeit auch nach Oberdonau deportiert. Im April 1943 arbeiteten im Arbeitsamtbezirk Linz 60.000 Männer und Frauen (also knapp ein Drittel der Erwerbstätigen), die keine deutschen Reichsangehörigen waren. Die OstarbeiterInnen machten den größten Anteil der über 42 % AusländerInnen unter den Erwerbstätigen aus, die im November 1943 im Arbeitsamtsbezirk Linz erfasst wurden. 51 % der 34.000 im Mai 1944 in Oberdonau beschäftigten OstarbeiterInnen waren Frauen. Wie im gesamten Deutschen Reich war also auch in Oberdonau der Alltag in der Landwirtschaft, in städtischen Haushalten und in der Industrie durch den Arbeitseinsatz von fremden ArbeiterInnen geprägt.

Das tägliche Zusammensein von Einheimischen und Fremden erzeugte ein soziokulturelles Spannungsfeld, das von Angst, Sexualneid und Hass ebenso geprägt war wie von Freundlichkeit oder Sympathie bis hin zu Liebe und Begehren.

Schmähungen und öffentliche Anprangerungen für "ehrlose deutsche Frauen"

Eine als deutsch und arisch definierte Frau, die „mit einem Kriegsgefangenen in einer Weise Umgang pflegt, die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft“, hieß es in den Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes ab November 1939. 

Eine als deutsch und arisch definierte Frau, die „mit einem Kriegsgefangenen in einer Weise Umgang pflegt, die das gesunde Volksempfinden gröblich verletzt, wird mit Gefängnis, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft“, hieß es in den Strafvorschriften zum Schutz der Wehrkraft des Deutschen Volkes ab November 1939.

Mit Dezember 1941 galten diese Bestimmungen auch für den Umgang mit Juden und Polen. Im März 1940 erging an alle Bürgermeister und Gendarmerieposten in Oberdonau eine Anordnung Heinrich Himmlers, wonach deutsche Frauen und Mädchen, die mit Kriegsgefangenen „verbotenen Umgang“ hatten, für mindestens ein Jahr in ein Konzentrationslager einzuweisen waren. Öffentliche Schmähungen und Anprangerungen der Selbstjustiz wurden zwar verboten, konnten aber polizeilich nicht verhindert werden. So wurden etwa in Ampflwang zwei Bergmannsfrauen mit Tafeln „Wir lieben bis zum letzten Franzosen. Ehrlose deutsche Frau“ durch den Ort geführt. Durch St. Peter am Wimberg und Neufelden trieb man eine Frau mit gänzlich abgeschnittenen Haaren mit der Tafel „Während unsere Brüder und Väter um Deutschlands Freiheit und Ehre kämpfen, küsse und umarme ich Schwein hier Kriegsgefangene.

"Verbotener Umgang"
Des Geschlechtsverkehrs mit einem deutschen Mann oder einer deutschen Frau überführt zu werden, bedeutete für Juden und Jüdinnen, ZigeunerInnen, OstarbeiterInnen, PolInnen sowie sowjetische Kriegsgefangene meist die Todesstrafe bzw. die Einweisung in ein Konzentrationslager. Exemplarische Hinrichtungen der überführten fremden Männer waren keine Einzelfälle. Dadurch sollte vor allem die Bevölkerung am Land, von der man befürchtete, dass sie einen zu freundlichen Umgang mit OstarbeiterInnen und Kriegsgefangenen pflegen würde, „rassepolitisch geschult“ werden.

Exekutiert wurde die Deliktgruppe „verbotener Umgang“ durch die Sondergerichte. In Oberdonau fanden von 1940 bis 1943 etwa 150 solcher Prozesse beim Sondergericht am Oberlandesgericht Linz statt. Ab Mai 1943 wurde die Deliktgruppe möglicherweise nur mehr auf Land- bzw. Amtsgerichtsebene verhandelt. Von den verurteilten Frauen hatten 85 „verbotenen Umgang“ mit so genannten Westarbeitern bzw. westlichen Kriegsgefangenen und 48 mit Ostarbeitern bzw. Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion gehabt. Rund ein Drittel der angeklagten deutschen Frauen war in der Beziehung schwanger geworden.

Das Strafausmaß der vom Sondergericht beim Oberlandesgericht Linz verurteilten Frauen umfasste Haftstrafen von vier Monaten bis zu drei Jahren. Die Verurteilten wurden meist in das Landgerichtliche Gefangenenhaus Linz, die Frauenstrafanstalt München-Stadelheim oder die Frauenzuchtanstalt Aichach in Oberbayern eingeliefert. Es sind auch Fälle aktenkundig, in denen Frauen nach ihrer Strafverbüßung der Gestapo Linz überstellt und nach Inhaftierungen im Polizeigefangenenhaus in der Linzer Mozartstraße oder der Frauenbaracke Kaplanhof in ein Konzentrationslager eingewiesen wurden.

Zwangsabtreibungen
Für die Nationalsozialisten war in der Bewertung des menschlichen Lebens Rasse die am höchsten gestellte Kategorie. Der erniedrigende Umgang mit schwangeren Ostarbeiterinnen und Polinnen brachten dennoch auch eine klare Differenzierung nach der Kategorie Geschlecht mit sich. Gauleiter Eigruber hatte im Juli 1942 den Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, alarmiert, dass die ausländischen Arbeiterinnen in Oberdonau Kinder in die Welt setzen würden und die Situation nach einer Lösung dränge. Nachdem ab Herbst 1942 schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen zur Entbindung nicht mehr in ihre Heimat zurückgeschickt wurden, wurde ab dem Frühjahr 1943 die verordnete Unterbrechung ihrer Schwangerschaften zulässig. Staatliche Verwaltung und Ärzteschaft wurden nun systematisch zu Abtreibungen an diesen Frauen herangezogen.

Anträge auf Schwangerschaftsunterbrechungen waren durch Gesundheitsämter, Arbeitsämter oder die Polizei an die Gutachterstellen für Schwangerschaftsunterbrechungen der Ärztekammer zu leiten. Die Abbrüche wurden in der im März 1943 errichteten Ostarbeiterinnen-Baracke der Gaufrauenklinik oder in der Fremdvölkischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Linz durchgeführt. Für den Zeitraum zwischen Mai 1943 und Februar 1945 können an die 1000 Zwangsabtreibungen bei Ostarbeiterinnen und Polinnen nachgewiesen werden.

"Fremdvölkische Kinder" und "Ausländerkinder"

Was geschah mit den Kindern jener Frauen, die die rassische Auslese der Gutachter überstanden hatten und der verordneten Schwangerschaftsunterbrechung entkommen waren?

Was geschah mit den Kindern jener Frauen, die die rassische Auslese der Gutachter überstanden hatten und der verordneten Schwangerschaftsunterbrechung entkommen waren?

Eigruber schlug in dem erwähnten Brief vom Juli 1942 vor, dass den Müttern nach der Geburt die Kinder abgenommen und diese in Heimen untergebracht werden sollten. Damit startete er eine Art Pilotprojekt für Oberdonau, denn Himmler gefiel der Vorschlag Eigrubers. Die Kinder sollten in den Heimen als zukünftige Arbeitskräfte aufgezogen werden.

Die im Reichsgau Oberdonau errichteten Fremdvölkischen Kinderheime oder Ausländerkinder-Pflegestätten wurden von der NS-Volkswohlfahrt betrieben: Schloss Etzlstorf in Pichl bei Wels, Kinderkrippe im Lager 57 der Hermann Göring Werke in Linz, Schloss Windern (Desselbrunn, Vöcklabruck), Burgkirchen (Braunau), Schwanenstadt, Braunau, Klam bei Perg, Hofkirchen an der Trattnach (Grieskirchen), Spital am Pyhrn, Wilhelming bei Utzenaich (Ried), Waldschloss Schardenberg (Schärding). Die Sterblichkeitsrate in diesen Heimen war sehr hoch. Im Kinderheim in Spital am Pyhrn etwa starben fast 50 % der dort untergebrachten Kinder.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]