Landwirtschaft
und Ernährung

Die Landwirtschaft in Österreich befand sich vor 1938 in einer Krise. Die Preise für Vieh und tierische Produkte waren tief wie nie zuvor. Viele Bauern sahen im Anschluss tatsächlich eine Möglichkeit, diese Krise zu überwinden. Doch noch mehr als die Bauern, deren Milieu eng an den christlichsozialen Ständestaat und die katholische Kirche gebunden war, erhofften sich die Landarbeiter vom Nationalsozialismus neue Chancen und bessere Perspektiven.

Reichsnährstand
Mit dem Anschluss wurden die bestehenden landwirtschaftlichen Organisationen aufgelöst, darunter die Landwirtschaftskammern und der Bauernbund. Wenige Tage nach dem Anschluss nahm der im Altreich seit 1933 bestehende Reichsnährstand, in dem es zu einer Gleichschaltung des landwirtschaftlichen Organisationswesens kam, auch in Oberösterreich seine Tätigkeit auf. Alle in der Landwirtschaft tätigen Personen und Betriebe, die landwirtschaftlichen Verbände und die Landwirtschaftskammern wurden in ihm zwangsweise zusammengeschlossen. Mit dem Aufbau des Reichsnährstandes wurde der in Mettmach geborene spätere Landesbauernführer der Landesbauernschaft Donauland, Anton Reinthaller, betraut. Das Reichsnährstandgesetz trat am 18. Mai 1938 auch in Österreich in Kraft.

Der Reichsnährstand reglementierte mit seinen drei Hauptabteilungen Der Mensch, Der Hof und Der Markt alle ernährungswirtschaftlichen Bereiche und das gesamte bäuerliche Leben. Zu seinen zentralen Aufgaben gehörte die Regelung der gesamten landwirtschaftlichen Marktordnung, also der Produktion, des Vertriebs und der Preise. Durch ein Festpreissystem und Produktivitätssteigerungen wollte man sich mit dem Ziel der autarken Selbstversorgung vom Weltmarkt abschotten. Dies gelang nicht vollständig und führte zu einer Preissteigerung bei den landwirtschaftlichen Produkten.

Gerade in der österreichischen Landwirtschaft sahen die Nationalsozialisten ungenutzte Produktionsreserven, da die Landwirtschaftspolitik des Ständestaates auf eine Kontingentierung der Produktion zur Absicherung der Erzeugerpreise gesetzt hatte. Der Produktionssteigerung, die unter anderem durch verstärkte Ausbringung von Handelsdünger erreicht werden sollte, waren aber auch Grenzen gesetzt, etwa durch das Reichserbhofgesetz. Es untersagte den Verkauf und die Verschuldung der Erbhöfe und nahm den Bauern damit eine Möglichkeit, finanzielle Mittel für Investitionen und technische Erneuerungen aufzubringen.

Landesbauernschaften – Kreisbauernschaften - Ortsbauernschaften
Das gesamte Reichsgebiet war in Landesbauernschaften gegliedert, die wiederum mehrere Kreis- und Ortsbauernschaften umfassten. Mit Juni 1938 wurde die Ostmark in drei Landesbauernschaften eingeteilt: die Landesbauernschaft Donauland (mit den Gauen Oberdonau, Niederdonau und Wien und der Verwaltungszentrale in Linz, ab Dezember 1938 in Wien), die Landesbauernschaft Südmark (mit den Gauen Steiermark und Kärnten) und die Landesbauernschaft Alpenland (mit den Gauen Salzburg und Tirol). 1942 wurden die Grenzen der Landesbauernschaften an die der Gaue angeglichen; es existierten nunmehr sieben Landesbauernschaften.

Die Kreisbauernschaften unterstanden einem ehrenamtlichen Kreisbauernführer.

In den Ortsbauernschaften wurden die Mitglieder betreut und ideologisch indoktriniert. Blut und Boden lautete das Motto des Reichsnährstandes. Propagiert wurde das Ideal des heimatverbundenen, vorindustriellen Bauerntums, das man der wurzellosen städtischen Massengesellschaft gegenüberstellte. Damit sollten auch die Landflucht und die Abwanderung derjenigen landwirtschaftlichen ArbeitnehmerInnen bekämpft werden, die Arbeitsplätze in den Städten bevorzugten.

Angleichung an Normen des Altreiches
Neben der organisatorischen Anpassung kam es auch zu einer Angleichung an die Normen des Altreiches. So wurde die deutsche Marktordnung eingeführt, die es mit sich brachte, dass auf Ebene der Landesbauernschaften die einzelnen landwirtschaftlichen Produktionszweige zu Wirtschaftsverbänden zusammengeschlossen wurden, die für die Erfassung und Verteilung sämtlicher Lebens- und Futtermittel verantwortlich waren. Zusätzlich entstanden kurz vor Kriegsbeginn so genannte Ernährungsämter, zu deren Aufgaben die Versorgung der Bevölkerung mit den festgesetzten Lebensmittelzuteilungen gehörte.

Im August 1938 wurde die Verordnung über die öffentliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Erzeugnisse erlassen, die die Erfassung, Verteilung und den Verbrauch landwirtschaftlicher Produkte genau regelte. Damit erfolgte der Übergang von der Marktlenkung zur totalen Bewirtschaftung. Seit 1939 mussten die einzelnen Landesbauernschaften bestimmte Landeskontingente aufbringen. Das Landeskontingent umfasste im Durchschnitt von 1939 bis 1944 220.000 Tonnen Brotgetreide, 38.000 Tonnen Gerste, 30.000 Tonnen Hafer, 23.000 Tonnen Mais und 480.000 Tonnen Kar-toffeln. Pro Henne mussten 60 bis 80 Stück Eier abgeliefert werden. Die Milch wurde zur Gänze von den Molkereien abgenommen. Als Druckmittel zur Erreichung der Lieferziele drohte man den Bauern mit der Aufhebung von uk-Stellungen.

Lebensmittelkartensystem und Rationierung
Mit Kriegsbeginn wurden Lebensmittelkarten für den gesamten Lebensmittelbereich eingeführt, mit denen Hamsterkäufe verhindert werden sollten. Zuvor schon hatte es Lebensmittelkarten für Fette wie Butter und Öle gegeben. Trotzdem kam es bereits 1940 zu Engpässen bei Fleisch, Fett, Obst und Gemüse. Auch die Bauern wurden ins Lebensmittelkartensystem einbezogen und ihre Selbstversorgungsmengen stark reglementiert. Sie bekamen nur ein Drittel der Schwerstarbeiterzuteilung zugestanden, was großen Unmut erregte. So genannte Hofbegehungskommissionen kontrollierten den Produktions- und Ablieferungsstand in den einzelnen Bauernhöfen.

Der Anschluss Österreichs erfolgte zu einem Zeitpunkt, zu dem der Boom des deutschen Agrarwesens durch umfangreiche Fördermaßnahmen für die Landwirtschaft (Preissenkung von Produktionsmitteln und Preiserhöhung für Agrarprodukte) schon wieder im Abklingen war. Obwohl Mechanisierung, Modernisierung und Rationalisierung der österreichischen Landwirtschaft immer noch beträchtlich gefördert wurden, war bereits klar erkennbar, dass die Staatsführung nun eindeutig die Industrie favorisierte und für den Krieg rüstete. Das Interesse an der Landwirtschaft war merklich abgeflaut. Obwohl der Reichsnährstand mit dem Anschluss gerade erst seine Arbeit in Österreich aufgenommen hatte, war sein Machthöhepunkt bereits überschritten und eine unaufhaltsame Talfahrt eingeleitet.

Ab 1938 fehlte es sowohl am politischen Willen als auch an den finanziellen Mitteln, um die Landwirtschaft weiter besonders zu fördern. Einzig und allein die rasche Steigerung der Produktion wurde angestrebt, allerdings mit weniger Unterstützung als es in Deutschland zwischen 1933 und 1936 der Fall gewesen war. Die österreichischen Bauern realisierten zunehmend, dass statt dessen eine Periode der staatlichen Kommandowirtschaft begonnen hatte. Der kurzen Aufwärtsentwicklung der österreichischen Landwirtschaft nach 1938 machte der Krieg ein rasches Ende und leitete den Niedergang des landwirtschaftlichen Leistungsvermögens ein.

Reichserbhofgesetz
Am 1. August 1938 trat das Reichserbhofgesetz auch in der Ostmark in Kraft. Bauernhöfe zwischen 7,5 und 125 Hektar, deren Besitzer als von deutschem oder stammesgleichem Blut angesehen und als bauernfähig eingestuft wurden, erhielten den Titel Erbhof. Erbhöfe durften nicht verkauft, finanziell belastet oder aufgeteilt werden. Der Schutz vor Versteigerung und Zwangsvollstreckung landwirtschaftlicher Betriebe sowie die mit dem Gesetz in Zusammenhang stehende Entschuldungsaktion wurden von den Bauern sehr begrüßt. Jedoch waren die Bauern über die staatlichen Eingriffe in die unternehmerische Selbständigkeit sehr beunruhigt. Bedenklich fanden sie beispielsweise das im Reichserbhofgesetz enthaltene Verbot, Erbhöfe finanziell zu belasten, was Investitionen und Modernisierungen hemmte. Ebenso erregten das Veräußerungs- und Teilungsverbot von Erbhöfen Unmut. Die schwerwiegendste Bestimmung im Gesetz war wohl die Möglichkeit der Abmeierung (Enteignung) von Bauern bei mangelnder Bewirtschaftungsfähigkeit, die allerdings in der Praxis kaum durchgeführt wurde. Auch die durch das Reichserbhofgesetz ungesicherte rechtliche Lage des eingeheirateten Ehepartners stieß auf heftige Kritik. In der Ostmark gab es vorübergehend die Möglichkeit, um eine Genehmigung für einen so genannten „Ehegattenerbhof“ anzusuchen. Es kam zwar 1943 zu einer Verbesserung der Rechtslage, dennoch versagte das Gesetz im Wesentlichen in der Praxis. Von über 90.000 bäuerlichen Betrieben in Oberdonau waren 1943 gerade einmal knapp 6000 (6,5 %) zu Erbhöfen erklärt worden.

Entschuldungsaktion für die verschuldete österreichische Landwirtschaft
Die größten Hoffnungen setzen die oberösterreichischen Bauern in die angekündigte Entschuldungsaktion. Die Verschuldung der österreichischen Landwirtschaft war seit 1925 dramatisch angestiegen und betrug 1937 über eine Milliarde Schilling. Zwischen 1933 und 1937 kam es in Österreich zu über 70.000 Zwangsversteigerungen landwirtschaftlicher Betriebe. Bereits zwei Wochen nach dem Anschluss wurden diese Zwangsversteigerungen verboten. Wer einen Antrag auf Entschuldung stellte, wurde betriebswirtschaftlich (Entschuldungsbedürftigkeit, Entschuldungsfähigkeit) und in Bezug auf die Ehrbarkeit (Entschuldungswürdigkeit) überprüft. Eine positive Beurteilung führte zu einer Umwandlung der Schulden in eine langfristige und unkündbare Finanzierungsform mit Zinssätzen, die an die Leistungsfähigkeit des Hofes angepasst waren und eine spürbare Erleichterung durch geringere jährliche Rückzahlungsraten mit sich brachten.

Neuer Gläubiger der Bauern war damit das Deutsche Reich. Die ursprünglichen Gläubiger bekamen ihre Forderungen meist in bar ausbezahlt. Jedoch waren mit der Entschuldung auch starke Einschränkungen verbunden. Sämtliche Neuverschuldungen und Veräußerungen wurden genehmigungspflichtig; sogar die Überwachung von Betrieben konnte angeordnet werden. Vor allem im Vergleich zum propagandistischen Aufwand war das Ausmaß der Entschuldungsaktion bescheiden. Bis Februar 1945 waren lediglich 6 % der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe vom Entschuldungsverfahren erfasst. Nachdem das Reichserbhofgesetz und die Teilnahme an der Entschuldungsaktion die Kreditaufnahme am freien Kapitalmarkt ausschlossen, gewährte das Deutsche Reich in einer Aufbauaktion so genannte Aufbaudarlehen mit niedrigen Zinsen und einer langen Laufzeit.

Landflucht
Das größte Problem der Landwirtschaftspolitik war die Landflucht. Der Aufschwung der kriegswichtigen Industrie und des Straßenbaus führte zu einem enormen Abzug von Arbeitskräften aus der Landwirtschaft: in manchen Regionen wanderten über 20 % der LandarbeiterInnen in die Industrie ab. Geregelte Arbeitszeiten und bessere Entlohnung lockten. Dies führte aufgrund der großen Nachfrage zu einem Ansteigen der Landarbeiterlöhne. Das bäuerliche Einkommen konnte jedoch aufgrund des Festpreissystems nicht durch höhere Produktpreise ausgeglichen werden. Auch die erwachsenen Kinder verließen mehr und mehr die Höfe. Dazu kamen die Einberufungen der Bauernsöhne und Landarbeiter zur Wehrmacht. Eine gewisse Entspannung erfuhr die Situation durch die Unabkömmlichkeit (uk-Stellung), die bevorzugt landwirtschaftlichen Betriebsführern, ländlichen Facharbeitern und Arbeitern von lebensmittelverarbeitenden Betrieben eingeräumt wurde. Doch nach dem Russlandfeldzug im Juni 1941 zog die Wehrmacht auch diese Arbeiter oftmals nachträglich ein, auch wenn sich die Kreisbauernschaften bei den Wehrkreiskommandos um eine Freigabe der Bauern bemühten. „Die katastrophale Abwanderung der Landarbeiter in Industrie, Bau, Stadt und Altreich entvölkert die Höfe. Die zurückbleibenden Menschen brechen unter der Arbeitslast zusammen. [...] Einem Bauern im oberösterreichischen Salzkammergut mit 54 Joch Grundbesitz sind alle Knechte und Mägde weggerannt. Sie fanden besseren und leichteren Verdienst bei einer Papierfabrik. [...] Der Bauer muss mit seiner Bäuerin und einem 80 Jahre alten Vater die Ernte einbringen“, heißt es in einem Schreiben von Landesbauernführer Reinthaller an den Reichsbauernführer Darré vom Jänner 1939.

Durch verschiedene Gegenmaßnahmen zur Verbesserung ihrer Lebensbedingungen versuchte man, die LandarbeiterInnen der Landwirtschaft zu erhalten, so etwa durch die Einführung einer Sozialversicherung, einen Nachlass des Ehestandsdarlehens bei Verbleib in der Landwirtschaft oder die Förderung von Landarbeiterwohnungen. Auch die Arbeitsämter versuchten, steuernd einzugreifen und die Abwanderungen aus der Landwirtschaft zu verhindern, indem sie alle Arbeitslosen noch einmal registrierten und auf ihre Verwendbarkeit in der Landwirtschaft prüften, mit Mai 1939 die Arbeitsbuchpflicht einführten und der ländlichen Jugend und den LandarbeiterInnen den Wechsel in industrielle oder gewerbliche Betriebe zumindest erschwerten. All diese Aktionen erreichten nicht den gewünschten Erfolg.

Insbesondere die Frauen, aber auch Kinder und Alte wurden nun verstärkt zur landwirtschaftlichen Arbeit herangezogen. Einen weiteren Ausweg sah man in der Erschließung eines bisher ungenutzten Arbeitskräftepotenzials, nämlich das der Jugendlichen. Ein neuntes Schuljahr wurde eingeführt und als Landjahr ausgebaut. Die Schulbehörden erhielten die Anweisung, Schüler ab dem Alter von zwölf Jahren bei Bedarf für den Ernteeinsatz unter Aufsicht und Betreuung der HJ zu beurlauben. Daneben gab es das Landdienstjahr für Mädchen, die Erntelager der HJ und der NS-Studentenschaft und den freiwilligen Landdienst der Hitlerjugend.

Einsatz von Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft
Auch mit dem Einsatz von Kriegsgefangenen versuchte man, die Abgänge zur Wehrmacht auszugleichen. Im Dezember 1942 waren in den landwirtschaftlichen Betrieben in Oberdonau neben etwa 8000 „deutschen“ ungefähr 17.000 ausländische Arbeitskräfte beschäftigt. Dabei kam es nicht selten vor, dass sich die Kriegsgefangenen auf den Höfen sehr engagierten und sowohl wirtschaftlich als auch ideell die Rolle des Bauern übernahmen.

Mangelwirtschaft
Durch die mit Kriegsbeginn eingeführten Lebensmittelkarten, den Ablieferungszwang, das Verbot des Direktabsatzes, die Besetzung europäischer Länder und damit einhergehend die Verfügbarkeit über deren landwirtschaftliche Produkte und einen Getreideliefervertrag mit der Sowjetunion traten bis 1941 keine schwerwiegenden Engpässe in der Lebensmittelversorgung auf. Nach dem Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 fielen diese Getreidelieferungen aus. Durch vermehrte Einberufungen zur Wehrmacht verschärfte sich der Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft. Zusätzlich führte der strenge Winter 1941/42 zu vielen Auswinterungsschäden, sodass die Lebensmittelzuteilungen im April 1942 drastisch gesenkt werden mussten. Ablieferungsschlacht nannte die nationalsozialistische Propaganda die Bemühungen um die Überwindung der Versorgungsengpässe. Die Erntemengen sollten noch strenger und umfassender erfasst und verteilt werden. Mit der Verschlechterung der Versorgungslage wuchs der Schwarzmarkt stetig. Gegen Kriegsende wurde die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung immer schwieriger, doch konnte bis zum Schluss der völlige Zusammenbruch der Versorgung verhindert werden.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]