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Glaube? Aberglaube? - Gelehrtenmagie | KULTURAMA Schloss Tollet


Der Teufel und die Besessenheit

Eng verbunden mit dem Glauben an einen personalen Teufel ist die Vorstellung, dass er von einem Menschen Besitz ergreifen kann. Der von ihm Besessene hat das Gefühl, von einer fremden Macht beherrscht und gelenkt zu werden. Anzeichen einer Besessenheit wurden zum Beispiel von Francesco Maria Guaccio um 1600 aufgezählt:

Körperliche Zeichen waren ungewöhnliches Kribbeln oder Stiche in Körperteilen, auf- und absteigende Hitze, Blasen auf der Zunge, ein Knoten im Hals, der sich aufbläht, eine angeschwollene, aus dem Mund hängende Zunge, das Gefühl von kaltem Wasser am Rücken, sieben Tage kein Essen und Trinken zu sich nehmen, das Gefühl, das Gehirn sei durchbohrt oder der Kopf angeschwollen, sehr hohes Fieber, das beim Exorzismus sofort verschwindet, übermäßiges, heftiges Erbrechen, am Mageneingang einen Knoten wie von Ameisen, Würmern oder Fröschen verspüren, Unfähigkeit sich zu bewegen oder die Augen zu öffnen, Unfähigkeit zum Samenerguss, heftiges Pulsieren der Halsader usw.

Zu den paranormalen Zeichen gehören Fähigkeiten wie das Sprechen unbekannter Sprachen, Erörtern wissenschaftlicher Thesen ohne jede Vorbildung, okkulte, vergessene, zukünftige oder geheimnisvolle Dinge zu offenbaren, z.B. Sünden und Gedanken der Anwesenden zu kennen. Ebenso deuteten Anfälle, bei denen selbst mehrere kräftige Männer den Besessenen nicht bändigen können, eine innere Stimme vernehmen, ohne die Bedeutung der Worte zu verstehen, alles vergessen, was man während der Zustände sagt oder tut, vorgetäuschte Dummheit, wenn der Priester zum Gebet auffordert, die Unfähigkeit eine Kirche zu betreten und am Gottesdienst teilzunehmen, das Gefühl zu einem Selbstmord gedrängt zu werden, plötzlich dumm, blind, lahm, taub, stumm usw. zu sein, plötzliche heftige Ängste, Verstörung, wenn die Exorzismusformeln gelesen werden, auf Besessenheit hin. Die meisten dieser Zeichen gelten bis heute als Kriterien einer Besessenheit.
 

Besessenheit und Psychologie

Seit dem Fall Anneliese Michel zieht die Kirche in Fällen vermeintlicher Besessenheit immer Ärzte und Psychologen bei. Die angeblich besessene Studentin starb 1976 nach monatelangen exorzistischen Ritualen. Die Obduktion ergab Unterernährung, Lungenentzündung und extreme körperliche Belastung. Befürworter des Exorzismus machten die Dämonen für ihren Tod verantwortlich. In der Gerichtsverhandlung wurden jedoch die Eltern und der Exorzist wegen fahrlässiger Tötung schuldig gesprochen. Anneliese Michel war in einem extrem konservativen und religiösen Elternhaus aufgewachsen und hatte schon mit 16 Jahren epileptische Anfälle bekommen. Dazu kamen Depressionen, Selbstmordgedanken und Ängste. Bei einer Wallfahrt schöpfte man Verdacht auf Besessenheit und da die Schulmedizin nicht helfen konnte, begann man mit einem Exorzismus. In dessen Verlauf glaubte sie von Luzifer, Kain, Nero, Judas und Hitler besessen zu sein.
Schließlich lebte sie sich ganz in ihre Rolle ein und akzeptierte ihr Sterben als gottgewollte Sühne.

Viele Symptome der Besessenheit kommen auch bei seelischen Krankheiten, besonders bei Konversionsneurosen (Hysterie), Dissoziativen Störungen oder Schizophrenie vor.

Bei den Dissoziativen Störungen gibt es eine Untergruppe Trance- und Besessenheitszustände. Bei dieser Störung tritt ein zeitweiliger Verlust der Identität auf und der Kranke verhält sich, als ob eine andere Persönlichkeit, ein Geist, Gott oder Dämon von ihm Besitz ergriffen hätte. Dabei kommt es zu eingeschränkten, wiederholten oft sehr seltsamen Bewegungen und Äußerungen, an die sich der Patient nicht mehr erinnern kann. Solche psychische Störungen entstehen dann, wenn ein Mensch sehr schwere seelische Schäden in der Kindheit erlitten hat, z.B. schweren Missbrauch oder schwere Misshandlung. Dabei kann es zu Zuständen kommen, bei denen ein Mensch glaubt, seine Identität verloren zu haben, oder besessen zu sein.

Ist ein Patient überzeugt davon, besessen zu sein, kann es auch vorkommen, dass Psychologen trotz Diagnose einer seelischen Krankheit, einen Priester beiziehen, wenn dies dem Patienten hilft.
 


Dokumentation der Ausstellung "Glaube? Aberglaube? – Gelehrtenmagie" im KULTURAMA Schloss Tollet vom 26. April bis 2. November 2014 und 2017.

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