Die Donau

Die Donau bestimmt das Schicksal Österreichs. Der Donauwalzer ist seine heimliche Hymne. Auch das alte Österreich-Ungarn bezog mit dem häufig verwendeten Kurznamen „Donaumonarchie“ aus der Donau einen Teil ihrer Identität und ihres Zusammenhalts.

Lebensader
Die Donau ist Oberösterreichs Lebensader. Doch sie hat viele Merkwürdigkeiten. Ihr österreichischer Teil hat noch alle Eigenheiten eines Gebirgsflusses und war bis zur Errichtung der Kraftwerkskette für Schiffe schwierig zu befahren. Was aber als Nachteil am schwersten wog und immer noch wiegt: Sie fließt in die ‚falsche Richtung‘ und in das ‚falsche Meer‘. Die Macht- und Wirtschaftszentren Europas lagen und liegen im Westen, Norden und Süden, am Atlantik, an der Nord- und Ostsee und am Mittelmeer und nicht am Schwarzen Meer. Auch Österreichs Exportströme gingen und gehen hauptsächlich nach Westen und Norden. Massengüter hätten v. a. im Zeitalter der Ruderschifffahrt viel leichter flussabwärts befördert werden können, wo sie aber nicht gebraucht wurden. Umgekehrt waren die im südöstlichen Europa und auch in Ostösterreich erzeugten Produkte, vornehmlich Wein und Getreide, donauaufwärts nur mit sehr hohen Kosten zu transportieren.
Nach dem Aufkommen der Motorschiffe hätte zwar die Fließrichtung keine so einschneidende Rolle mehr gespielt, es fehlten aber weiter die Anschlüsse zu den dichtbesiedelten und hochentwickelten Zentren West- und Nordeuropas. Die Konkurrenznachteile des Donauweges verstärkten sich eher, als dass sie sich verringert hätten.

Überschwemmungen
Dass die Donau gefährlich ist, hat sie mit allen Flüssen gemeinsam. Doch ertrinken sicher mehr Leute – sagt das Sprichwort – im Becher als in der Donau. Bei den Donauüberschwemmungen konnte das Leben an der Donau, das so viele ökonomische Vorteile brachte, dennoch zum Fluch werden. Dies hat die Donau ebenfalls mit allen Flüssen, mit kleinen wie großen, gemeinsam.

Rhein-Main-Donau-Kanal
Als Handelsweg hingegen hat die Donau nie jene Bedeutung erlangt, die ihr ihrer Größe nach eigentlich zukommen müsste und die andere europäische Ströme wie Rhein und Elbe, Rhone und Po, ja selbst Weichsel und Moldau einnahmen und einnehmen. Eine Anbindung der Donau an andere europäische Wasserstraßensysteme gelang, obwohl sie immer wieder diskutiert wurde, erst in unserer unmittelbaren Vergangenheit. Eine Kanalverbindung zum Rhein plante man schon im Früh- und Hochmittelalter, als im Fränkischen und Deutschen Reich die West-Ost-Richtung politisch wie kommerziell dominierte.
Im 19. Jahrhundert kam mit dem Ludwig-Donau-Main-Kanal (Ludwigskanal) zwischen der Donau bei Kelheim und dem Main bei Bamberg auf sehr unvollkommene Weise erstmals eine Verbindung zustande. Erst mit der Fertigstellung des Rhein-Main-Donau-Kanals im Jahr 1992 konnte eine tatsächlich brauchbare Schiffahrtsstraße realisiert werden.

Die Donau, die in der Römerzeit als Grenze fungierte, hätte aber im frühen Mittelalter, solange mit dem Oströmischen Reich und Konstantinopel als dessen Hauptstadt das kulturell wichtigste Zentrum Europas am Schwarzen Meer lag, eine viel größere Bedeutung haben können. Aber der unruhige Osten, mit den Einfällen der Hunnen, Awaren, Bulgaren, Ungarn und zuletzt Tataren und Osmanen, unterbrach und hemmte immer wieder diese Ostkontakte. Trotzdem gab es Beziehungen, wie oströmische Prinzessinnen belegen, die die Donau heraufkamen, und Kreuzfahrerheere, die die Donau hinabzogen.
Schiffe waren bis ins Eisenbahnzeitalter, zumindest talwärts, das schnellste und bequemste Reisemittel. Ungefährlich allerdings war eine Donaureise nicht. Stromaufwärts war sie langsam und mühselig.

Transportweg für Wein, Salz und Holz
Bis ins 16. Jahrhundert war der Wein das wichtigste Exportgut, das per Schiff donauaufwärts transportiert wurde, bis die bayerischen Herzöge diesen Handel immer mehr einschränkten und Bayern zum Bierland machten. Neue Studien kommen zu dem Schluss, dass im 16. Jahrhundert die in Österreich produzierten und nach Westen ausgeführten Weinmengen ebenso groß waren wie die damaligen Exporte aus Südwestfrankreich Richtung England.
Die Lage am Wasserweg war auch für den Erfolg des Salzbergbaus entscheidend. Hallstatt und Hallein hatten gemeinsam, dass der Großteil des produzierten Salzes über den Inn und die Traun und weiter auf der Donau bis Wien abgesetzt werden konnte. Leider galt dies nicht für den potentiell wichtigsten Markt: Böhmen. So wurde der Salztransport ausschlaggebend für den Bau der Pferdeeisenbahn, die Donau und Moldau verbinden sollte.
Mengenmäßig das weitaus wichtigste Produkt des vorindustriellen Donautransportes war aber das Holz, das sich flussabwärts von selber bewegte. Das Wachstum Wiens im 18. Jahrhunderts wäre ohne diese Versorgung über die Donau nicht möglich gewesen. Wien benötigte um die Mitte des 19. Jahrhunderts jährlich ca. eine Million Kubikmeter Brennholz. Davon wurden drei Viertel auf dem Donauweg bis hinauf vom Böhmerwald und in den Bayerischen Wald herangeschafft. Mit der Mineralkohle wurde nicht nur das Brennholz unwichtig, sondern auch die Donau als Transportweg für Holz.

Dampfschifffahrt
Die Donau war unter den großen Flüssen der Erde mit der Einführung der Dampfschiffahrt sehr spät dran, wenn man vergleicht, dass es in den USA 1812 bereits 50 Dampfboote gab und auf dem Ganges seit 1828 regelmäßig Dampfschiffe verkehrten. Die Fließgeschwindigkeit der Donau war aber zu hoch. Erst im Jahre 1829 glückte den Engländern John Andrews und Joseph Pritchard mit der Gründung der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft (DDSG) der Durchbruch. 1837 wurde die Dampfschiffahrt zwischen Wien und Linz aufgenommen. Ab demselben Jahr verkehrten auch fahrplanmäßig Schiffe der 1836 gegründeten Bayerisch-Württembergischen Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft zwischen Regensburg und Linz. In Linz musste man umsteigen, weil die Holzbrücke für Dampfschiffe viel zu niedrig war. Am 5. Mai 1868 wurde diese alte Brücke vom Dampfer Thetis gerammt. Fast gleichzeitig mit der Eröffnung der Mauthausener und der Steyregger Eisenbahnbrücke fand dann jene der neuen eisernen Straßenbrücke Linz-Urfahr am 12. Dezember 1872 statt. Damit war ein ernstes Schifffahrtshindernis beseitigt. Aber der Greiner Strudel blieb weiter extrem gefährlich. Für Bergfahrten brauchten Dampfschiffe hier noch lange einen Pferdevorspann.

Die Schiffszüge an der Donau

Das wohl eindrucksvollste Schauspiel, das man bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts an der Donau erleben konnte, war die Vorbeifahrt eines Schiffszuges. Die Technik der großen Schiffszüge formierte sich im 16. Jahrhundert.

Das wohl eindrucksvollste Schauspiel, das man bis nach der Mitte des 19. Jahrhunderts an der Donau erleben konnte, war die Vorbeifahrt eines Schiffszuges. Schon kilometerweit war das Geschrei der Fuhrleute und das Wiehern der Pferde zu hören. Die ganze Umgebung geriet in Aufregung, wenn mehr als 100 Pferde und Menschen damit beschäftigt waren, solch einen mehr als 500 Meter langen Zug stromaufwärts zu schleppen und zu manövrieren. Und erst, wenn abends Rast gemacht wurde: Da gab es hungrige Mägen und noch viel durstigere Kehlen zu versorgen.

Im 16. Jahrhundert formierte sich die Technik der großen Schiffszüge: Auf bis zu vier aneinandergehängten Lastkähnen, die von 50 und mehr Pferden gezogen und von etwa 60 Menschen begleitet wurden, konnten bis zu 250 Tonnen Nutzlast flussaufwärts bewegt werden. Solche Schiffszüge erreichten inklusive der Pferde Gesamtlängen von 400 bis 500 Meter. Der Aufwand für Mannschaft und Pferde, für Begleitzillen, Seile, Pferdegeschirr und für die Errichtung und Erhaltung der Treppelwege war extrem hoch. Zu einem Donauschiffszug gehörten neben den drei bis vier Hauptschiffen noch zahlreiche kleinere Schiffe und Plätten, die das Seil über Wasser zu halten, Pferde und Mannschaft bei einmündenden Flüssen oder unpassierbaren Uferhindernissen überzusetzen und auch wieder talwärts zu transportieren hatten.
Mitgeführt werden mussten auch Mutzen (Plätten) zum Transport der mehrere Tonnen schweren, bis zu 700 Meter langen und acht bis neun Zentimeter starken Seile, ein „Kuchlschiff“, einige Plätten für die persönliche Habe der Mannschaft, für Futter und sonstigen Bedarf und eine „Waidzille“ als Rettungsboot.
Die Strecke Wien–Passau konnte in drei bis fünf Wochen bewältigt werden. Neunmal musste zwischen Wien und Passau wegen der Schwierigkeit des Geländes mit allen Pferden das Ufer gewechselt werden.

Industriestandort an der Donau
Mit der Dampfschiffahrt begann der Getreideexport aus Ungarn. Waren vor dem Ersten Weltkrieg Getreide und in der Zwischenkriegszeit Getreide und Öl bzw. Erdölprodukte die Hauptmassengüter auf dem Strom, so nahmen nach dem Zweiten Weltkrieg Kohle, Erze und industrielle Erzeugnisse bzw. Vormaterialien für die Industrie die dominierende Stellung ein. Die Standortvoraussetzungen für die Eisenhütten hatten sich mit den Eisenbahnen und Dampfschiffen massiv geändert. Von vielen Seiten wurden Pläne für ein modernes Hüttenwerk in Donaunähe ausgearbeitet. Die Wirtschaftsplaner des Großdeutschen Reiches griffen diese Konzept auf. Für die Standortwahl des Linzer Hüttenwerkes war sicher die Lage an der Donau, zwischen der böhmischen und oberschlesischen Kohle und dem mitteldeutschen und steirischen Erz, entscheidender als Hitlers Vorliebe für Linz.

Energielieferant
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die Donau auch zum Energielieferanten: Um die riesige Dimension der Wasserkräfte der Donau nutzen zu können, waren die zahlreichen bis ins 19. Jahrhundert an der Donau errichteten Schiffsmühlen völlig unzureichend. Erste Projekte, die Wasserkraft der Donau für die Elektrizitätserzeugung heranzuziehen, wurden schon vor dem Ersten Weltkrieg präsentiert. Von tatsächlicher Bedeutung für den späteren Donauausbau wurde schließlich das 1924 von Ing. Oskar Höhn konzipierte Projekt einer Staustufe bei Ybbs-Persenbeug, die gleichzeitig auch den Greiner Strudel entschärfen sollte. Anfang der 1930er Jahre gab es bereits Konzepte für den einheitlichen Ausbau der gesamten österreichischen Donaustrecke von Passau bis zur March, die zwischen elf und dreizehn Staustufen vorsahen. Nach dem „Anschluss“ wurden auf der Grundlage der von Ing. Höhn ausgearbeiten Pläne die Bauarbeiten in Ybbs-Persenbeug begonnen, diese aber kriegsbedingt bald eingestellt.
Die 1947 gegründete Österreichische Donaukraftwerke AG wurde mit der Erarbeitung eines neuen Ausbauplanes betraut, der in einer ersten Fassung 1953/54 vorlag und elf Staustufen vorsah. Weitergebaut werden konnte in Ybbs-Persenbeug erst, nachdem mit der russischen Besatzungsmacht eine Eingung erzielt worden war. Von 1956 an wurden beginnend in Jochenstein an der Donau in zwei- bis vierjährigen Intervallen acht weitere Laufkraftwerke errichtet: Aschach 1964, Ottensheim 1974, Abwinden-Asten 1979, Wallsee-Mitterkirchen 1968, Ybbs-Persenbeug 1959 …

Die Donau wird vielfältig genutzt: als Transportweg, Energielieferant, Freizeitraum, Industriestandort. Der Donauraum, der etwa zwei Drittel der österreichischen Industriekapazität umfasst, kann in einem vereinten, erstmals nach West- und Osteuropa politisch wie schiffahrtsmäßig offenen Kontinent als Wirtschaftsstandort nur gewinnen.

Franz von Gernerth, Text zum Donauwalzer, 1889

„Donau so blau, / Durch Tal und Au / Wogst ruhig du hin, […] Dein silbernes Band / Knüpft Land an Land, / Und fröhliche Herzen schlagen / An deinem schönen Strand.“

 

 

Wie lang ist die Donau?

Karl Vodrazka, einer der besten Kenner der Donauschifffahrt, hat in einem kleinen Büchlein die Frage aufgeworfen, wo der Null-Kilometer der Donau liegt und gezeigt, wie sehr auch solch technische Dinge wie die Länge eines Stroms von politischen Wechsellagen und sich ändernden handelspolitischen Gegebenheiten bestimmt sind.

Karl Vodrazka, einer der besten Kenner der Donauschifffahrt, hat in einem kleinen Büchlein die Frage aufgeworfen, wo der Null-Kilometer der Donau liegt und gezeigt, wie sehr auch solch technische Dinge wie die Länge eines Stroms von politischen Wechsellagen und sich ändernden handelspolitischen Gegebenheiten bestimmt sind.
100 m unterhalb der Linzer Nibelungenbrücke befindet sich eine Kilometerangabe: 2135 km von Sulina; unterhalb des Leuchtturms von Sulina (im rumänischen Donaudelta) werden die Kilometerangaben mit negativem Vorzeichen geführt. In Ulm steht eine Tafel: 2588 km oder Null km
Durch Wasserbauten ist die Donau kürzer geworden, auf der deutschen Strecke um insgesamt fast zehn Kilometer; in die Kilometerangaben ist das nie eingearbeitet worden, sondern es wurden Fehlstrecken ausgewiesen. Und wo die Donau eigentlich entspringt, ist ein Streit, der nie gelöst werden wird.

Literatur:

  • Die Donau: Facetten eines europäischen Stromes. Katalog zur Oberösterreichischen Landesausstellung 1994 in Engelhartszell. Linz 1994.
  • Ernst Neweklowsky: Die Schiffahrt und Flößerei im Raum der oberen Donau und ihrer Nebenflüsse. 3 Bde. Linz 1952–1964.
  • Karl Vodrazka: Aufsätze zur Donau. Linz 2009.


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 31. Juli 2010