Elektrifizierung Oberösterreichs

Oberösterreich war ein Pionierland der Elektrizitätswirtschaft. Steyr kann mit der von Josef Werndl im Jahre 1884 durchgeführten Elektrizitäts-Ausstellung den Ruhm beanspruchen, die erste größere Stadt der Welt gewesen zu sein, wo durch teilweise Ausnutzung der Wasserkraft einzelne Stadtteile elektrisch beleuchtet wurden. Werndl wollte damit eine der Stärken der österreichischen Alpenländer, die Wasserkraft, erstmals ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken.

Als das Licht kam
Das erste elektrische Licht war ein einschneidendes Erlebnis. Seinem Zauber konnte sich kaum jemand entziehen, weder berühmte noch einfache Leute: In allen Lebenserinnerung ist die erste Konfrontation mit dem elektrischen Licht tief verankert: „Die Leute fühlten sich in den Himmel versetzt!“

Das erste Licht

Flora Gappmaier schreibt über das erste elektrische Licht in ihrem Haus.

Flora Gappmaier schreibt über das erste elektrische Licht in ihrem Haus:
„Alle liefen wir in der Stube zusammen und kamen nicht aus dem Staunen heraus, so hell war alles im ganzen Haus - in jedem Raum gingen wir aufdrehen. Es war hell und überall noch heller [...] Wir gingen an diesem Abend alle lange nicht schlafen, denn wir mussten das Licht genießen. Mutter sagte: ‚Schade, dass ich schon so alt bin, jetzt wäre alles so leicht und schön bei diesem guten Licht.’ [...] Nur ein Druck auf den Schalter, und alles war hell. [...] aber dann kam die Stromrechnung zu jedem Haus - nun schaute die Sache anders aus. Alle machten ein langes Gesicht - was hat das Petroleumflascherl gekostet, und was sollten wir jetzt zahlen!“

Joseph Werndl und Steyr
Auch Joseph Werndl, der Gründer der Steyrer Waffenfabrik, war 1881 tief beeindruckt von der Pariser Elektrizitäts-Ausstellung heimgekehrt. Dort waren erstmals die Möglichkeiten der Elektrizität und des Systems, das Edison 1880 in New York entwickelt hatte, in Europa zu sehen gewesen. Werndl begann sofort, in Steyr für 1884 eine ähnliche Elektrizitätsausstellung vorzubereiten, deren Zentrum ein kleines Wasserkraftwerk zur Beleuchtung wichtiger Teile der Stadt bilden sollte.

Bald nach Ende der Ausstellung wurden die Beleuchtungskörper in der Stadt allerdings wieder abgebaut. Werndl verlor das Interesse an der Elektrizität, weil sich für seine Waffenfabrik ab 1886 mit der Einführung des Repetiergewehrs in der österreichisch-ungarischen Armee ein viel lohnenderes und risikoloseres Geschäft machen ließ. Steyr versäumte damit den Einstieg in die Elektrifizierung für mehrere Jahrzehnte.

Strom in den Landeshauptstädten
Die österreichischen Landeshauptstädte erhielten zu recht unterschiedlichen Zeitpunkten und Bedingungen Elektrizitätsversorgungsunternehmen: Salzburg 1887, Innsbruck und Wien 1889, Bregenz 1891, Graz 1894, Linz erst 1897 und Klagenfurt als Schlusslicht 1902.

Im Linzer Gemeinderat war zwar schon 1883 eine Kommission eingesetzt worden, die sich mit der Anlage einer elektrischen Zentralstation befassen sollte. Aus dem lang dauernden Entscheidungsprozess ging schließlich ein unter Führung des politisch einflussreichen Rechtsanwaltes Carl Beurle gebildetes Electricitäts-Consortium als Sieger hervor. Anfang Mai 1897 ging die elektrische Zentralstation in der Keplerstraße Nr. 70 in Betrieb. Die Umstellung der seit 1880 als Pferdeeisenbahn betriebenen Tramway auf Elektrizitätsbetrieb war am 1. August 1897 abgeschlossen. Mehr technische als wirtschaftliche Bedeutung erlangte die 1898 eröffnete elektrische Bergbahn auf den Pöstlingberg.

Vorbehalte in Urfahr
Um 1900 war das elektrische Licht aus dem großstädtischen Leben nicht mehr wegzudenken. Aber es war teuer. Das benachbarte Urfahr wollte zwar nicht nachstehen, konnte sich aber das großstädtische Flair noch nicht leisten. Als 1908 im Urfahrer Gemeinderat die Einführung des elektrischen Lichtes zur Straßenbeleuchtung diskutiert wurde, wurde das abgelehnt: In solch großstädtische Aktionen solle sich Urfahr nicht einlassen, meinte der damalige Bürgermeister Hinsenkamp. Als im August 1906 das Schulhaus in der Marktgemeinde Lembach im Mühlkreis elektrisch beleuchtet werden sollte, weigerten sich die schulerhaltenden rein bäuerlichen Nachbargemeinden Witzersdorf und Hörbich, diesen „unerhörten Luxus des elektrischen Lichtes“ durch Beitragsleistungen zu unterstützen.

Elektrisches Licht in Haslach

1901 beschloss die Markt-Commune Haslach die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung. Am Marktplatz sollten zwei Bogenlampen und in den Straßen 25 Glühlampen aufgestellt werden. Auch der Pfarrhof wurde elektrisch beleuchtet, während für die Kirche mit der Installation noch zugewartet wurde, was, wie der Pfarrer in die Chronik schrieb, wegen der daraus entstehenden laufenden Kosten nicht zu bedauern war. Viele Häuser ließen sich das elektrische Licht einleiten.

1901 beschloss die Markt-Commune Haslach die Elektrifizierung der öffentlichen Beleuchtung. Am Marktplatz sollten zwei Bogenlampen und in den Straßen 25 Glühlampen aufgestellt werden. Auch der Pfarrhof wurde elektrisch beleuchtet, während für die Kirche mit der Installation noch zugewartet wurde, was, wie der Pfarrer in die Chronik schrieb, wegen der daraus entstehenden laufenden Kosten nicht zu bedauern war. Viele Häuser ließen sich das elektrische Licht einleiten.

Die Eröffnung wurde festlich begangen. Unter den Klängen der Musikkapelle zog man durch den im elektrischen Lichte glänzenden Markt in den Gartensalon des größten Wirtshauses, wo mehr als 300 elektrische Flammen in verschiedenen Farben für die festliche Umrahmung der obligaten Reden sorgten. (Chronik der Pfarre Haslach, 1901, 273 f.)

Berichte von Zeitzeugen:
Maria Mittermayer, geb. 1907 in Weyer: „Als das erste Mal das Licht aufstrahlte, liefen mir die Tränen der Freude über die Wangen.“
Leopold Krenmayr, geb. 1909 in Gerersdorf bei Hörsching: „Wenn kein anschluss vorhanden war, wurde einfach die Freileitung angezapft.“
Irmgard Fischer, geb. 1921 in Atzbach bei Vöcklabruck: „Es galt als Todsünde, das Licht vor Einbruch der völligen Dunkelheit anzudrehen.“
Hilde Hoferbauer, geb. 1926 in Weibern: „Das Sparen mit dem elektrischen Strom ist mir eigentlich geblieben. Ich greife nicht zum Lichtschalter, wenn es nicht sein muss.“
Frieda Moshammer, geb. 1929 in Peuerbach: „Ich musste als Lehrerin 1949/50 in Kriegwald, Gemeinde Julbach, meine Vorbereitungen noch bei Kerzenlicht schreiben.“
Therese Egger, geb. 1919 in Pettenbach: „So erblickte ich eines Tages in Pettenbach ein kleines Plakat mit der Aufschrift ‚Koche elektrisch’. Ungläubig staunte ich über diese ominöse Ankündigung.“

Stern & Hafferl
Als die eigentlichen Pioniere der Elektrizitätsversorgung in Oberösterreich gelten die beiden Baufachleute Josef Stern und Franz Hafferl. Eines ihrer wichtigsten Projekte war der Bau der Zahnradbahn auf den Schafberg. Dabei entstand die Idee, das Schafberghotel und das Hotel Peter in St. Wolfgang elektrisch zu beleuchten. 1892 wurde mit der Planung einer Dampfzentrale in St. Wolfgang begonnen, die 1894 den Betrieb aufnahm. Nach gleichem Muster eröffneten sie 1895 in Gmunden eine Dampfzentrale zum Betrieb der Straßenbahn und zur Beleuchtung des Ortes. Für die Salzkammergut-Hotels erlangte der Verweis auf „Elektrisches Licht“ große Werbewirksamkeit.

1899 erhielt Stern & Hafferl die Konzession zur Ausnutzung des Traunfalls, wo 1901 das erste Drehstromkraftwerk Oberösterreichs in Betrieb genommen wurde. Ein rascher Ausbau der Wasserkräfte des Salzkammergutes begann: Stern und Hafferls besondere Leistung war es, vom Salzkammergut aus das erste große Verbundsystem Österreichs aufgebaut zu haben: 1914 versorgten Stern & Hafferl bereits Konsumenten in 82 Orten Oberösterreichs, Salzburgs und der Steiermark.

Kraftwerk Partenstein
Das in der Zwischenkriegszeit bedeutendste Wasserkraftwerk Österreichs wurde nicht an Enns, Mur, Donau oder in den Alpen gebaut, sondern in Partenstein an der vergleichsweise kleinen Großen Mühl. Die Initiative ging von der Linzer Tramway- und Elektrizitätsgesellschaft (TEG) unter ihrem Präsidenten Beurle aus. 1920 wurde zu diesem Zweck vom Land Oberösterreich, der Republik Österreich, der Stadt Linz, der TEG und der Österreichischen Waffenfabrik die Oberösterreichische Wasserkraft- und Elektrizitäts-AG (OWEAG) gegründet. 1919 war mit den Bauarbeiten in Partenstein begonnen worden. Am 30. Oktober 1924 erfolgte die Inbetriebnahme dieses ersten Großwasserkraftwerkes Österreichs mit 45.000 PS = 33.000 kW. Der Stromabsatz nach Wien erfolgte über eine 110-KV-Hochspannungsleitung von Partenstein über Wegscheid nach Gresten (Kraftwerk Opponitz der Gemeinde Wien) und weiter nach Wien.

OWEAG
Mit der Gründung der OWEAG, die im Besitz der meisten ausbauwürdigen Wasserkräfte Oberösterreichs war und mit Partenstein das größte Wasserkraftwerk des Landes errichtet hatte, war in Oberösterreich eine tragfähige Gesellschaft für die weitere Elektrifizierung ganz Österreichs geschaffen. Über das Land als Miteigentümer und die Bank für Elektrische Unternehmungen in Zürich erfolgte eine zunehmende Verknüpfung der OWEAG mit den Interessen von Stern & Hafferl, die am 19. Oktober 1929 zur Fusion der beiden Gesellschaften in der Österreichischen Kraftwerke Aktiengesellschaft (ÖKA) führte.

Damit war das damals größte Stromlieferungsunternehmen Österreichs entstanden. Die Gesellschaft versorgte ein Überlandnetz, das sich über den größten Teil des Landes Salzburg, über beinahe ganz Oberösterreich und auch einen Teil der Steiermark und Niederösterreichs erstreckte. Die Gesellschaft strebte den Aufbau einer West-Ost-Sammelschiene und die Nutzung der Wasserkräfte der Alpen an. Ihr größtes Projekt war Kaprun, das sich allerdings in der kritischen Situation der 1930er Jahre nicht realisieren ließ.

Mit dem Anschluss an das Deutsche Reich musste die ÖKA ihren Namen auf KOA (Kraftwerke Oberdonau AG) ändern und auch das Kaprun-Projekt abtreten. Der propagandistisch allgegenwärtige Hermann Göring nahm den Spatenstich im bereits von der ÖKA projektierten Tauernkraftwerk Kaprun vor. Auch an Inn, Enns und Donau wurde zu bauen begonnen. Fertig gestellt allerdings wurden im Krieg nur Kohlekraftwerke.

Verstaatlichung
1947 wurde im zweiten Verstaatlichungsgesetz die Elektrizitätswirtschaft mit wenigen Ausnahmen verstaatlicht. Organisatorisch wurde je eine Landesgesellschaft für jedes Bundesland vorgesehen, dazu Sondergesellschaften für überregionale Großkraftwerke und die Verbundgesellschaft als Dachorganisation. Die landeshauptstädtischen Energieversorgungsunternehmen und einige kommunale, genossenschaftliche und private EVUs durften bestehen bleiben.

Nach 1945 stieg der Stromverbrauch rasant. Die Wasserkraft wurde ausgebaut. Zuerst erfolgte die Fertigstellung der im Krieg begonnenen Projekte, der vier Kraftwerke der Ennsgruppe und der Innkraftwerke. Dann begann mit Jochenstein der Ausbau der Donau: Von 1959 an waren an der Donau in zwei- bis vierjährigen Intervallen acht weitere Laufkraftwerke errichtet worden: davon in Oberösterreich Aschach, Asten und Wallsee.

Proteste gegen Wasserkraftwerke
Auch der Ausbau der Traun wurde weiter fortgesetzt. Es kam zu ersten Auseinandersetzungen, in Oberösterreich um das Kraftwerk Gmunden, dann um Molln. Im Reichraminger Hintergebirge formierte sich eine Aktionsgemeinschaft Hintergebirge, die das Projekt der Ennskraftwerke, zwei Speicherbecken an der Kalblingmauer bzw. Großen Klausen mit 100 bzw. 80 m hohen Talsperren und 72 MW installierter Leistung zu Fall brachte. Der letzte große Konflikt entzündete sich am Kraftwerksprojekt Lambach. Aber die Elektrizitätswirtschaft regt immer noch auf, in der Frage der Atomkraft ebenso wie in der Diskussion um einen durchgeführten oder abgesagten Börsegang.

Zeittafel Chronologie der Elektrifizierung
1879/1880 Thomas Alva Edison erfindet die Kohlefadenglühlampe und baut in New York das erste funktionierende Elektrizitätsversorgungssystem auf.
1881 Erste Elektrizitätsausstellung in Paris
1884 Josef Werndl veranstaltet in Steyr eine Elektrizitätsausstellung.
1886 Erstes Elektriztätsversorgungsunternehmen Österreichs im niederösterreichsichen Scheibbs
1894 Stern & Hafferl beleuchten das Schafberghotel und das Hotel Peter in St. Wolfgang.
1895 Elektrizitätswerk Gmunden
1897 Beginn der Elektrifizierung in Linz
1905 Stern & Hafferl werden AG und beginnen den Aufbau eines oö. Verbundsystems.
1919-1924 Bau des Kraftwerks Partenstein, des ersten Großkraftwerks Österreichs
1920 Gründung der OWEAG
1929 Fusion von OWEAG und Stern & Hafferl zur ÖKA (Österreichsiche Kraftwerke AG)
1938 Umbenennung in KOA (Kraftwerke Oberdonaus AG)
1947 Verstaatlichung der gesamten Elektizitätswirtschaft: „Oberösterreichische Kraftwerke AG“ (kurz: OKA)
1999 Umbenennung der OKA in Energie AG Oberösterreich

Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 2. April 2008