Hyperinflation in Oberösterreich

Hyperinflation in Oberösterreich 1918–1922


Die katastrophalen Folgen einer Hyperinflation hat Oberösterreich 1918 bis 1922 erlebt.

Explosion der Lebenshaltungskosten
Dass Österreich nach dem Ersten Weltkrieg arm geworden war, spürten die Oberösterreicher am Geld. Die Preise verdoppelten sich zwischen 1914 und 1921 jedes Jahr. Im Herbst 1921 setzte die letzte Phase der Hyperinflation mit Preissteigerungen von über 50 Prozent pro Monat ein. Im August 1922 schließlich verdoppelten sich die Verbraucherpreise innerhalb eines Monats. Die Lebenshaltungskosten erreichten bis Sommer 1922 das 14.000fache der Vorkriegszeit. Geld wurde in riesigen Waschkörben transportiert. Die Männer zündeten sich ihre Zigarren mit wertlosen Geldscheinen an. Kluge Leute legten ihr Geld in Sachwerten an oder verlagerten es in Devisen. Andere verschwendeten es bedenkenlos. Gekauft wurde alles, was angeboten wurde, um das Geld nur irgendwie loszuwerden.

Einkommensverluste
Kurzfristig führte die Geldentwertung zu einer Ankurbelung der Wirtschaft. Oberösterreich erlebte so eine kurze Hochkonjunktur und einen Ausverkauf ins Ausland. Wie immer schob die Inflation Probleme auf, die in der nachfolgenden Stabilisierungskrise mit umso größerer Schärfe deutlich wurden. Die Inflation traf die verschiedenen Bevölkerungsklassen ungleichmäßig:
Von Einkommensverlusten waren zwar praktisch alle betroffen. Aber die Vernichtung aller Sparguthaben und Renteneinkommen wurde zum Hauptcharakteristikum der Inflation.
Am wenigstens hielten die Pensionen mit der Inflation Schritt. Schwer betroffen waren auch die Beamten. Es gab eine brutale Umverteilung zu Lasten der Sparer, der Geldvermögensbesitzer, Rentenbezieher und der „Fixbesoldeten“, also des Bürgertums. Arbeiter und Angestellte hatten häufig eine günstigere Verhandlungsmacht. Die allgemeine Nivellierung der Löhne zwischen Fach- und Hilfsarbeitern, zwischen städtischen und außerstädtischen Industriearbeitern, zwischen Industrie- und Landarbeitern, zwischen Arbeitern und Beamten sowie zwischen den oberen und unteren Gehaltsklassen wurde zum sichtbarsten Ausdruck einer Auflösung des Wertesystems der alten Gesellschaft.

„Schieber“
Völlig aufgezehrt wurde der breite Bestand von Stipendien, Stiftungen und Fonds, der einen wesentlichen Teil des sozialen Netzes des 19. Jahrhunderts gebildet hatte. Der Stellenwert privater Vorsorge und Fürsorge sowie des privaten Mäzenatentums war durch die Inflation für lange Zeit diskreditiert und zerstört. Die Hausbesitzer wurden zwar ihre Schulden los, verloren aber durch die Mieterschutzverordnungen auch ihre Einkommen.
Profitiert hatten von der allgemeinen Entschuldung die Bauern. Ihre Schulden waren praktisch gestrichen. Unternehmer konnten kurzfristig zwar von der angeheizten Nachfrage profitieren, merkten aber auf längere Sicht, dass ihr Eigenkapital völlig aufgezehrt worden war. Nur eine schmale Schicht von Schiebern und Börsenspekulanten lebte in Saus und Braus. Der „Schieber“ wurde nicht nur zur volkstümlichen Bezeichnung für den Modetanz der Inflationszeit, den schnellen Onestep, sondern für eine ganze Gesellschaftsklasse und ihre Vergnügen. Von einer kleinen Schar von Glücksrittern wurde eine hypertrophe Luxusindustrie gespeist.
Am anderen Ende des Spektrums waren die Desillusionierten platziert, denen Status und Ersparnisse geraubt waren und die sich nur an den alten Titeln und Erinnerungen festklammern konnten.

Bankenzusammenbrüche und Wirtschaftsskandale
Der Antisemitismus bordete über. Radikale Strömungen fanden einen günstigen Nährboden. Die Inflation des Geldes führte zu einer Inflation der Banken. Auch in Oberösterreich waren von 1919 bis 1922 zahlreiche neue Banken und Bankfilialen registriert worden. Im Jahre 1923 zählte man in Linz 18 Banken und Geldanstalten. Dazu kamen jene, die ihre Geschäfte unbefugt betrieben. Die meisten dieser Neugründungen, von denen schon ein zeitgenössischer Beobachter sagte, dass es nicht lohnen wird, sich ihre Namen zu merken, brachen bereits in den Jahren 1922 bis 1924 wieder zusammen.
Die Währungsreform offenbarte die Instabilität: Bankenzusammenbrüche und Wirtschaftsskandale wurden zu einer Dauererscheinung der Zwischenkriegszeit.
Auch zwei der drei Linzer Sparkassen überstanden die Inflation nicht: Am 16. November 1922 musste die 1875 gegründete Gemeindesparkasse Urfahr und im Lauf des Jahres 1923 die 1888 eröffnete Städtische Sparkasse Linz den Geschäftsbetrieb einstellen.
Fast jede Woche tauchten Projektanten auf, um irgendeinen Betrieb zu gründen oder um Leute zu finden, die Geld herleihen wollten oder mit irgendetwas zu spekulieren bereit waren.
Ende 1920 gründete ein Wiener Konsortium unter Führung des Rechtsanwalts Braun-Stammfest allein in Wels vier Industrieaktiengesellschaften, eine Oberösterreichische Porzellan-Industrie AG weiters die Oberösterreichische Elektrotechnische Werke AG, die Welser Holzindustrie AG und eine Glaswarenfabrik. Der Verkauf der eigenen Aktien war die Hauptgeschäftstätigkeit dieser Unternehmen, die alle vier in den Jahren 1924/25 wieder stillgelegt wurden.

Bau des Kraftwerks Partenstein
Eines der wenigen Projekte, die in der Inflationszeit begonnen wurden und nachhaltig wirkten, war die Errichtung des für Linz und Oberösterreich bedeutsamen Kraftwerks Partenstein, des bedeutendsten Wasserbauvorhabens im Österreich der Zwischenkriegszeit.
Am 25. September 1919 war mit den Bauarbeiten in Partenstein begonnen worden. Am 30. Oktober 1924 erfolgte die Inbetriebnahme dieser ersten Großwasserkraftanlage Österreichs mit 30.000 PS = 22.000 kW. 1926 wurde mit 45.000 PS die volle Leistung erreicht.
Das Land Oberösterreich engagierte sich in anderen Unternehmen des Grundstoff- und Energiebereichs: 1919 erwarb es ein größeres Aktienpaket der Wolfsegg-Traunthaler Kohlenwerks AG. Im Aschacher Becken begann das Land nach Kohle zu schürfen. Es kaufte Anteile an der Alpenländischen Torfindustrie Ges.m.b.H., an der Welser Erdgas Ges.m.b.H. und an den Schwertberger Kaolinwerken. Außerdem plante man einen Graphitbergbau im Mühlviertel. 1920 erwarb das Land ein Aktienpaket der Bank für Oberösterreich und Salzburg. Gemeinsam mit der Oberbank gründete das Land 1923 die Oberkraft (OÖ. Kraftwagenverkehrs-AG.) und engagierte sich auch bei der OWEAG (Oberösterreichische Wasserkraft- und Elektrizitäts-AG).

Neue Währung Schilling
Erst mit der Zusage einer großen Anleihe des Völkerbunds in Genf konnte Ende August 1922 die Inflationsspirale zum Stillstand gebracht werden. Ende 1924 schuf man mit dem Schilling eine neue Währung. 10.000 Kronen wurden in einen Schilling umgetauscht. Damit sollte die Erinnerung an die Inflation endgültig getilgt werden. Aber die sozialen und politischen Folgen, die man mit der Vernichtung aller Geldwerte erzeugt hatte, wurde man die ganze Zwischenkriegszeit über nicht los. Jene Staaten, die damals den Weg in die Hyperinflation gewählt hatten, wurden bald zu Diktaturen.
 

Das Notgeld

Eine der Begleiterscheinungen der Hyperinflation war das Notgeld. Scheidemünzen aus Nickel oder Kupfer waren schon im Krieg knapp geworden. Sie verschwanden, als ihr Metallwert den Nennwert zu übersteigen begann, ganz aus dem Markt. Dem Finanzminister, der über das Münzregal verfügte, blieb nichts anderes übrig, als am 21. November 1918 den Gemeinden die Ausgabe von Notgeld zu erlauben. Das Banknotenprivileg der Notenbank blieb hingegen unangetastet. Daher gibt es als Notgeld nur kleine Nennwerte, die die Scheidemünzen ersetzten.

Eine der Begleiterscheinungen der Hyperinflation war das Notgeld. Scheidemünzen aus Nickel oder Kupfer waren schon im Krieg knapp geworden. Sie verschwanden, als ihr Metallwert den Nennwert zu übersteigen begann, ganz aus dem Markt. Dem Finanzminister, der über das Münzregal verfügte, blieb nichts anderes übrig, als am 21. November 1918 den Gemeinden die Ausgabe von Notgeld zu erlauben. Das Banknotenprivileg der Notenbank blieb hingegen unangetastet. Daher gibt es als Notgeld nur kleine Nennwerte, die die Scheidemünzen ersetzten.

Das Land Oberösterreich begann schon im November 1918, Landeskassenscheine auszugeben. Die Stadt Linz brachte im Herbst 1919 das erste Notgeld heraus. Diesem Beispiel schlossen sich die meisten Gemeinden an. Am 17. April 1920 berichtete die Linzer Tagespost:
„Vierzig oberösterreichische Gemeinden sind bereits unter die Geldmacher gegangen […] die papierene Flut schwillt immer noch an.“
Am 5. Mai meldete man bereits 93 Notgeldgemeinden und am 28. Mai 194. Allerdings stand längst nicht mehr der Ersatz des fehlenden Kleingeldes im Vordergrund, da um Heller ohnehin nichts mehr zu bekommen war, sondern die Möglichkeit, den Gemeinden mit der Geldausgabe eine wenn auch bescheidene zusätzliche Einkommensquelle zu verschaffen, v. a. als sich herausstellte, dass diese Geldscheine zu Sammelobjekten geworden waren, die man nicht mehr einzulösen brauchte. Am 1. September berichtete die Tagespost:
„Wie uns aus Sammlerkreisen mitgeteilt wird, haben von den 503 Gemeinden in Oberösterreich nicht weniger als 397 verschiedene Arten von Gutscheinen herausgegeben.“

Bis zum Herbst 1920 lässt sich anhand von Sammlerkatalogen ermitteln, dass 425 Gemeinden und andere Institutionen Notgeld herausgegeben haben, wobei an die 100 weitere Emissionen, die überhaupt nicht mehr in Umlauf kamen, sondern gleich an Sammler gegeben wurden, noch hinzugerechnet werden müssten. Als sich zeigte, dass wie bei Briefmarken in den Sammlerkatalogen drucktechnische Varianten genau registriert wurden, wurden auch An- und Fehldrucke in Umlauf gebracht oder sogar bewusst angefertigt. Den 10-Heller-Schein der Stadt Eferding gibt es in nahezu 100 Abarten. In Grieskirchen gab es 47 verschiedene Serien. Auch Dörfer und Gemeindeteile wollten mitnaschen: Berg bei St. Georgen im Attergau, Haid bei Mauthausen, Innerstein bei Münzbach, Lebing bei Perg, Mistelberg bei Tragwein … Gemeinden und Bürgerkommunen, aber auch Bezirkshauptmannschaften, Regimenter, Stifte, Pfarren, Museen, ja sogar Feuerwehren, Turnvereine, Parteien, Firmen und sogar Narrenvereine betätigten sich als Gelddrucker. In Linz brachten neben der Stadtgemeinde u. a. auch die Schiffswerft, das Gaswerk, die Bäckerei Helletzgruber, die Gemischtwarenhandlung Hofer, das Varieté Kolosseum, die Buchdruckerei Feichtinger und auch der Katholische Frauenverein ein eigenes Notgeld heraus.
Die Ausstattung der Scheine, die zuerst sehr primitiv war, wurde immer aufwendiger. Nicht nur mehr oder weniger grafisch begabte Lehren, Pfarrer und Gemeindesekretäre, sondern auch namhafte Künstler lieferten Entwürfe: Ludwig Haase, Klemens Brosch, Wilhelm Dachauer, Max Kislinger, Anton Lutz, Aloys Wach, Karl Hayd, Fritz Lach, Karl Reisenbichler, Alfred Gerstenbrand, Theo Matejko und Marcel Vertès.
Die Motive sind sehr vielfältig: Mehr als die Hälfte der Scheine zeigen Orts- und Landschaftsansichten, historische Bauten und Denkmäler, aber auch Zeitgenössisches wie Schulen, Brücken, Bahnhöfe, Fabriken, land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten, liefern politische Propaganda und moralisierende Sinnsprüche oder klagen über die Teuerung und das Notgeldunwesen. Für die Geschichte Oberösterreichs ergibt sich aus den Motiven ein nahezu lückenloser Bogen von der Urzeit bis in die damalige Gegenwart. Besonders häufig vertreten sind die Bauernkriege, aber auch der Erste Weltkrieg, seine Gefangenenlager und Kriegerdenkmäler. Auch zahlreiche Juxscheine mit merkwürdigen Nominalen wurden herausgebracht: 70 Heller, 75 Heller, 99 Heller.
Der Linzer Notgeld-Narrenbund Niedernhart emittierte Scheine im Nennwert von 77 Heller mit dem Datum „Niedernhart, im Vollmond 1920“ und der garantierten Einlösung vier Wochen nach Eintritt des Deliriums, unterschrieben von einem „Dr. Filuzius Spinninski, Spezialist für Notgeldparalyse und Sammeldelirium“.

1921 war der Notgeldrummel vorbei. Man brauchte die Emissionsbewilligung gar nicht zu sistieren, es rechnete sich einfach nicht mehr. Papier und Druckkosten waren viel höher geworden als die Nennwerte der Scheine. Hervorragende Sammlungen oberösterreichischen Notgelds besitzen u. a. neben der Papiergeldsammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien das Oberösterreichische Landesarchiv, das Oberösterreichische Landesmuseum, das Linzer Stadtmuseum, die Oberösterreichische Sparkasse und das „Jungschützen“-Museum Bad Wimsbach-Neydharting.

Notgeldtexte

Papieren der Schein,
ganz niedlich und fein,
er kündet der Welt:
Wir haben kein Geld.

(Ebelsberg)

Papieren der Schein,
ganz niedlich und fein,
er kündet der Welt:
Wir haben kein Geld.

(Ebelsberg)

„Das Nickel- und das Kupfergeld
ist schon lang zu End
und’s Notgeld, das papierene
Das wird uns auch schon z’weng.

(St. Magdalena)

„Nun flattre fort, du Notgeldschein,
grüß draußen deine Brüder,
Fängt dich ein fleißger Sammler ein,
so sehn wir dich nicht wieder.

(Kirchheim)

Nicht mehr als Grenzstrom
brausender Inn
Sollst du fürder
an Schärding vorüberziehn.

(Schärding)

„Mir ham iatzt viel Geld g’macht,
Geh’ b’stöll da na gnua;
Zehntausend so Flöck brauchst
Heut für a paar Schuah!

(Rüstorf)

Literatur:

  • Karl Jaksch – Albert Pickl: Katalog des österreichischen Notgeldes 1916–1921, 2. Aufl., Berlin 1977.
  • Emil, Puffer: Das Notgeld im Linzer Raum nach dem Ersten Weltkrieg. In:  Historisches Jahrbuch der Stadt Linz, 1972, 247–280.
  • Puffer, Emil, Notgeld in Oberösterreich. Der Kleingeldmangel 1919/20 und dessen Behebung. In: Oberösterreichische Heimatblätter 32 (1978), 103–111.
  • Rudolf Richter: Notgeld Österreich. 1: Deutsch-Österreich und Nachfolgestaaten ab 1918 (1993). – 2: Österreich-Ungarn 1914 bis 1918. 1. Aufl. (1996). – 3: Lagergeld. Kriegsgefangenen-, Konzentrations-, Flüchtlings- und Interniertenlager in Österreich und der ehemaligen Donaumonarchie im 1. und 2. Weltkrieg sowie 1957 und Nebengebiete. 1. Aufl. Regenstrauf 1993, 1996, 1997.
  • Sonderausstellung Notgeld aus Oberösterreich, Kataloge des Oberösterreichischen Landesmuseums 112, 1982.
  • Fred Robert von der Trelde: Das Notgeld von Österreich ob der Enns 1914–1921, Wien 1921.


Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 14. November 2009