Revolutionäres Oberösterreich

Die Revolution von 1848 in Oberösterreich


Während der Linzer Polizeidirektor 1811 meinte, politische und öffentliche Angelegenheiten seien nicht Sache der Obderennser, begann sich im Vormärz sehr wohl revolutionäres Gedankengut in Oberösterreich zu regen.

Revolutionäre Regungen
1818 wurde am Linzer Lyzeum eine national und freiheitlich gesinnte deutsche Burschenschaft aufgedeckt. Im Mühlviertel, das nach Ansicht des Kreiskommissärs Mitte der 1820er Jahre „am Vorabend einer Revolution zu stehen“ schien, wurden Wortführer exemplarisch bestraft. Der politische Liberalismus konnte in den 1840er Jahren immer mehr Anhänger gewinnen. Einen besonderen „Hort freiheitlichen Denkens“ stellte das Salzkammergut dar. Man ortete dort eine ganze Reihe verdächtiger Personen: den Müller Käfer in Hallstatt, den „Bauernphilosophen“ Konrad Deubler in Goisern, den Naufahrer Rothsepperl und den hinteren Schmied in der Gosau. Der Pfleger von Wildenstein berichtete von „kommunistischen Ideen“ unter den Hallstätter Salinenarbeitern. Der liberale Rechtsanwalt Dr. Karl Wiser schrieb 1847 in seinem Tagebuch von einem dürren Feld, das durch einen Funken in Flammen aufgehen werde. Der Literat Julius von der Traun (Julius Alexander von Schindler) wartete darauf, dass das Regime Ferdinands (des Gütigen) wie ein Kartenhaus zusammenzustürzen erschien.

Ausbruch der Unruhen
In Linz erfuhr man immer erst einen Tag später von den Ereignissen in der Hauptstadt: Das war auch 1848 der Fall. Daher begann hier die Revolution erst am 15. März 1848. An diesem Tag wurde nach dem Wiener Vorbild eine Nationalgarde geschaffen, die für Ruhe und Ordnung sorgen sollte. Männer jeden Alters wurden rekrutiert und an sie wurden weiße Armbinden mit den Buchstaben „NG” ausgegeben. Man setzte sich breitkrempige Hüte auf, so genannte Kalabreser, und begab sich auf den Exerzierplatz zum Training. Wer keine Armbinde auftreiben konnte, für den tat‘s auch ein am Hut befestigter Zettel mit denselben Buchstaben. In der Führungsgarnitur setzte sich die Linzer Nationalgarde aus angesehenen Bürgern zusammen. Ausgebildet wurden die Gardisten vom Sekretär der k.k. Landwirtschaftsgesellschaft und Mitglied des Gewerbevereins Hauptmann d. R. Karl Schmutz. Das Oberkommando übernahm Johann Nepomuk Ungnad Graf v. Weißenwolff.

Delegation in Wien
Am 19. März 1848 beschloss der Linzer Magistrat als erste revolutionäre Handlung, eine Deputation nach Wien zu schicken, um dem Kaiser, den wackeren Mitbürgern von Wien und den revolutionären Studenten an der Universität Dankadressen für die Gewährung und Erkämpfung der Constitution zu übermitteln. Das war zweifellos etwas voreilig. Eine revolutionär gesinnte Gruppe von Linzer Bürgern verurteilte diese Dankadresse demnach auch als überhastet und forderte, damit zumindest zuzuwarten, bis die Verfassung wirklich erlassen und durch freie Wahlen abgesichert sei.
Nichtsdestotrotz: Am 22. März traf die Delegation unter der Führung von Dr. Friedrich v. Pflügl und Dr. Karl Wiser mit dem Dampfschiff in Wien-Nussdorf ein. Besonders die Teilnahme von Bauern an dieser Dankdelegation erregte in Wien Aufsehen: da die oberösterreichischen Bauern durch die hohe Ausbildung der Agrikultur und durch ihre in früheren Zeiten erkämpfte Stellung gegenüber der Feudalherrschaft in den übrigen Provinzen der Habsburgermonarchie als privilegiert betrachtet und als Vorbilder moralischer Kraft und materiellen Wohlstandes angeführt werden konnten. Das Ergebnis war eine mitgebrachte Fahne, die sich noch immer in den Sammlungen des Linzer Stadtmuseums Nordico befindet.

„Demokratienvereine“
Wirklich revolutionär gesinnt war die oberösterreichische Bevölkerung nicht. Der Unmut des freisinnigen Bürgertums richtete sich gegen die Jesuiten, die am 14. April 1848 aus ihrem Kloster am Freinberg vertrieben wurden. Es konstituierten sich „Demokratenvereine“. In Linz der Verein zur Bildung des Volkes und Wahrung seiner Rechte. Franz Stelzhamer war Ehrenmitglied. Es gab Radikale und Gemäßigte, Monarchisten und Katholisch-Konservative, die eine Reform der Kirche und ihre Lösung aus dem Josephinismus betrieben. Schwarz-rot-goldene Fahnen und deutschnationale Lieder umrahmten die Aufmärsche.

„Mostrevolte“
Das Hauptanliegen der meisten Linzer Stadtbewohner war die Aufhebung der Verzehrungssteuerlinie, an welcher die Lebensmittel beim Transport in die Stadt verzollt wurden und die daher die Lebenshaltungskosten in der Stadt viel teurer machte als außerhalb. Am wenigsten einsehen wollte man, dass auch der Obstmost in das Besteuerungssystem einbezogen war. Am 28. März 1848 kam es daher zur so genannten „Mostrevolte“. Etwa 400 Demonstranten hatten vor dem Landhaus recht vehement Verzehrungssteuerermäßigungen für Most gefordert.

Maschinenstürmereien gab es bei der Pferdebahn Linz-Gmunden. Hier wurden am 26. April 1848 von verarmten Stadler Schiffsleuten, denen die Pferdebahn ihren Erwerb geraubt hatte, die Schienen herausgerissen. Von einer Bestrafung wurde abgesehen.

Die Armen waren von der Preissteigerung und Missernte des Jahres 1847 am stärksten betroffen. Erbost waren die Linzer Armen, als sie Regierungsrat Graf Barth-Barthenheim, der Gründer der Allgemeinen Sparkasse, zu einem Festessen einlud und sie erst nachträglich informierte, dass er ihnen Pferdefleisch vorgesetzt hatte, um sie an dieses billigere und verachtete, aber nahrhafte Nahrungsmittel zu gewöhnen: „Graf Barthenheim gibt Euch Rossfleisch zum Essen, dass Ihr alle krank werdet. Nieder mit Ihm! Schlagt Ihn todt! Der Magistrat ist ein Räuber. Weg mit den Hunden ... Dierzer, Rädler und Grillmaier stehlen euch Arbeit und Verdienst, sie werden reich und Ihr arm, brennt ihre Fabriken nieder!“, stand auf einem in der Revolution von 1848 in Linz verbreiteten Flugblatt, das sich die „Dreißig Verschworenen von Linz 1848“ betitelte.

Streitfrage Grundentlastung
Das Hauptanliegen der Bauern war die Grundentlastung, die Beseitigung aller Abgaben an die Grundherrschaften und die volle und freie Verfügbarkeit über Grund und Boden. Die Regelung der bäuerlichen Lasten war im Frühjahr 1848 zu einer Hauptfrage geworden. Schon 1846/47 hatte Graf Adolf Ludwig von Barth-Barthenheim in einem Gutachten zur Beseitigung der Grunduntertänigkeit geraten. Die Landstände allerdings waren auf diese Vorschläge nicht eingegangen. Im oberösterreichischen Landtag, wo die Grundentlastung vom 29. April bis 31. August behandelt wurde, wurde ein obrigkeitenfreundlicher Entwurf angenommen, der allerdings durch das Grundentlastungspatent des Reichstags vom 7. September 1848 hinfällig wurde.

Der Landtag passte sich rasch den neuen Verhältnissen an und betrieb die Reform der Stände und Gemeindeverfassung und die Reform des Untertänigkeitsverhältnisses. Der Entwurf einer oberösterreichischen Landesverfassung mit dem einleitenden Satz „Oberösterreich ist ein einziges unteilbares Erzherzogtum“ wurde von den Ereignissen überrollt. Inzwischen war in den Reichstag gewählt worden. Von den 16 oberösterreichischen Vertretern kamen zwölf aus dem Bauernstand.

Die Grundentlastung in Oberösterreich

Offiziell wurden im heutigen Oberösterreich etwa 19,4 Millionen Gulden als Grundentlastungskapital ermittelt.

Offiziell wurden im heutigen Oberösterreich etwa 19,4 Millionen Gulden als Grundentlastungskapital ermittelt.
Die Bauern hatten 7,2 Millionen Gulden zu leisten, der Staat steuerte 5,3 Millionen bei, das Land 7,9 Millionen. Die Preisentwicklung in den „letzten goldenen Jahrzehnten“ der österreichischen und europäischen Landwirtschaft zwischen 1850 und 1870 erleichterte den Bauern die Tilgung. Bereits 1856 hatten die Bauern 6 Millionen bezahlt, Staat und Land hingegen noch nichts.

„Katzenmusik“
Ein mehr oder weniger aufrührerisches Spektakel waren auch in Linz die so genannten Katzenmusiken oder Charivaris, die unter Zuhilfenahme von Blechgeschirr und anderer schriller Instrumente vor den Fenstern missliebiger Persönlichkeiten, etwa des betont konservativen Kooperators der Linzer Stadtpfarre Albert von Pflügl, veranstaltet wurden. Als einer der Demonstranten, die den „geistlichen Herren ein grässlich klingendes Ständchen“ bereiteten, von einem aus den Fenstern einer Wohnung am Pfarrplatz sicherlich nicht zufällig herabgefallenen Blumengeschirr nur knapp verfehlt wurde, wäre am 2. Juni aus dem Volksfest beinahe blutiger Ernst geworden. Am Abend des 31. Juli war eine Menschenmenge zum Landhaus gezogen. Die Nationalgarde wurde mit Steinen beworfen. Einige Revolutionäre drangen ins Landhaus ein. Auch hier konnten die Leute beruhigt werden.

Abflauen der Revolution
Im Oktober 1848 war die Revolution in Linz vorbei. Mit der Durchsetzung der Grundentlastung war der revolutionäre Elan verpufft. Die Bauern hatten erreicht, was sie wollten, und daraufhin jedes weitere revolutionäre Interesse verloren. Die Adeligen, sofern sie überhaupt je revolutionär gesinnt gewesen waren, waren frustriert. Und die Bürger fürchteten die immer stärker werdenden Arbeitermassen und kommunistischen Umtriebe.

Als wesentliches politisches Ergebnis folgten aus der Revolution nur die Aufhebung der Grundherrschaft und die Konstituierung der Ortsgemeinden. Indem die heutigen Gemeinde-, Gerichts- und Bezirkssprengel geschaffen und die Untertanen formal zu Staatsbürgern gemacht wurden, war die Grundlage für die beginnende politische Formierung gegeben. Gleichzeitig wurde durch die Einführung der Gendarmerie parallel zur bereits vorhandenen Polizei in den Städten die öffentliche Sicherheit außerhalb der Städte gestärkt.

Linz und Provinz

Es ist das Schicksal von Linz, dass sich sein Name auf Provinz reimt. 1845 hatte Eduard von Bauernfeld den Reim von Linz und Provinz in sein Poetisches Tagebuch niedergeschrieben, das zwar erst ein Vierteljahrhundert später veröffentlicht wurde, aber seither als ein Thema mit Variationen verblieb.

Es ist das Schicksal von Linz, dass sich sein Name auf Provinz reimt. 1845 hatte Eduard von Bauernfeld den Reim von Linz und Provinz in sein Poetisches Tagebuch niedergeschrieben, das zwar erst ein Vierteljahrhundert später veröffentlicht wurde, aber seither als ein Thema mit Variationen verblieb: „Mit Cyankali hat‘s keine Eile! / Man kann auch ruhig sterben - vor Langeweile. / Wie in der Provinz, / Zum Beispiel in Linz.“

Zeittafe: Das Revolutionsjahr 1848
22. Februar
3. März
11. März
13. März
25. April
15. Mai
17. Mai
22. Juli
7. September
6. Oktober
7. Oktober
31. Oktober
2. Dezmeber

Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 19. Juli 2007