Kirchenbau zur Zeit der Romanik in Oberösterreich
Von der Architektur der zahlreichen Kloster- und Kirchengründungen des Früh- und Hochmittelalters haben sich in Oberösterreich kaum Bauten erhalten. Ihre Entwicklungsgeschichte muss mühsam durch Archäologie und Bauforschung erarbeitet werden und bleibt dennoch oft eine Rekonstruktion. In einigen Fällen konnte allerdings eine bis in frühchristliche Zeit reichende Bau- und Kultkontinuität erschlossen werden. Eindrucksvollstes Beispiel, weil als Ausgrabung museal zugänglich, ist die Laurentiuskirche von Enns-Lorch (Lauriacum). Dort wird die Abfolge zweier Basiliken des 4. und 5. Jahrhunderts und zweier frühmittelalterlicher Bauphasen (8. und 10. Jahrhundert) gezeigt. Die bestehende gotische Pfeilerbasilika wurde im 13. Jahrhundert errichtet. Oberösterreichs mittelalterliche Baukunst konnte zumindest regional auf eine ununterbrochene Bautradition von Steinkirchen aufbauen. Daneben existierten frühmittelalterliche Holzkirchen.
Frühmittelalterliche Holz- und Steinkirchen
Der Wechsel vom frühmittelalterlichen Holzkirchenbau zum Steinbau wird mehrfach durch Bodenfunde belegt.
Bei der erst 1930 geschleiften Quirinuskirche von Linz-Kleinmünchen wurde eine karolingische Chorquadratkirche in Schwellbalkenkonstruktion um 1000 durch eine gleichartige Steinkirche überbaut. Diese wurde von einem größeren romanischen Apsidensaal mit Westurm ersetzt und schließlich um einen gotischen Polygonchor erweitert. Die bauliche Kontinuität von frühmittelalterlicher rechteckiger Holzkirche mit Chorschranke in Ständerbautechnik, romanischer Chorquadratkirche und vollständiger Anlage mit Chorquadrat und Apsis wurde in St. Georg am Georgenberg bei Micheldorf ergraben.Neben diesen vereinzelten Funden von Holzkirchen in Ständer- oder Schwellbalkenkonstruktion bestanden schon in vorromanischer Zeit Steinkirchen, deren einfache Grundrissdispositionen nicht wesentlich von den bayerischen Kirchenfunden abweichen. Aus den späteren Befunden der Steinkirchen in Linz-Kleinmünchen und am Georgenberg geht hervor, dass im Kleinkirchenbau schon zu Beginn der Romanik das gesamte Spektrum an Kirchentypen Verwendung fand.
Bemerkenswert ist das vereinzelte Weiterleben von Holzkirchen bis in romanische Zeit. Dies wird einerseits durch die Schilderung in der Vita des Hl. Altmann (gestorben 1091) über den Zustand des Kirchenbaus angedeutet, andererseits durch den Fund einer Holzkirche mit Chorumgang unter der Filialkirche von St. Michael ob Rauhenödt archäologisch erhärtet.
Einer der ältesten im aufgehenden Mauerwerk noch erhaltenen Zeugen der frühmittelalterlichen Architektur in Österreich ist die Kirche St. Martin (Martinskirche) am Römerberg in Linz. Von einer 799 genannten Capella wurden die Fundamente eines kleinen apsidenlosen Rechteckbaus mit Schranke gefunden.
Schon der Nachfolgebau hatte die Größe des heutigen Langhauses, war aber als Zentralbau mit vier Mittelstützen konzipiert. Diese eigenartige Dreikonchenanlage besaß vermutlich einen Vierungsturm und wird von der Forschung kontroversiell beurteilt. Vorbilder werden einerseits im karolingischen Zentralbau nordspanischer Provenienz (Palastkapelle Theodulfs von Orléans, Germigny-des-Prés, 804) vermutet, andererseits könnte der Zentralbau auch erst zur Zeit Bischof Pilgrims von Passau (971–991) entstanden sein. Der rätselhafte Zentralbau ging bis auf vier Arkadenpfeiler zugrunde.
Frühromanik
Bereits als frühromanisch kann der Umbau von Linz-St. Martin zum Rechtecksaal, dem noch bestehenden Langhaus, bezeichnet werden. Er entstand durch Abmauerung der vorromanischen Arkaden. Die Wände werden durch gestaffelte Dreiergruppen von Nischen gegliedert, die gut zu einer Datierung Mitte 11. Jahrhundert passen.
Zu den beeindruckendsten baulichen Resten der Frühromanik gehört – nicht zuletzt wegen seiner Fresken - zweifellos der ehemalige Westchor der Klosterkirche von Lambach (geweiht 1089). Die bis auf den Westteil später veränderte Kirche wird als doppelchörige, dreischiffige Säulenbasilika rekonstruiert. Unter der westlichen Doppelturmanlage hat sich die halb unterirdisch angelegte frühromanische Krypta mit kreuzförmigem Grundriss erhalten. Das Obergeschoß schob sich dabei bühnenartig in das Langhaus. Der Typus der Westchoranlage von Lambach hat seine Vorbilder in Westanlagen der frühmittelalterlichen und frühromanischen Architektur Deutschlands, wie etwa in Reichenau-Oberzell, St. Ulrich in Augsburg oder Regensburg.
Hoch- und Spätromanik
Die zahlreichen romanischen Landkirchen des 12. Jahrhunderts wurden großteils schon in der Gotik erweitert, vor allem durch den Neubau der Choranlagen. Oft wurden auch die Langhäuser in der Gotik seitlich verbreitert und mehrschiffig umgebaut. Einen gewissen Einblick in die Baugepflogenheiten und Eigenheiten der oberösterreichischen Klosterbaukunst des 12. und frühen 13. Jahrhunderts geben die beiden Zisterzienser-Klosterkirchen von Wilhering und Baumgartenberg.
Das Zisterzienserstift Wilhering wurde zwar schon 1143 vom Stift Rein in der Steiermark aus besiedelt, doch konnte mit dem endgültigen Steinbau der Klosterkirche erst 1194 begonnen werden, nachdem die Stiftung durch Mönche aus Ebrach besiedelt wurde. Die Schlussweihe erfolgte 1254. Von diesem 1733 durch einen Brand zerstörten Bau blieb nur das Westportal mit der Umfassungsmauer erhalten, jedoch ist der Grundriss der romanischen Kirche planlich überliefert.
Es handelte sich um eine dreischiffige, flach gedeckte Pfeilerbasilika mit ausladendem Querhaus, Chorquadrat und Apsis. Der Bautypus entspricht eigentlich nicht dem zisterziensischen Planschema, sondern dem süddeutsch-schwäbischen „Crux-capitata-Typus“ des 12. Jahrhunderts, verhält sich also gegenüber den aus Frankreich kommenden Bauschemata konservativ. Erst 1267 werden an das Querhaus die vom „Bernhardinischen Plan“ (Fontenay) entlehnten, typischen Querhauskapellen angebaut. Die Wölbung wurde überhaupt erst im 14. Jahrhundert in den romanischen Bau eingehängt. Der Innenraum war dadurch von größter Schlichtheit und entsprach so dem zisterziensischen Ideal, allerdings auf Basis heimischer Bautypen.
Das 1207 bis 1214 errichtete Westportal weist als Stufenportal mit rundbogigen Archivolten romanische Stilelemente auf. Lediglich der Kapitellschmuck der Portalsäulchen orientiert sich an fortschrittlichen, frühgotischen Zierformen.
Das kurz vor Wilhering 1141 gegründete Zisterzienserstift Baumgartenberg hatte eine ähnliche nur schleppend anlaufende Baugeschichte. Ein Datum für den Baubeginn ist nicht überliefert, doch scheint sich die Bauzeit auf die Jahre um 1200 bis zur Weihe 1259 erstreckt zu haben. Einschneidende bauliche Veränderungen sind die Errichtung des gotischen Hallenumgangschores von 1436 bis 1446 nach dem Vorbild von Zwettl und die durchgreifende Barockisierung ab 1694, welche den größten Teil der spätromanischen Klosterkirche ummantelte.
Im Gegensatz zum konservativen und vom Typus her unzisterziensischen Kirchenbau in Wilhering, orientiert sich die nahezu gleichzeitig errichtete Kirche in Baumgartenberg am „Bernhardinischen Plan“: An die dreischiffige Pfeilerbasilika schließt ein Querhaus mit den typisch zisterziensischen, vermutlich rechteckigen Querhausapsiden an. Bereits gotisch ist das Gewölbesystem, indem nun nicht quadratische Joche, sondern schmale rechteckige Joche (Travéen) aneinandergereiht werden. Die Grundrissdisposition hat ihre nächste Parallele bei der Zisterzienserkirche von Morimond (Frankreich). Für die Arkaden des Langhauses wählte man zwar Rundbögen, in der Wölbezone hingegen den Spitzbogen. Der teilweise sichtbare Giebel der Kirchenfassade und die Außengliederung des Langhauses sind noch mit schweren Rundbogenprofilen gegliedert. Auch das rundbogige Stufenportal entspricht romanischen Baugepflogenheiten. Allerdings orientiert sich die stilistisch fortschrittlichere Kapitellzier an Vorbildern, wie sie im Kreuzgang von Zwettl verwirklicht wurden.
Dieses Spannungsverhältnis von spätromanischen und frühgotischen Stilelementen ist kennzeichnend für die Übergangszeit von der Spätromanik zur Frühgotik. Das Phänomen eines Stilpluralismus im frühen 13. Jahrhundert ist nicht auf Oberösterreich beschränkt, sondern findet sich vor allem bei gleichzeitigen Bauten der babenbergischen Ministerialen im Osten Österreichs. Der Übergang zur ausgebildeten Frühgotik ist schließlich an den Chorbauten und Portalen der Klosterbauten von Kremsmünster und St. Florian ablesbar.
Autor: Rudolf Koch, 2009