Im Rahmen von so genannten „Euthanasieprogrammen“ wurden in der Zeit des Nationalsozialismus systematisch Menschen ermordet, die in der nationalsozialistischen Ideologie als Gefahr für die „Volksgesundheit“ eingestuft wurden und deren Leben als „lebensunwert“ galt. Dazu wurden Menschen mit Behinderungen gezählt. Die Theorien, die schon seit Ende des 19. Jahrhunderts im Kontext mit Charles Darwins Lehre von der „natürlichen Auslese“ und dem Überleben des Stärkeren in der Natur breit aufgegriffen wurden, fanden im Nationalsozialismus übertragen auf den Menschen den Höhepunkt ihrer Grausamkeit. Menschen mit Behinderungen wurden als Gefahr für die so genannte „erbgesunde, arische Volksgemeinschaft“ dargestellt. Ihre Fortpflanzung sollte durch Zwangssterilisation und Ermordung systematisch gestoppt werden. Das Schloss Hartheim in Oberösterreich erlangte durch die Errichtung einer „Tötungsanstalt“, in der in den Jahren 1940 bis 1941 insgesamt 30.000 Menschen ermordet wurden, traurige Berühmtheit. Ein weiterer Ort, wo es zu Tötungen kam, war die Heil- und Pflegeanstalt Niedernhart bei Linz, die als Art „Zwischenanstalt“ vor der Tötung in Hartheim fungierte und in der es nach dem offiziellen Stopp der Euthanasieaktion im Jahr 1941 noch längere Zeit zur „wilden Euthanasie“ durch Pflegepersonal und Ärzte kam. Nahezu jede Gemeinde und viele Familien Oberösterreichs hatten Opfer durch die NS-Euthanasie zu beklagen. Doch wer kennt heute noch ihre Namen?
Einige Bürger aus der Mühlviertler Gemeinde Haslach an der Mühl – darunter als treibende Kraft der Schriftsteller Peter Paul Wiplinger, Bürgermeister Dominik Reisinger, Pfarrer Gerhard Kobler und insbesondere Mag. Thomas Engleder – haben versucht, den Schicksalen der Opfer ihrer Gemeinde nachzugehen und ein sichtbares Zeichen zu setzen. Durch die Errichtung einer Gedenktafel sollte den zehn in Hartheim und Niedernhart ermordeten Frauen und Männern aus Haslach ihre Identität und Geschichte wiedergegeben werden. Die Namen, Lebens- und Sterbedaten wurden als mahnendes Gedächtnis auf einer Tafel in den Boden vor der Haslacher Kirche bei den Kriegerdenkmälern zum Ersten und Zweiten Weltkrieg eingelassen.
Von einer ersten Idee, die bereits im Rahmen einer Lesung des Schriftstellers Peter Paul Wiplinger vor 5 Jahren ausgesprochen wurde, bis zur Anbringung der Gedenktafel war es ein langer Weg: „Diese Zeichensetzung soll nicht nur zur Erinnerung sein, sondern auch eine Mahnung und ein Appell, rechtzeitig und entschieden gegen jede Form von Ausgrenzung, Rassismus und Inhumanität aufzutreten.“
Geplant ist die weitere Erforschung des Lebens und der Schicksale dieser zehn Menschen aus Haslach, die durch die NS-Euthanasie grausam zu Tode kamen.
Elisabeth Kreuzwieser, Jänner 2015