Gewicht ist nicht alles, aber es beeindruckt trotzdem: Sechseinhalb Kilo wiegen die zwei Bände des Heimatbuchs von St. Roman insgesamt. Gut 1.700 Einwohner leben dort, 1.177 Seiten hat das Buch. Rechnerisch hat also jeder Gemeindebürger fast eine Seite für sich. Ein dritter Band wird in Bälde folgen - die Häuserchronik. Darin wird sich wirklich jeder Bewohner wiederfinden können. So ließe sich das Werk von Eduard Wiesner und seines Co-Autors Siegfried Kristöfl mit Zahlen beschreiben, was aber nicht im Ansatz dem inhaltlichen Gewicht und vor allem dem engagierten Anspruch des Werks gerecht wird.
St. Roman liegt im Norden des Bezirks Schärdings bzw. an der Südflanke des Sauwalds und lag einmal jenseits, dann wieder diesseits der bairisch-österreichischen Grenze. Aufbauend auf kleine Vorarbeiten lokaler Heimatforscher wird die gar nicht so unbedeutende Geschichte des Ortes erzählt: Vom sagenhaften Anfang der Erbauung einer Kirche in Altendorf beginnend, erhält auch die bayrische Zeit, also die Jahrhunderte vor 1779 bzw. 1816 eine ausführlich Berücksichtigung. Der Großteil der Geschichte ist vom Westen her zu sehen, nicht vom Osten. Ein Umstand, der nicht von vielen anderen Innviertler Heimatbüchern akzeptiert wird.
Eine sehr gute Quellenlage für die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts, besonders auch des Ersten Weltkriegs, gibt die Basis für detailreiche Schilderungen alltagsgeschichtlicher Dimension. Das sehr gut lesbare Buch bietet vielfältige Streifzüge durch die Lebenswelt der „kleinen Leute“. Größer gemacht als sie sind, haben sich die „Rominger“ kaum, lehrten ihnen doch ihre Erfahrungen, dass es klüger ist, sich zurück zu halten, vor allem, wenn sich Obrigkeiten näherten.
Aber nicht nur Geschichte und Gemeindepolitik sind Themen, sondern ein breiter Begriff von Heimatforschung bringt viele Erkenntnisse, die auch für „Nicht-Rominger“ interessant sind. Das Werk ist eine Fundgrube an Informationen. Musik, Religion und Volkskultur etwa - ein Max Kislinger hat sich gerne hierorts aufgehalten und geforscht - werden bearbeitet, genau so wie der Naturraum und die Landwirtschaft beschrieben.
Die große Stärke des Werkes macht der professionelle und liebevolle Umgang mit den vielen Fotos aus. Eduard Wiesner gelang es, eine Menge an Material von der Bevölkerung zu beschaffen, und es mit hoher Qualität auszuwerten und zu präsentieren.
Einen speziellen roten Faden durch das Heimatbuch stellen Erinnerungsinterviews mit Vertretern aller Generationen dar. Allein schon daraus entsteht ein Abbild des gesellschaftlichen Lebens und seines Wandels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dem sich (heuer) jubiläumshaft-rechnerisch aufdrängenden Fokus auf den Ersten Weltkrieg stellen sich die Autoren mit Hilfe der Schulchronik, die, vom Dorflehrer penibel geführt, viele Details über die Situation im Hinterland enthält und aus der die Atmosphäre der schwindenden Euphorie und die letzten Züge der Monarchie destillierbar sind.
Bezugsmöglichkeit: Gemeinde St. Roman, Tel.: +43 (0)7716/73 59-0
Preis: € 48,--/Band
Schlagworte: Heimatbuch - Lokalgeschichte - St. Roman - Schärding