Riedl, Gerhard: Das Grenzgebiet an der unteren Enns. [Kronstorf] 2015

am 04.10.2016
 von Gerhard Riedl
Riedl, Gerhard: Das Grenzgebiet an der unteren Enns. Versuch einer Spurensicherung. [Kronstorf] 2015, 327 Seiten. Mit Illustrationen. ISBN 3-9501725-4-8

 

Das Grenzgebiet an der unteren Enns - Versuch einer Spurensicherung

 

 

Wie spannend Geschichte sein kann, zeigt das Gebiet an der unteren Enns. Es hat einiges zu bieten. Zunächst nutzten die Römer diese strategisch wichtige Region, dann drängten die Osmanen an die Enns. In vielen Kapiteln des Buches, wird die Verteidigung der Enns-Linie thematisiert, da an dieser natürlichen Grenze, immer wieder Gefechte und Kriege hochkochten. Es ist unserer Generation kaum noch im Bewusstsein, dass mehrmals eine Befestigungslinie von Steyr abwärts bis zur Ennsmündung errichtet wurde. In Steyr, Münichholz, entstand 1683 zur Türkenabwehr ein verbesserter Schutz aus "Pallisaden und spanische Reuter“, die Unsummen an Gulden verschlangen. Obwohl der 254 km lange Fluss nur auf einer Länge von etwa 30 km eine Grenzfunktion zwischen Ober- und Niederösterreich hat, spielte hier der militärische Einfluss eine größere Rolle als anderswo im Land. Wie wichtig dem Heer der Ennsübergang erschien, geht daraus hervor, dass 1806 eine „Brückenstadt“ geplant war, wozu jährlich 40 Mio. Ziegeln auf 300 Ziegeltischen zu schlagen gewesen wären. Die Dauer des Projektes war mit sechs Jahren veranschlagt. Noch zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde mehrmals daran gearbeitet die Enns als Befestigungslinie auszubauen. Das Militär, zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Macht, nahm in diesem Gebiet enorm viel Einfluss. Dies wirkte sich auch auf die Infrastruktur aus. Unter Einflussnahme des Militärs wurde die Kronprinz-Rudolf-Bahn östlich der Enns gebaut, obwohl sie eine Zeit lang, als Bahn-Projekt „Bruck - Enns“ geführt wurde und an der oberösterreichischen Uferseite geplant war. Aber auch während der Gründung der Republik wurde an der Enns der Personen- und Warenverkehr kontrolliert. Die Grenzfunktion der Enns nach dem Zweiten Weltkrieg ist uns noch allen in Erinnerung.

 

 

Der Begriff Grenze hat vielfältige Bedeutungen, und so spielten am Grenzfluss Enns die Erwerbsmöglichkeiten und der Verkehr eine andere Rolle als im Landesinneren. Hier wurde den Überfuhren große Bedeutung eingeräumt, deren Besitzer verpflichtet waren für die Obrigkeit den Schmuggel zwischen Ober- und Niederösterreich zu beobachten. Anfang des 18. Jahrhunderts meldeten sie, dass am Wochenmarkt Steyr „Getraid und ander früchthen versilbert“ werden. Und die Enns war noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts, man kann es heute kaum glauben, der wichtigste Transportweg, denn neben der Salz- und Eisenbeförderung, hatte die Flößerei auf der Enns eine lange Tradition. Über mehrere Jahrhunderte schwammen flussabwärts unzählige Baumstämme, die von Steyr wegen seiner Wasserrechte penibel kontrolliert wurden. In Gegenrichtung wurde die Enns schiffbar gemacht um die Stadt Steyr mit Waren zu beliefern. So bekam z. B. die Braumeisterin Pachnerin in Steyr Gerste oder ein Steyrer Messerer Ochsenklauen vom Schiffsmeister Peterbauer aus Enns; er musste an das Magistrat Steyr für 100 Ross Mautgeld zahlen.

 

 

Für die Region waren besonders die Veränderungen des Enns-Gerinnes bedeutsam. Die von Hochwässern verursachten Grenzverschiebungen stellten nicht nur das Flussbauamt vor große Aufgaben, sondern lösten auch Streit zwischen Herrschaftsuntertanen aus, die vom Landesherrn entschieden werden mussten.

 

 

Aber auch andere Themen wie: die Entwicklung der Schule, das riesige Dekanat Lorch, die Herrschaft Burg Enns, das Landgericht, das „Treiben in Piburg`s Au“, die Jagdpachten, von Herumziehenden die Angst auslösten, die Revolution 1848 oder eine kurze Geschichte über die Entstehung der Landwirtschaftsgenossenschaften, in deren Bündnis der St. Valentiner Josef Stöckler und der Kronstorfer Florian Födermayr eine führende Rolle einzunehmen verstanden, wurden in der Publikation behandelt. Die kleinen Orte hatten es neben der kaiserlichen Stadt Enns nicht immer leicht. Die Landbevölkerung war stets durch Versorgungsleistung, Zugrobot und als Quartiergeber gefordert. Über die Lebensumstände an der Enns wird im Zusammenhang mit der Einführung eines „Kronstorfer-Urbariums“ der Herrschaft Steyr im Jahr 1647 berichtet. Interessant sind auch die Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Maut, die sich zwischen Ennsdorf und der Stadt Enns ergaben. Nach Durchsicht der 80 Kapitel des Buches, haben Sie neue Erkenntnisse über diese Region gewonnen - Sie erhalten einen sogenannten „geschichtlichen Mehrwert“. Es ist mittlerweile vieles in Vergessenheit geraten, so zum Beispiel das Kuriosum über mehrjährige Versuche mit Aussaatkörnern unter der Qualitätsbezeichnung „Schmiedinger-Winterroggen“. Auch wird kaum jemandem bekannt sein, dass das Saxlgut im Teufelsgraben und die Hengstenschau in Enns in Verbindung standen. Zu den großen Überraschungen der Recherchen gehört bestimmt auch das Auffinden von Unterlagen über die Existenz einer Kronstorfer Schiffsmühle an der Enns, die bereits im "Eintragsbuch der Auflagegebühr 1624" in der St. Florianer Müller-Handwerksordnung aufscheint. Obwohl sie im 19. Jahrhundert noch in Betrieb war, geriet auch ihre Existenz in Vergessenheit.

 

 

Als die Region im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts unter viel Leid zu neuer Blüte gelangte - Steyr wurde Industriehochburg, in Münichholz entstand eine Mustersiedlung und die Enns wurde Stromlieferant - wurde sie wegen seiner Wirtschaftsleistung Angriffsziel. Erst nach 1955 entwickelte sich hier durch die Stabilisierung einer Demokratie, ein „geschützter Lebensraum“ und die Region ist für viele zu einer neuen Heimat geworden.

 

 

In diesem 328-seitigen neuen Werk wird ganz klar, dass Heimat und Grenzen weitläufige Bedeutungen haben und Geschichte nicht an einer Ortsgrenze endet; denn es gibt sehr viele Zusammenhänge von Stadt und Land mit sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten. So spannt sich im Buch ein Bogen, der nicht nur Dramen und Tragödien, sondern auch die Erfolgsgeschichte des heute so attraktiven Wirtschaftsraums einbezieht. Das Werk ist nicht nur für Historiker interessant, sondern für alle Menschen, die sich für die Entwicklung in der Region an der unteren Enns interessieren.

 

 

Das Buch ist per Telefon (07223-87291) oder Mail: gerhard.riedl@tele2.at oder im Buchhandel zum Preis von € 35,-- zu beziehen.

 

 

 

 

 

Gerhard Riedl