Regionaltreffen
Geschichte ordnen & vermitteln

Donnerstag, 18. September 2025, Oepping und Rohrbach-Berg

Wie bekannt erhielt der Heimatverein des Bezirks Rohrbach vor einem Jahr (2024) den Volkskultur-Förderpreis des Landes OÖ. Und in dem bald kommenden Jahr (2025) wird er seinen 70. Geburtstag feiern. Die ARGE Regional- und Heimatforschung OÖ – Mitglied im OÖ Forum Volkskultur – organisierte kürzlich für interessierte Forscher/innen aus ganz Oberösterreich einen Besuch, um die Arbeit des Vereins genauer kennenzulernen und dessen Engagement zu würdigen.
 
Seinerzeit begannen die Gründerväter, sich um die Denkmalpflege in der Region anzunehmen, archivalisch zu sammeln - Fotos, Zeitungsartikel, Sagen -, und heimatkundliche Unterrichtsmaterialien herzustellen. Heute sind die Tätigkeiten des Vereins noch breiter gefächert. Wir einigten uns in der gemeinsamen Vorbereitung für das Treffen auf die Schwerpunkte „Geschichte ordnen und vermitteln“. Damit waren auch die Etappenziele des Besuchs fixiert. 

Den Auftakt des Regionaltreffens bildete die Besichtigung des Vereinsarchivs, das im Frühjahr ins Schloss Götzendorf in Oepping übersiedelt und neu eingerichtet wurde. Das Archiv bewahrt an seinem mittlerweile fünften Standort u. a. Dias und Karteikarten zu Kleindenkmälern, Mühlviertler Schriften sowie zahlreiche Werke mit Oberösterreich-Bezug. Die Teilnehmer/innen der Exkursion schmökerten und blätterten, zogen Bände und Bilder aus den Regalen und Schubern: Ein analoges Surfen und Scrollen, ein inspiriertes Suchen, ein erstes Eintauchen in die Materialfülle und in eine geordnete Geschichte. Nach Voranmeldung bei Archivar Anton Brand steht der Zugang allen Interessierten offen. In der abschließenden Diskussion tauchte die Variante auf, dokumentarisches Kulturgut aus privaten Beständen en gros zu übernehmen. Dieser Gedanke stieß bei den Verantwortlichen aber auf Skepsis, allein weil die praktische Umsetzung den Rahmen des laufenden Betriebs wohl sprengen würde.

Anschließend stand der Besuch des neu gestalteten und erweiterten Stadtgeschichtsraumes in Rohrbach-Berg auf dem Programm. Qualitätvoll gestaltet wird hier die Geschichte von Rohrbach und Berg inmitten des Mühlviertels präsentiert. Die Arbeitsgruppe "Stadtgeschichte" der Museumsinitiative Rohrbach zeichnet für die Betreuung verantwortlich – Albert Ettmayer und Anton Brand boten eine spannende Führung und fachkundige Informationen. Sie lenkten den Blick auf Details, um die Existenz von historischen Räumen zu verdeutlichen. Und wieder einmal zeigte es sich, dass personale Vermittlung durch Kurator/innen oder versierte Kenner/innen unersetzlich ist, egal wie up to date auch immer mediale Elemente in einer Ausstellung platziert werden. Exklusiv durften die Gäste einen Blick auf originale Urkunden aus dem Stadtarchiv werfen. Im regulären Betrieb wird damit auch für Nicht-Geschichtsforschende die Begeisterung für den Weg „ad fontes“ geweckt.  Derzeit arbeitet die Projektgruppe an der Transkription sämtlicher Urkunden, um sie sowohl für die Forschung als auch für die Vermittlung besser nutzbar zu machen.

Den Abschluss des Study Visits bildete eine Einkehr ins Landgasthaus Dorfner, wo Obmann Franz Saxinger den aktuellen Vorstand, die gewachsene Struktur sowie die vielfältigen Aufgabenbereiche des Heimatvereins vorstellte. Diese reichen von der Führung des Archivs, der Denkmalpflege und Organisation von Bezirks-Veranstaltungen über die Herausgabe der Zeitschrift "Kultur und Geschichte im Bezirk Rohrbach" (Heft 37 erschien im September 2025) bis zur Betreuung der Bezirks-Topothek. In dieser Fotodatenbank schließt sich für den Heimatverein elegant ein Kreis: Analoge Bestände aus dem Bezirksarchiv verschränken sich mit den Digitalisaten. So finden sich eingescannt auch die publizierten Artikel eines Vitus Ecker, einem der Begründer des Vereins. Gesteigert werden die Zugriffszahlen durch eine Art Cross-Media-Marketing von Facebook-Hinweisen auf neues Material in den Topotheken. Ignaz Märzinger nützt dafür auch sein privates Kontakt-Netzwerk und zeigt exemplarisch, wie die Kommunikation von heimatforscherischem Arbeiten in den persönlichen Alltag integriert ist. Prozesse müssen praktikabel sein. Und soziale Medien sind schon längst in die Kommunikation eingesickert, um bestimmte Zielgruppen zu erreichen.

Beeindruckt waren die Gäste aber vor allem von den lebendigen Projekten des Vereins, die regionale Geschichte an junge Generationen vermitteln. So haben etwa Schüler/innen Entnazifizierungsakten im OÖ Landesarchiv erforscht. Derzeit entsteht im Rahmen einer Matura-Arbeit ein Prototyp für einen Geschichts-Podcast, den der Verein weiterführen möchte. Das ist ein Experiment. Aber nur durch ein aufgeschlossenes Zulassen und optimistisches Ausprobieren können dauerhaft neue Forschungs- und Vermittlungsformate entstehen. In dieses Horn stieß auch der Volkskultur-Experte Klaus Huber, der als Gast dabei war und davon beeindruckt seine nächste Kolumne in den OÖ Nachrichten verfasste.

Den Aktiven gelingt es, die würdigen Vereinsziele der Gründer – „Volksbildung und Heimatpflege“ - nicht nur von einem Jahrhundert ins andere zu heben, sondern auch im 21. Jahrhundert zu verankern. Vor 70 Jahren wurde der Verein von Lehrern ins Leben gerufen, und einer ihrer ersten Tätigkeiten war die Gestaltung der „Bausteine zur Heimatkunde“. Was damals ein Novum war, wirkt heute in seiner Form veraltet. Seinerzeit bedeutete Vermittlung vor allem fundierte Wissensweitergabe. Heute soll emotionale Anschlussfähigkeit zu Inhalten erreicht werden. Damals dominierte pädagogisch Frontalunterricht. Den Anspruch, allein durch einen schriftlichen Unterrichtsbehelf die Vermittlung seiner Heimat abzudecken, stellt niemand mehr. Jede und jeder weiß, dass die individuellen Sichtweisen von „Heimat“ nicht durch eine lokale Fixierung auf den Wissens-, Zahlen- und Faktenkanon von politischen Gemeinden angesprochen werden.

Parallel wurde der Begriff „Vermittlung“ mehrdeutig verwendbar: Für das Publizieren und Verfassen genauso wie für das Bereitstellen von Materialien oder für das Präsentieren und Aufbereiten von Themen. Vermittlung soll junge Menschen an Kultur und Geschichte heranführen, soll Nachfolger/innen für die Vereinsarbeit sichern und das Publikum von morgen entwickeln. Sie soll den Wunsch erfüllen, Kultureinrichtungen zu verjüngen und neue Perspektiven zu gewinnen. Kulturvermittlung ist in der Theorie ein Desiderat, Hoffnungsträgerin und ein scheinbarer Alleslöser. Sich als ehrenamtlicher Verein damit ambitioniert in der Praxis zu beschäftigen, macht den Bezirksheimatverein zu einem Vorreiter. Sein Vorstand erkennt Chancen im Neuen und akzeptiert einen möglichen Perspektivenwechsel. Damit sollte sich der Wunsch, der in der Laudatio bei der Verleihung des Landespreises formuliert wurde, erfüllen: „So wie die innovativen Ideen nicht ausgehen mögen, wünscht die Jury dem Verein, dass ihm auch die Engagierten nicht ausgehen, um die Leistung fortzusetzen.“

Siegfried Kristöfl, September 2025