Mediävistische Forschung in Oö.

Erinnerungskulturen in Klöstern und Städten
Schon früh besann man sich in den Klöstern im heutigen Oberösterreich auf die eigene Vergangenheit. So legte man schon im 9. Jahrhundert im Kloster Mondsee ein Traditionsbuch an, in dem alle Schenkungen (Traditionen) an das Kloster zur Wahrung der Rechtssicherheit verzeichnet waren. Ähnliche Traditionsbücher sind auch aus anderen Klöstern erhalten, etwa aus dem Stift Reichersberg.

Auch die Wurzeln von Geschichtsforschung in unserem heutigen Sinn lassen sich schon seit dem späten Mittelalter feststellen. Anfang des 14. Jahrhunderts beschäftigte sich der Kremsmünsterer Mönch Berchtold, seit dem humanistischen Geschichtsschreiber Aventin fälschlich als „Bernardus Noricus“ bezeichnet, intensiv mit der damals schon über 500-jährigen Geschichte seines Klosters. Dabei wurden nicht nur die ältesten schriftlichen Zeugnisse neu untersucht und verarbeitet, sondern auch Legenden eingearbeitet, etwa die berühmte Gründungslegende um das Stift Kremsmünster, wonach das Kloster an der Stelle errichtet worden sei, wo Gunther, der Sohn des Bayernherzogs Tassilo III., bei einer Jagd den Tod gefunden habe; vor 1300 ist diese Legende nämlich nicht belegbar.

In der Barockzeit entstanden in den großen oberösterreichischen Klöstern - in Kremsmünster ebenso wie in Lambach oder Garsten - Stiftschroniken, die von den Anfängen der Klöster im Mittelalter bis zur eigenen Zeit reichten. Oft mischten sich darin aber viele Mythen unter die historisch weitgehend gesicherten Fakten.

Die landesfürstlichen Städte Oberösterreichs stützten ihren Rechtsstatus auf eine Reihe von mittelalterlichen Privilegien sowie weiteren Urkunden, die Einzelaspekte des Zusammenlebens regelten. Besonders in der Frühen Neuzeit wurden diese Urkunden zur Rechtssicherung gesammelt und in eigenen Freiheitenbüchern zusammengefasst, etwa in der Welser Pancharte von 1582.

Das 19. Jahrhundert – Die Gesellschaft für Landeskunde
Ähnlich wie in den meisten anderen Gebieten des ehemaligen Heiligen Römischen Reiches entwickelte sich nach den Napoleonischen Kriegen und dem Wiener Kongress (1814/15) eine geistige Strömung, die sich durch ein besonderes Interesse an der Vergangenheit und dabei insbesondere am Mittelalter auszeichnete. Unter der Federführung des Rechtsgelehrten Anton Ritter von Spaun wurde zum Zwecke der Erforschung der oberösterreichischen Geschichte 1833 der Verein des vaterländischen Museums für Oesterreich ob der Enns mit Inbegriff des Herzogthums Salzburg gegründet, die spätere Gesellschaft für Landeskunde - Oberösterreichischer Musealverein. Ritter von Spaun war ein typischer Vertreter der Romantik, stand in engem Kontakt mit herausragenden Künstlern wie Franz Schubert und Adalbert Stifter, dichtete und malte auch selbst. Neben seinen Interessen für die Tier- und Pflanzenwelt prägte ihn auch die Sorge, dass Historisches verloren gehen könnte. Schon wenige Monate nach der Gründung des Vereins zählte dieser über 800 Mitglieder. Nach seinem besonderen Förderer aus dem Kaiserhaus, Erzherzog Franz Karl, dem Vater des späteren Kaisers Franz Joseph I., wurde auch das erste Vereinshaus an der Promenade in Linz Carolinum genannt, ein Name, der sich später im Namen des Oberösterreichischen Landesmuseums als Franscisco Carolinum erhalten hat.

Im Zentrum der Aktivitäten des Vereins stand zunächst das Sammeln von historischen Exponaten, die für die Erforschung der Landesgeschichte von Bedeutung sein konnten. Auch erste archäologische Grabungskampagnen in Lauriacum, Schlögen und an anderen Orten brachten zahlreiche Fundstücke zutage, sodass das Vereinshaus an der Promenade schon bald aus allen Nähten platzte. Bis zur Eröffnung des Landesmuseums sollte es allerdings noch bis 1895 dauern.
Ein Großprojekt bildete von Beginn auch die Erstellung eines Urkundenbuches des Landes ob der Enns, das die Urkunden bis 1400 erfasst. Es soll noch 2009 mit einer neuen Serie, die nach Städten bzw. Bezirken gegliedert ist, weitergeführt werden.

Mediävistische Geschichtsforschung in Oberösterreich im 20. und 21. Jahrhundert

Die Mittelalterforschung in Oberösterreich hat seit jeher mit dem Manko zu kämpfen, dass es in Oberösterreich keinen Universitätsstandort gibt, an dem ein Vollstudium der Geschichte angeboten wird. So waren es neben dem Oberösterreichischen Musealverein – Gesellschaft für Landeskunde vor allem das Oberösterreichische Landesarchiv sowie weitere an Museen und Archive angebundene historische Vereine, in denen vorrangig Landesgeschichtsforschung auf einem wissenschaftlichen Niveau betrieben wurde und wird.

Oberösterreichisches Landesarchiv
Das Oberösterreichische Landesarchiv beherbergt den größten Teil an historischen Quellen zur Geschichte Oberösterreichs im Mittelalter. Diesem Umstand wird auch durch eine rege Publikationstätigkeit Rechnung getragen, die in der unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs veröffentlicht werden. Direktoren und Mitarbeiter des Archivs wie Alois Zauner oder Siegfried Haider haben in der Vergangenheit maßgebliche Publikationen zur Landesgeschichte Oberösterreichs hervorgebracht. Auch am Diözesanarchiv Linz sind traditionell wissenschaftliche Forschungen zur Kirchengeschichte Oberösterreichs beheimatet.

Archiv der Stadt Linz
Das Archiv der Stadt Linz, beheimatet im Neuen Rathaus, bewahrt eine größere Zahl an Dokumenten aus dem Mittelalter auf und knüpfte daran stets auch Forschungen, etwa die Herausgabe der Rechtsquellen der Stadt Linz durch den ehemaligen Direktor der Archivs, Fritz Mayrhofer. Der Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit des Linzer Stadtarchivs liegt heute aber eindeutig auf der Zeitgeschichte.

Musealverein Wels
Aus dem städtischen Museum und Stadtarchiv Wels heraus konstituierte sich 1954 unter der Federführung des Kunsthistorikers Kurt Holter und des Museumsdirektors Gilbert Trathnigg der Musealverein Wels, der seit 1954 ein Jahrbuch mit wissenschaftlichen Beiträgen zur Geschichte der Stadt Wels und seiner Umgebung herausgibt, weiters die Sonderreihe Quellen und Darstellungen zur Geschichte von Wels publiziert (bisher 10 Bände).

Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung
Ebenfalls mit Oberösterreich verbunden ist der Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, der 1969 in Linz gegründet wurde und hier nach wie vor seinen Sitz hat. Ziel des Vereins sind die Koordination stadtgeschichtlicher Forschung in Österreich sowie deren internationale Vernetzung. Alle zwei Jahre veranstaltet der Arbeitskreis internationale Fachtagungen, die in einer eigenen Reihe publiziert werden. Besonderes Augenmerk gilt auch der Erarbeitung des Österreichischen Städteatlasses, der zahlreiche Mappen zu oberösterreichischen Städten enthält.

Autor: Christian Rohr, 2009