Volkskultur

Das nationalsozialistische Kulturverständnis basierte auf der Vorstellung der gemeinsamen Weltanschauung einer rassenbiologisch bedingten Volksgemeinschaft. Die Volkskultur sollte sichtbarer kultureller Ausdruck dieser Volksgemeinschaft sein.

Gauheimatpflege
Der 1888 in Budapest geborene Dr. Adalbert Depiny, seit 1920 Landesreferent für das Volksbildungswesen in Oberösterreich und Herausgeber der Heimatgaue (später Der Heimatgau) als Zeitschrift für Landes- und Volkskunde, hatte die wissenschaftliche Volkskunde in Oberösterreich begründet. 1934 bekleidete er das Kulturreferat der Vaterländischen Front und wurde nach dem Anschluss von den Nationalsozialisten zwangspensioniert. Seine Agenden übernahm der 1887 in Pregarten geborene Braunauer Arzt DDr. Eduard Kriechbaum als Gauheimatpfleger und Referent für das ländliche Volksbildungswesen. Kriechbaum hielt zahlreiche Vorträge in ganz Oberdonau – ganz im Sinne eines nationalsozialistischen Volkskulturverständnisses, das eng mit der völkischen Blut-und-Boden-Ideologie zusammenhing.

Mittelstelle deutscher Bauernhof
Ideologisch überfrachtete Agrarromantik lag auch der Mittelstelle deutscher Bauernhof zugrunde – eine im Auftrag des Reichsbauernführers in Oberdonau vom Architekten Rudolf Heckl aufgebaute Einrichtung, die sich der Bauernhausforschung und der landwirtschaftlichen Bauberatung verschrieb.

Volkskundeabteilung des Landesmuseums
Neben dem Gauheimatpfleger und der Mittelstelle gab es noch weitere amtliche und halbamtliche Einrichtungen im Bereich der Volkskultur. Die im Jänner 1939 gegründete Volkskundeabteilung des Landesmuseums unter Leitung von Dr. Franz Lipp, die zunächst im Konventstrakt des Stiftes Wilhering untergebracht wurde, gehörte dazu. Nach mehrmaligen luftschutzbedingten Verlagerungen landete die Sammlung (hauptsächlich Bauernmöbel und -geräte) schließlich in Schloss Mühldorf in Feldkirchen an der Donau und kam erst nach Kriegsende wieder zurück nach Linz.

Heimatwerk
Lipp stand auch der Gaustelle für Volkstumsarbeit in Oberdonau vor. Von den geplanten Fachgruppen der Gaustelle (Heimatwerk, Volkslied und Volkstanz, Bauberatung, Trachtenpflege und Brauchtum) wurde lediglich die Errichtung des Heimatwerkes umgesetzt. Im Juli 1939 rückte Lipp zur Wehrmacht ein; von diesem Zeitpunkt an ruhte die Arbeit der Gaustelle weitgehend. Das Heimatwerk jedoch bestand weiter, ab Ende 1940 als Verein mit dem Ziel, bäuerliches Kunsthandwerk und Volkskunst zu fördern.

Gauausschuss Oberdonau des Ostmärkischen Volksliedunternehmens
Eine weitere volkskulturelle Einrichtung war der im Herbst 1938 eingerichtete Gauausschuss Oberdonau des Ostmärkischen Volksliedunternehmens, dem Hans Commenda, später Ernst Burgstaller und Hermann Derschmidt vorstanden. Der Gauausschuss war der Vorläufer des 1946 neu gegründeten oberösterreichischen Volksliedwerkes. Auf die Volksmusik und einen „gemeinsamen Liedschatz des Volkes“ wurde von Seiten der NS-Kulturzuständigen großer Wert gelegt. Gaupropagandaleiter Rudolf Irkowsky begann sich 1941 massiv in die Musikpolitik einzuschalten. Ihm war aufgefallen, dass bei regionalen Veranstaltungen der Partei kaum Lieder gesungen wurden. Er forderte deswegen die Förderung eines „einheitlichen, nationalsozialistischen Liedgutes“. So wurde im Mitteilungsblatt des Gaupropagandaamtes Oberdonau monatlich jeweils ein (politisches) Lied abgedruckt, das bei Versammlungen einstudiert werden sollte.

Von der Neuordnung des Vereinslebens und der Eingliederung von Verbänden in reichsdeutsche Organisationen waren auch Vereine der Volkskultur betroffen. Unmittelbar nach dem Anschluss hatte jede organisatorische Tätigkeit von Vereinen vorläufig zu ruhen. Zur Umsetzung dieser Vorgabe wurde eine eigene, bis Ende 1939 tätige Dienststelle in Wien, der Stillhaltekommissar für Vereine und Verbände, geschaffen. Beauftragter dieser Dienststelle in Oberdonau war Willy Schiffer. Der Stillhaltekommissar wurde gemäß dem Gesetz über die Überleitung von Vereinen, Organisationen und Verbänden vom Mai 1938 mit der Aufgabe betraut, ein eigenständiges österreichisches Vereinsleben zu unterdrücken und nur Vereine weiter bestehen zu lassen, die im nationalsozialistischen Sinne existenzberechtigt waren (der Terminus hierfür lautete Freistellung). Diese Vereine sollten jedoch Organisationen der Partei unterstellt oder in Reichsinstitutionen eingegliedert werden. Andere Vereine waren aufzulösen.

Heimat- und Trachtenvereine
Die Heimat- und Trachtenvereine konnten – eingegliedert in das Amt Feierabend der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ – weiter bestehen, wenngleich sie der Nationalsozialismus als überflüssig ansah, da die Trachtenpflege nun nicht mehr Sache von Vereinen, sondern Allgemeingut und politische Aufgabe sein sollte.

Blasmusikkapellen
Mehr Wertschätzung brachte man den Blasmusikkapellen entgegen. Sie hatten eine große Bedeutung für die Umrahmung politischer Feiern und Kundgebungen und erhielten so meist sehr rasch die Freistellung. Allerdings war die Mitgliedschaft in der Reichsmusikkammer verpflichtend. Sämtliche Konzerte abseits der Umrahmung politischer Veranstaltungen unterlagen der Genehmigung durch die Partei. Mit Fortschreiten des Krieges und der steigenden Zahl der Einrückungen zur Wehrmacht lösten sich viele Kapellen auf und wurden mancherorts durch die Spielscharen, Fanfaren-, Spielmanns- und Musikzüge der HJ ersetzt.

Chöre
Auch die Chöre des oberösterreichischen Sängerbundes bestanden nach der Eingliederung in den deutschen Sängerbund großteils weiter.

Oberösterreichischer Musealverein – „Verein für Landeskunde und Heimatpflege im Gau Oberdonau“
Ein weiterer Verein mit landeskundlich-volkskulturellem Schwerpunkt, der Oberösterreichische Musealverein (1833 als Trägerverein des Landesmuseums gegründet), wurde 1939 in Verein für Landeskunde und Heimatpflege im Gau Oberdonau umbenannt und dem Deutschen Heimatbund angegliedert. Der Verein musste 1944 seine Tätigkeit kriegsbedingt einstellen.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

 

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]