Weyer

In der Ortschaft Weyer (heute wieder Ortsgemeinde Haigermoos, welche 1938 an St. Pantaleon angegliedert worden war) bestand von Juni 1940 bis Jänner 1941 ein Arbeitserziehungslager (AEL) und von Jänner bis November 1941 ein Zigeuner-Anhaltelager.

Arbeitserziehungslager Weyer
Das Mitte 1940 von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) errichtete Arbeitserziehungslager für Arbeitsunwillige und Asoziale nahm am 28. Juni 1940 seinen Betrieb auf. Gauleiter August Eigruber, der die Errichtung dieses Lagers betrieben hatte, ohne die Berliner Behörden zu informieren, schrieb in seinem Erlass vom 31. Mai 1940 über die Errichtung des Arbeitserziehungslagers an alle Bürgermeister im Reichsgau Oberdonau:

Eingeliefert können solche Volksgenossen werden, die die Arbeit grundsätzlich verweigern, die dauernd blaumachen, am Arbeitsplatz fortwährend Unruhe stiften oder solche, die überhaupt jede Annahme einer Arbeit ablehnen, obwohl sie körperlich dazu geeignet sind. Sie müssen aber alle das 18. Lebensjahr erreicht haben. Auch asoziale Betriebsführer sind inbegriffen. Nur Fälle krimineller Natur können hieramts nicht behandelt werden. Und Schwerinvalide, weil schwere körperliche Arbeit geleistet werden muss.

Der Bürgermeister und NSDAP-Ortsgruppenleiter von St. Pantaleon hatte als Obmann der lokalen Wassergenossenschaft großes Interesse an der Regulierung der Moosach und der Entsumpfung der Moorlandschaft. Er hatte als Privatperson das Anwesen eines ortsansässigen Gast- und Landwirtes, der in finanzielle Not geraten war, gepachtet und es ohne landwirtschaftliche Nutzflächen dem Gaufürsorgeverband, dem formellen Betreiber des Lagers, als Lagergelände angeboten.

Arbeitserziehungslager waren in der Praxis eine Art Vorstufe der Konzentrationslager. Die durchschnittlich 60 bis 80 Lagerinsassen mussten mit 30 bis 40 Zivilarbeitern der Wassergenossenschaft Ibm-Waidmoos an Entwässerungs- und Regulierungsarbeiten an der Moosach im heutigen Gemeindegebiet von St. Pantaleon mitwirken. Der Häftlingshöchstbestand belief sich auf etwa 130 Männer aller Altersstufen. Die durchschnittliche Anhaltezeit lag zwischen drei und sechs Monaten.

Auffällig ist, dass die administrative Kompetenzverteilung von Anfang an unklar war. Franz Kubinger war der für das Lager verantwortliche DAF-Beamte in Linz. Er stand im Range eines SA-Obersturmbannführers und hatte die Einweisungsanträge zu kontrollieren. Das Arbeitserziehungslager unterstand damit zwar einem Beamten der DAF in Linz, die „Erziehung der arbeitsscheuen und asozialen Elemente“ war jedoch Aufgabe der Lagerwache, die von der SA-Standarte 159 in Braunau unter dem in Prambachkirchen geborenen Lagerführer August Steininger gestellt wurde. Die DAF hatte über sie keine Befehlsgewalt. Formeller Betreiber des Lagers war der Gaufürsorgeverband. Gauinspekteur Stefan Schachermayer von der NSDAP-Gauleitung in Linz war Dreh- und Angelpunkt aller Aktivitäten zwischen DAF, SA und NSDAP in Sachen Weyer.

In diesem Kompetenzwirrwarr gedieh und herrschte persönliche Willkür. Mit Ausnahme des erwähnten Eigruber-Erlasses vom Mai 1940 gab es keinerlei Regeln und Normen. Selbst über diesen Erlass setzte sich Kubinger teilweise hinweg. So wurden beispielsweise auch Häftlinge unter 18 Jahren in das Lager eingeliefert. Niedrige Funktionäre und die Lagerwachmannschaft konnten über eine breite Palette an Machtbefugnissen verfügen. Oftmals nahmen auch Parteidienststellen statt staatlicher Verwaltungsbehörden die Einweisung vor. Es wurden keineswegs nur Alkoholiker und Arbeitsverweigerer interniert, sondern vielmehr auch Personen, die in irgendeiner Weise missliebig geworden waren. Launen und persönliche Racheakte von lokalen DAF- und Parteifunktionären oder von Bürgermeistern bestimmten zuweilen die Auswahl. Die Einweisungsgründe wurden erst im Lager bekannt gegeben. Wer sie anzweifelte, hatte mit Gewalttätigkeiten zu rechnen.

Brutale Methoden der SA und Auflösung des Lagers 1941
Schon vor der Eröffnung des Lagers hatte Kubinger dem Lagerführer Steininger für die Lagerwache „kräftige Innviertler Burschen, die ordentlich dreinhauen“ versprochen. An den grausamen Misshandlungen sowohl im Lager selbst als auch während der Arbeit an der Moosach sind mindestens fünf Lagerinsassen gestorben. Im August 1940 gab es das erste Todesopfer. Als deutlich wurde, dass die Gewaltexzesse keine Konsequenzen durch Lagerleitung oder übergeordnete Instanzen hatten, gebärdete sich die SA zunehmend brutaler. Höhepunkt des Sadismus war die sogenannte Weihnachtszüchtigung am 24. Dezember 1940. Auf etwa zehn Lagerhäftlinge, die vor allen anderen Insassen neben dem Christbaum nackt auf Bänke geschnallt worden waren, wurde mit Knüppelhieben eingeschlagen. Als daraufhin drei Tage später einer der Häftlinge nach weiteren Folterungen verstarb, zeigte der Gemeindearzt von St. Pantaleon, zugleich Lagerarzt, den Fall beim Amtsgericht Wildshut an, das die Staatsanwaltschaft Ried einschaltete. Der ermittelnde Oberstaatsanwalt des Landesgerichtes Ried, Dr. Josef Neuwirth, konnte trotz massiver Behinderungen durch die NSDAP-Dienststellen etliche Zeugen vernehmen. Aber noch bevor die staatsanwaltlichen Untersuchungen richtig anlaufen konnten, hatte Gauleiter Eigruber das Lager am 9. Jänner 1941 aufgelöst. Am 16. April 1942 wurde das Verfahren auf Intervention von höherer Ebene eingestellt. Ein Teil der Häftlinge wurde entlassen, ein Teil in das Konzentrationslager Mauthausen überstellt.

Nach 1945 wurden in vier Volksgerichtsprozessen alle Angeklagten der SA-Lagerwache wegen Kriegsverbrechen verurteilt und zu Freiheitsstrafen zwischen 15 Monaten und 15 Jahren verurteilt. Im April 1955 verließ der letzte Verurteilte im Zuge der Amnestie die Strafanstalt.

Zigeuner-Anhaltelager
Nach Auflösung des Arbeitserziehungslagers wurde Anfang 1941 auf dem gleichen Gelände ein Zigeuner-Anhaltelager eingerichtet. Bereits im Dezember 1938 waren von der Gendarmerie in ganz Oberösterreich Zigeuner oder Zigeunermischlinge erfasst und nach Möglichkeit über die Gaugrenzen abgeschoben worden. Die Errichtung des Zigeuner-Anhaltelagers in Weyer ist vor dem Hintergrund des im Oktober 1939 vom Reichssicherheitshauptamt herausgegebenen Festsetzungserlasses zu sehen. Er verfügte, dass Zigeuner und Zigeunermischlinge ihren momentanen Aufenthaltsort nicht mehr verlassen durften. Mit der Unterbindung der Mobilität, der Anhaltung und Internierung der als asozial stigmatisierten Roma und Sinti in Zigeuner-Anhaltelagern oder auch Konzentrationslagern setzte eine neue Phase der Verfolgung ein. Von der Abschiebepraxis wurde nun konsequent übergegangen zur Inhaftierung und somit die spätere Deportation vorbereitet.

Bereits am 19. Jänner 1941 wurden über 300 vorwiegend österreichische Sinti in Weyer inhaftiert, die Hälfte davon waren Kinder. Viele der Internierten stammten aus Oberösterreich, manche aus Oberbayern, Kärnten, der Steiermark, Salzburg oder Ungarn.

Wachpersonal und Lagerführung blieben nicht dasselbe wie beim Arbeitserziehungslager. Die neuen Aufseher waren ein Gendarmeriemeister und zehn Polizeireservisten, Lagerleiter wurde ein Kripobeamter aus Linz. Als Verwalter und stellvertretender Lagerkommandant verblieb allerdings ein SA-Sturmführer aus dem alten Wachpersonal. Anders als das Arbeitserziehungslager war das Zigeuner-Anhaltelager nie Gegenstand der Volksgerichtsprozesse nach dem Krieg. Selbst im Verfahren gegen jene Person, die in beiden Lagern als stellvertretender Lagekommandant tätig war, wurde diese mit Fragen zum Zigeuner-Anhaltelager völlig verschont.

Die Inhaftierten hatten die Entwässerungsarbeiten der Arbeitserziehungshäftlinge fortzusetzen. Allerdings waren nun im Gegensatz zum Arbeitserziehungslager mehr als die Hälfte der internierten Häftlinge Frauen und Kinder, die den Bauern der Umgebung helfen mussten. Wurden die Häftlinge des Arbeitserziehungslagers noch individuell entlohnt, so kassierte der Gaufürsorgeverband für die Arbeit der Roma bei der Ibm-Waidmoos-Entsumpfung monatlich einen Pauschalbetrag von 1600 Reichsmark, der als Einnahme in den Haushaltsplänen des Reichsgaues Oberdonau aufscheint. An gleicher Stelle wird ein Jahresaufwand von 43.600 Reichsmark für Lebensmittel verbucht. Bei 300 Häftlingen sind dies weniger als 50 Pfennig pro Tag; da die Verköstigung des Personals rechnerisch noch hinzukommt, verschlechtert dies den Schnitt weiter.

Die mindestens fünf im Lager verstorbenen Personen wurden auf dem Friedhof von Haigermoos beerdigt. Die Gräber sind heute nicht mehr erhalten. Von der Lagerleitung wurden Todesursachen erfunden, beispielsweise „Herzfleischentartung“. Während der Tod eines Häftlings im Arbeitserziehungslager vom Lagerarzt an das örtliche Standesamt gemeldet worden war, besorgte dies im Zigeuner-Anhaltelager die Lagerleitung selbst.

Auflösung des Lagers und Ermordung der Überlebenden Anfang November 1941 wurde das Zigeuner-Anhaltelager Weyer aufgelöst, die etwa 300 überlebenden Häftlinge wurden in Bürmoos in Viehwaggons verfrachtet und ins burgenländische Zigeuner-Anhaltelager Lackenbach verbracht, von wo sie mit weiteren 2000 Roma und Sinti aus dem Burgenland und der Steiermark nach Lodz ins besetzte Polen zur Vernichtung transportiert wurden. Keiner der Inhaftierten überlebte.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]