In Steyregg wird eine Hexensage erzählt, die vordergründig nur eine gewöhnliche Neidgeschichte zu sein scheint. Im Jahr 1947 erschien unter dem Titel „Hexenverbrennung in Steyregg“ ein Artikel in der Zeitschrift „Neue Warte am Inn“. Der Autor Karl Kufer schildert darin die Hinrichtung einer Hexe, genannt die Wagenlehnerin, als historische Tatsache. In Wahrheit dürfte es sich jedoch um eine Sage handeln. Der Bericht beginnt mit der Nennung der Informationsquelle, nämlich einer Publikation aus dem 19. Jahrhundert: In einer schon vergilbten Broschüre von H.W. Pailler ist eine Geschichte zu lesen, die der Verfasser mündlichen Überlieferungen seiner Urgroßmutter verdankt. Die Wagenlehnerin war Wirtin des heute noch bekannten Gasthauses „Zum Stadtturm" in Steyregg. Ihre vorzüglich geführte Wirtschaft, die ihr auffallende Erfolge brachte, und wohl auch sonstige löbliche Eigenschaften ließen Neider sie als Hexe verdächtigen. Als Verfolgungen der Nachbarschaft auch vor ihrem Töchterchen nicht Halt machten, wurde die Frau von tiefem Groll erfüllt, der sich in Drohungen und Verwünschungen Luft machte. Scheinbar erfüllten sich die „Zaubersprüche" an der Bäckerfamilie, denn diese wurde von außergewöhnlichen Unglücksfällen heimgesucht. Eine Nothelferin gegen Hexerei, die Maushuberin, bezichtigte nun aus untrüglichen Zeichen die Wagenlehnerin als Anstifterin des Unheils. Daraufhin mieden die Steyregger das zuvor so beliebte Gasthaus. Es wurden ihr eine ganze Reihe Untaten unterschoben, was letztendlich zur Verurteilung zum Tod am Scheiterhaufen führte. Die Verbrennung soll angeblich 1770 am Hohlenstein zwischen Steyregg und Pulgarn stattgefunden haben. Die örtliche Beschreibung und die Benennung Hohlenstein darf zurechtgerückt werden auf eine Stelle beim heutigen Steinbruchgelände Buchinger, den wir als Hexenstein bezeichnen. In den Berichten darüber steht, dass die Wagenlehnerin eines der letzten Opfer verbohrten Aberglaubens sein dürfte. Es war nur zu begreiflich, dass die an jedem Recht zweifelnde Frau immer weitere Verwünschungen gegen ihre Peiniger ausstieß. Dem Schloss und seinen Besitzern schleuderte sie ihren letzten Fluch zu und prophezeite einen Brand, der 1770 auch tatsächlich eintraf und das Schloss derart zerstörte, dass kein Graf Weissenwolff mehr in dem Herrensitz wohnen konnte. Die Bewohner von Steyregg und Umgebung erzählen noch heute gern die Geschichte ihrer heimischen Hexe, die damit weiteren Kreisen ins Gedächtnis gerufen werden soll. Also, eine wahre Begebenheit dürfte es nicht sein, die von Steyregg erzählt wird, sondern eine Sage. Hans Hametner, Obmann des Heimatvereines Steyregg, wollte der Erzählung von der Hinrichtung der Wagenlehnerin in Steyregg auf den Grund gehen und nahm im Stift St. Florian Einsicht in den Nachlass von H. Wilhelm Pailler. Darin befand sich die genannte „vergilbte Broschüre“ unter dem Titel „Eine Hexengeschichte oder die Hinrichtung der Wagenlehnerin als Hexe auf dem Scheiterhaufen am Hohlenstein zwischen Steyregg und Pulgarn, in Oberösterreich im Jahr 1770. (Wahre Begebenheit) Erzählt von H. W. Pailler". Er schreibt darin auch, dass die Akten des Prozesses vielleicht in Steyregg noch aufzufinden wären. Hans Hametner, als Steyreggs Nachtwächter stets auf den Spuren der Geschichte der Stadt, versuchte diese Prozessakten ausfindig zu machen, nahm u.a. auch in Pfarrmatriken Einsicht, fand jedoch keinen Nachweis einer derartigen Verurteilung. Interessant ist, dass Pailler selbst das Jahr der Hinrichtung (1770) aus den Lebensdaten seiner Großmutter berechnete. Er selbst spricht von einer Annahme, ein konkretes Datum war ihm nicht bekannt. Historisch belegt ist jedoch ein Ereignis: Am 15. August 1770 brannte das Schloss in Steyregg fast zur Gänze nieder. Für die Bewohner ein einschneidendes Erlebnis und möglicherweise der aktuelle Anlass, um den in der Folge - sehr anschaulich und authentisch - die Sage vom Schadenzauber der Wagenlehnerin gesponnen wurde. Der gesamte Buchtext von H. W. Pailler wurde im Linzer Volksblatt in den Ausgaben vom 1. bis 9. Februar 1869 in VIII Fortsetzungen unter der Rubrik „Plauderstübchen - Aus der guten alten Zeit" - Eine Hexengeschichte aus Oberösterreich, abgedruckt. Dieser Sage aus Steyregg steht eine wahre Begebenheit aus Bad Zell gegenüber. Der letzte Hexenprozess des Mühlviertels war der sogenannte Grillenbergerprozess in den Jahren 1729 bis 1731. Der Hauptprozess gegen die Bäuerin Magdalena Grillenberger und fünf ihrer Kinder wurde beim Landgericht Prandegg geführt. Sie war die Besitzerin des Wagenlehnergutes bei Zellhof und wurde daher von ihren Zeitgenossen als die „Wagenlehnerin“ bezeichnet. In diesem letzten großen Hexenprozess in habsburgischen Ländern war der Ausbund des Aberglaubens vergangener Jahrhunderte in seltener Vollständigkeit einbezogen. Die Gutachten der Juristen strotzten vor Zitaten der finstersten Hexenliteratur. Das Ergebnis ihrer Verurteilung war furchtbar. Am 10. November 1730 wurde sie mittels grausamster Methoden hingerichtet und danach verbrannt, ihre Kinder mit dem Schwert gerichtet. Die Schilderung von Pailler verblüfft in der Ähnlichkeit mancher Passagen mit den Geschehnissen rund um den Hexenprozess von Zellhof, sodass eine Übertragung dieser Inhalte nach Steyregg anlässlich des großen Brandes nicht unmöglich erscheint. Auch die „Wagenlehnerin von Steyregg“ soll einen grausamen Tod gefunden haben. Durch Kerkerluft und armselige Nahrung ausgemergelt, soll sie angeblich auf dem Weg zum Flammentod mit glühenden Zangen an Brust, Hals und Armen gezwickt worden sein. Ihre Tochter wurde durch Ausbluten zu Tode gebracht, so die Erzählung. Eine Werbetafel für den Donau - Steig an der Südostecke des Tennisplatzes erzählt vom Ereignis unter dem Titel: Die Wirtin, die Hex`! Als Donausage von Helmut Wittmann zusammengefasst, werden hier Ereignisse in Kurzform mit Details aus dem Buch von H.W. Pailler anschaulich formuliert.