Schnecken-Kapelle

Stammdaten

Permalink:
Kategorie:
Kapellenbildstock
Zustand:
Sehr gut / Renoviert
Erfassungsqualität:
Ort (Bezirk):
4400 St. Ulrich bei Steyr (Steyr-Land)
Adressbeschreibung:
am Ortsausgang von Steyr, ca 30m Richtung Ternberg, ca. 5m vom Straßenrand im kleinen Wald (Straßenausbuchtung - kleiner Parkplatz)
Adresse (Ortschaft):
Eisenstraße 62
Breiten-, Längengrad:
48.022988129183, 14.418036193848 (Navigation starten)
a) Gesamthöhe (ohne Bekrönung):
340 cm

b) Gesamtbreite:
162 cm

c) Gesamttiefe:
140 cm

p) Nischenhöhe:
90 cm

q) Nischenbreite:
70 cm

r) Nischentiefe:
70 cm
AKfKDF_Bemassung_Kapellenbildstock_Vereinheitlicht.png
Symbol

Auge Gottes
Das stukkierte, rostrote Auge Gottes befindet sich im Giebelfeld, umgeben von einem halben Strahlenkranz, dessen Spitzen zu Lilien geformt sind.

Besondere Funktion
Urlauberstein
Sogenanntes "Urlaubskreuz" für zum Tode Verurteilte, die hier, bevor sie zum Galgen geführt wurden, ihr letztes Gebet sprachen.
Sakrale Figur
Sakrale Ikonographie

Christusdarstellung - Schmerzensmann
In der Nische steht auf einem kleinen Podest die Büste des leidenden Jesus, eine Ecce homo Darstellung, mit Dornenkrone, Kreuzstrahlennimbus, Purpurmantel und Rohrkolben. Die Hände sind gefesselt.

Material für Figuren

Gips
bemalt

Mauerwerk
Mauerwerk-Art

Lehmziegel - gebrannt (Ton)

Mauerwerk-Technik

verputzt
weiß gestrichen Das tiefer gesetzte Giebelfeld und vertiefte Felder mit eingezogenen Ecken an den Seitenwänden sind gelb, der Sockel sowie die große Rundbogennische vor der Altarnische sind grau.

Errichtung

Votationsgrund
Bet-/Andachtstätte

Laut Überlieferung kann angenommen werden, dass die Kapelle, unmittelbar vor der Richtstätte der Burgherrschaft Steyr, als letzte "Einkehr" und somit als "Urlauberkreuz" der Delinquenten gegolten hat. 
Der Sage nach wurde sie vom Bauern "Schneckenleitner" errichtet. Als dessen Frau gestorben war, erschien sie ihm im Traum und gestand ihm, dass sie zu Lebzeiten die Milch, dieses wichtige Volksnahrungsmittel, auf unredliche Art mit Wasser vermehrt hatte. Sie bat ihn inständig, er solle zur Sühne für ihr sündhaftes Treiben drei Kapellen errichten lassen. Diese Bitte erfüllte der Bauer und ließ drei Kapellen erbauen. Eine in Pesendorf, eine zweite in Mühlbach und die dritte unweit des Galgenhügels in der Freising. Die Kapelle sollte eigentlich Schneckenbergerkapelle heißen, weil aber das Volk lange Namen nicht liebt, wird sie abgekürzt "Schnecken-Kapelle" genannt.  So schreibt es Franz Harrer in seinem Sagenbuch 

In der Steyrer Rundschau vom 3.Juli 2003 ist zu lesen, dass die generalsanierte "Schneckenkapelle" in der Freising, unweit der Steyrer Ortstafel, von Pfarrer Franz Fuchs im Rahmen einer Bittprozession geweiht wurde. Der Kapellenbildstock, des von Soldaten verspotteten Jesus, steht in der Nähe der ehemaligen Richtstätte der einstigen Burgherrschaft Steyr und war die letzte Einkehr der Delinquenten. Man nannte solche Kapellen Urlauberkapellen, da der zum Tod Verurteilte "Urlaub" vom Leben nahm. Laut Überlieferung forderte auch die Hexenverfolgung am 10. November 1626 ein Opfer. 

Die Welt und Heimat", Illustrierte Beiage zur Linzer Tagespost, schreibt am 16. Jänner 1937 unter dem Titel "Alte Steyrer Richtstätten" folgenden von Prof. Gregor Goldbacher verfassten Artikel:
      "Als ich den Kriminalakt Nr. 1649 öffnete, vielen zwei gleichlange, durch eine Schnur verbundene Stäbchen heraus, die mit einer kleinen Pergamentrolle umwickelt waren, auf der stand:
"Urtls Stäbl. Maria Seyfridin, ledigen Stands, welche wegen ihrer eigen ermordeten Leibesfrucht ich als kaiserlicher Stadtrichter allhier auf dem Platz nächst des Prangers öffentlich enthaupten lassen. Steyr, den 17. Marty (März) 1679.  Wolf Athanasius Scheichl".
Also bei der Verkündigung des Todesurteils wurde über die Kindesmörderin Maria Seyfrid der "Stab gebrochen", dessen Teile da vor mir liegen.  Ein leiser Schauer kriecht über den Rücken. Am Schlusse des umfangreichen Kriminalaktes ist das "Urtl" (Todesurteil) angefügt, dessen Inhalt und der damalige gewundene Stil vielleicht Interesse erregen werden.
Das "Urtl" lautet:  "Weilen gegenwärtige Malifikantin Maria Seyfridin, ledigen Standes, sowohl in denen mit ihr vor dem kaiserlichen Stadtgericht fürgehabten gestrigen Examinierung als auch anitzo (jetzt) ausdrücklich bekannt hat, daß sie ein gliedmäßig wohlgebautes Kind, lebendiges Knäbl auf die Welt geboren und hernach vorsätzlich in dem Bett versteckt und umgebracht habe; Also wurde die Täterin vermög der carolingischen heimlichen Halsgerichtsordnung dahin condemniert und verurteilt, daß sie allhier in der Stadt vor dem Rathaus am Platz durch den Scharfrichter mit Absonderung des Haups von ihrem Leib, dergleichen anderen boshaften Menschen zum Abscheu und Exempel, vom Leben zum Tod hingerichtet werden solle.  Von Rechtswegen Also bestätigt das kaiserliche Stadtgericht von Steyr, in niedergesetzten feierlichen Schrannenurteil, den 17. Marty 1679". 
Aus vielen dieser Kriminalakten geht jedoch mit Sicherheit hervor, daß die Urteile nicht nur auf dem Stadtplatz, sondern auch beim dermaligen (leider abgeholzten) "Föhrenschacherl" am Westende der Stadt, wo der Galgen stand, vollzogen wurden, in dessen Nähe sich das abgebildete "Urlaubskreuz" (Aufnahme/Bild:F. Seitz, Steyr - Gotisches Bildstöckl, Föhrenschacherl) wo die verurteilten mit einem letzten Gebet Abschied (Urlaub) vom Leben nahmen, ein zierliches gotisches Marterl aus dem 15. Jahrhundert, befindet. Die Verurteilten mußte der unweit befindliche "Bauer zu Enzengaden" mit seinem Gespann auf das Steinfeld, wie die Stelle heißt, befördern. Nach einem Auszug aus dem Ratsprotokoll vom 13. Oktober 1574 muß sich an dieser Stelle schon früher ein Hochgericht befunden haben, denn es heißt dort: "Nach diesem ist der Herr Stadtrichter samt bemelten Herren hinaus auf das Steinfeldt gangen und daselbsten ein Ort zur Erbauung des Hochgerchtes ausgesehen...von dem Kreuz hinzur in den Winkel herunder des Pührl (Bichl=Bühel) wo es ervor stande, daselbsten es auch ein Anhöh hat usiv.".  Beim Durchblättern dieser Akten findet man manigfache grausame Strafen für Mörder, Diebe, Falschmünzer und so fort, wie "mit glühenden Zangen gezwickt, teils mit dem Rad, teils mit dem Strang und etliche mit Prangerstellung, andere mit dem Schwert vom Leben zum Tode hingerichtet, bzw. bestraft wurden".

Da jedoch der Herr über die Styraburg in Steyr, der Burggraf, fast ausschließlich aus mächtigem adeligen Geschlechte stammend, eine eigene Gerichtsbarkeit besaß und die Grenzen der Jurisdiktion, die der Burggraf und der Stadtrichter hatten, nicht genau bestimmt waren, entstanden oft Streitigkeiten, sodaß sogar bisweilen der Burggraf zugleich Stadtrichter war. Anfangs war der Stadtrichter noch nicht zugleich Blut- und Bannrichter, sondern mußte den sogenannten Waldboten, das ist der Bannrichter, herbeirufen, der gewöhnlich einer vom Adel oder Ritterstande war. Lange Zeit war der Sitz des Bannrichters in Enns, oder die Stelle war im Besitze der Herren von Losenstein und Volkenstorf. Die Richtstätte der Burggrafen von Steyr war in der "Freising" auf einem jetzt bewaldeten Hügel neben der Brücke über den dort mündenden Bach.  Einige Schritte zuvor steht an der Eisenstraße gegenüber der Ruhebank eine kleine Kapelle, das "Urlaubskreuz" der Delinquenten. Das erste Haus nach dem "Galgenhügel", etwas oberhalb der Eisenstraße, heißt heute noch das Henkerhäusl. Über diese alte Richtstätte in der Freising ist im Archiv des Schlosses Lamberg zwar wenig zu finden, umso mehr gibt es über die Stelle, wo der Galgenhügel steht, alte Sagen, die mit der geologischen Beschaffenheit dieser Gegend zusammen hängen. Die Eisenstraße führt dort über Rutschterrain, das durch Schliergrund verursacht wird. Eine dieser Sagen berichtet nun, daß ein Delinquent, bevor er zum Galgen geführt wurde, ununterbrochen seine Unschuld beteuerte, und als die Schergen ihn trotzdem zum Hochgericht schleppten, den Fluch aussprach, daß die Straße unterhalb des Hügels solange nicht zur Ruhe kommen und abstürzen werde, bis seine Unschuld an den Tag käme. Dem aufmerksamen Wanderer fällt es nun auf, daß tatsächlich an dieser Stelle bereits vier abgerutschte Straßen zu sehen sind und erst seit wenigen Jahren die jetzige Sraßenführung durch Wasserableitungen und Eschenpflanzungen vorläufig gesichert erscheint. Die alten Steyrer Richtstätten und ihre Geschichte erwecken kein Bedauern über das Verschwinden der grausamen Justifizierungsarten der sogenannten "guten" alten Zeiten und lassen das Entstehen einer geregelten humanen Rechtspflege begrüßen."

Das "Henkerhäusel" im Grundbuch "Häusl in der Freising" Unterwald Nr. 15. begann im Zuge des Ausbaues der Eisenbundesstraße zu rutschen und musste am 4.Juni 1971 evakuiert werden Es wurde anschließend abgebrochen. Das obige Foto zeigt die abgerutschte Eisenstraße vor dem Galgenhügel am 1.2.1967.

Baubeschreibung des Kapellenbildstockes:
Das Satteldach und das Pultdach vor der Nische sind mit Biberschwanzziegeln gedeckt. Die große vordere Nische geht in der Mitte in eine kleine Rundbogennische über, in der sich die Ecce homo Figur befindet. Diese Nische ist mit einer klassischen Rautengittertür, rechts angeschlagen, mit zusätzlichem 4x4 Maschengitter und links versperrbarem Flacheisen-Bügel vor Zugriff geschützt.

 

 

Literaturquelle
alternative Quelle
Sagen und Legenden von Steyr, Seite 75, Autor Franz Harrer
Steyrer Rundschau, 3. Juli 2003, Seite 34, Autor Prof. Gregor Goldbacher,
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2021-06
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