Richard Bernaschek

Richard Bernaschek wurde 1888 in Erzsebetfalva bei Budapest geboren. Seine Eltern, Richard und Antonie Bernaschek, waren wegen ihrer sozialdemokratischen Gesinnung aus der cisleithanischen (österreichischen) Reichshälfte ausgewiesen worden, mussten ihren bisherigen Wohnort Bad Vöslau verlassen und hatten sich deshalb bei Budapest niedergelassen. Erst im Jahr 1900 wurde die Ausweisung wieder zurückgenommen und die Familie Bernaschek übersiedelte nach Linz. Richard Bernaschek wechselte von einer Budapester Schule an eine Linzer und absolvierte nach Beendigung der Hauptschule eine Schlosserlehre. Er arbeitete anschließend in mehreren Betrieben: der Maschinenschlosserei Posselt, der Lokomotivfabrik Kraus und Co., in Waffenfabriken in Steyr, Budapest und München, in der Motorenfabrik der Linzer Schiffswerft und in den Fiat-Werken in Wien. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, der Metallergewerkschaft und Arbeiter-Vertrauensmann. 1911 heiratete er Maria Eisenhuber. Von ihren Kindern erreichten nur zwei das Erwachsenenalter.

Politisches Engagement bei den sog. Arbeiterräten
Während des Ersten Weltkrieges kam Bernaschek als Soldat des Eisenbahner- und Telegraphenregiments Korneuburg an verschiedenen Fronten zum Einsatz. 1918 geriet er bei Triest in Kriegsgefangenschaft und wurde erst im Folgejahr freigelassen. Zurück in Linz engagierte sich Bernaschek wiederum politisch bei den so genannten Arbeiterräten. Er war dabei Stellvertreter von Richard Strasser, dem Obmann der oberösterreichischen Arbeiterräte, und hatte während einer Erkrankung Strassers zeitweise auch die Leitung der Räte inne. Zu seinen sonstigen Aufgaben gehörte vor allem die Organisation der bewaffneten Arbeiterbataillone.

1921 kam das Ende der Arbeiterräte. Bernaschek verließ Österreich und ging zu seiner Schwester in die Niederlande. Wie andere politische Parteien in Österreich errichtete damals auch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei eine paramilitärische Organisation, den Republikanischen Schutzbund, der Kampfbereitschaft der Arbeiter gegenüber den bewaffneten konservativen Kräften demonstrieren sollte. 1923 bemühten die Sozialdemokraten sich daher um Bernascheks Rückkehr, damit er in Linz den Aufbau des Republikanischen Schutzbundes vorantreiben konnte. Er übernahm das Amt des Sekretärs des Schutzbundes, wurde 1927 sein militärischer Leiter und schließlich Landesleiter. Er baute Schutzbundeinheiten in Steyr, im Hausrucker Kohlerevier und in den oberösterreichischen Industriezentren auf und stärkte die Organisation durch das Anwerben von ehemaligen Frontsoldaten.

Arbeiterhochschule in Wien
Zu einem einschneidenden Erlebnis für Bernaschek wurde der Besuch der Arbeiterhochschule in Wien. Hier sollten junge Hoffnungsträger der Partei eine fundierte theoretische Ausbildung erhalten. Zum ersten Jahrgang gehörten neben Bernaschek unter anderem Rosa Jochmann, der spätere burgenländische Landeshauptmann Hans Bögl und der spätere Sozialminister Karl Maisl. Unterrichtet wurden sie unter anderem von führenden Persönlichkeiten der Partei wie Friedrich Adler, Otto Bauer, Julius Deutsch, Karl Seitz, Karl Renner, Adolf Schärf und Theodor Körner.

Landesparteisekretär
Nachdem der Schutzbund 1933 von der Regierung aufgelöst wurde, wandelte die Partei ihn offiziell in einen Ordner- und Wachdienst für Parteiveranstaltungen um. Bernaschek hatte nun die Leitung der Rechtsschutz- und Unterstützungsstelle und der Flüchtlingsstelle inne, bis ihm 1933 das Amt des Landesparteisekretärs übertragen wurde. Er selbst zählte sich zum linken Parteiflügel und befand sich damit in einem gewissen Gegensatz zur Landesparteileitung und zur Bundesführung.

Februarkämpfe 1934
Die Sozialdemokratische Partei hatte 1933 weder gegen die Ausschaltung des österreichischen Parlaments und den autoritären Führungskurs von Budeskanzler Dollfuß noch gegen das Verbot des Schutzbundes zu Protest und Kampf aufgerufen, weshalb Bernaschek nunmehr eine nachlassende Motivation der Parteimitglieder feststellte. Der Versuch der Parteispitze in Wien, einen Bürgerkrieg in Österreich zu verhindern, fand bei ihm immer weniger Verständnis. Ab Februar 1934 wollte Bernaschek die Verhaftungen von Vertrauensmännern der Partei und die Durchsuchungen nach Waffen nicht mehr widerstandslos dulden. In Absprache mit seinen engsten Mitarbeitern gab er daher der Bundesleitung in Wien am 11. Februar den Entschluss zum bewaffneten Widerstand bekannt. Den oberösterreichischen Parteivorstand informierte Bernaschek nicht. Hinzu kam, dass sich weder der oberösterreichische Parteiobmann Josef Gruber noch sein Stellvertreter Ernst Koref vor Ort befanden. Otto Bauer, stellvertretender Parteivorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, ließ Bernaschek zwar in der Nacht vom 11. auf den 12. Februar 1934 mitteilen, dass sein Entschluss von der Parteileitung nicht geteilt werde und er unverzüglich nach Wien kommen solle, aber er konnte den Lauf der Ereignisse nicht mehr aufhalten.

Als die Polizei am Morgen des 12. Februar mit einer Waffensuche im Hotel Schiff, dem oberösterreichischen Parteisitz, begann, alarmierte Bernaschek den Schutzbund. Gleichzeitig ersuchte er Landeshauptmann Schlegel um Intervention, um einen Gewaltausbruch zu verhindern. Schlegel seinerseits versuchte nun den Oberösterreichischen Sicherheitsdirektor Hans von Hammerstein zu erreichen, aber es war zu spät. Bernaschek wurde gleich zu Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Schutzbund auf der einen Seite und Polizei, Bundesheer und Heimwehr auf der anderen Seite verhaftet. Da dies vor der offiziellen Verhängung des Standrechtes geschah, konnte Bernaschek nicht standrechtlich hingerichtet wer-den, sondern wurde in das Gefängnis des Linzer Landesgerichtes eingeliefert. Der Großteil der Kämpfe war einen Tag später beendet. In der Folge wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei verboten und alle Sozialdemokraten aus der Landesregierung entfernt.

Flucht nach Deutschland
Am 3. April floh Bernaschek gemeinsam mit den Schutzbundangehörigen Otto Huschka und  Franz Schlagin und den beiden Nationalsozialisten Straßmayr und Fastner mit Hilfe des Justizwachebeamten Karl Dobler, einem illegalen Nationalsozialisten, aus dem Gefängnis nach Deutschland. Die Flüchtlinge wurden vom Passauer Bürgermeister, Andreas Bolek (Gauleiter der NSDAP Oberösterreich bis 1933), Alfred Proksch (Landesleiter der NSDAP bis 1933) und Theo Habicht (Landesinspekteur der NSDAP in Österreich bis 1933) empfangen. Bernaschek ließ sich von den Nationalsozialisten nicht zu einem Gesinnungswandel überreden. Während seine beiden Fluchtgefährten Huschka und Schlagin der Österreichischen Legion, einer paramilitärischen Einheit österreichischer Nationalsozialisten in Deutschland, beitraten, bekräftigte Bernaschek öffentlich vor Parteigranden und der Presse, dass er Marxist sei und bleibe.

In Deutschland verfasste er ein Manuskript mit dem Titel Die Tragödie der österreichischen Sozialdemokratie, mit dem er international auf die Ereignisse aufmerksam machen wollte. Seine Arbeit erschien schließlich in einem kommunistischen Schweizer Verlag. Außerdem entwickelte Bernaschek einen Plan, der die gesamte Opposition – von den Nationalsozialisten über die 2. Internationale (Sozialisten) bis zur 3. Internationalen (Kommunisten) – gegen das Dollfuß-Regime vereinigen sollte. Er musste aber bald an der Reaktion führender NSDAP-Funktionäre erkennen, dass ein solcher Plan nicht durchführbar war.

Reise in die Sowjetunion
Am 30. Mai 1934 verließ Bernaschek Deutschland und reiste über Zürich, wo er sich mit Friedrich Adler traf, in die Tschechoslowakei, in die sich nach dem Österreichischen Bürgerkrieg eine Reihe von österreichischen Sozialdemokraten (darunter auch Otto Bauer) geflüchtet hatte. Sehr zum Missfallen führender Sozialdemokraten folgte Bernaschek gemeinsam mit Richard Strasser und August Moser einer Einladung zu einer Reise in die Sowjetunion. Von den Sowjets waren schon früher ehemalige österreichische Schutzbundangehörige eingeladen worden, unter ihnen Bernascheks Schwiegersohn Franz Leschanz. Er sollte wie viele andere Schutzbündler später den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fallen.

Bernaschek traf in der UdSSR unter anderem mit Béla Kun und Manuilski zusammen und erörterte mit ihnen seinen Plan, eine Überpartei aus Sozialdemokraten und Kommunisten zu errichten. Ziel sollte sein, in Österreich den Faschismus zu stürzen und eine Diktatur des Proletariats zu errichten. Die Kommunisten in Österreich versuchten bereits, die Sozialdemokraten für sich zu gewinnen und eine Einheitsfront zu bilden. Bernaschek ging aber davon aus, dass dies nicht gelinge könnte, weil die meisten Sozialdemokraten nicht der Kommunistischen Partei beitreten würden. Seine Idee einer Kampffront aus beiden Parteien fand allerdings keine sowjetische Zustimmung.

Tschechoslowakei
Neben seinen Besprechungen mit Politikern reiste Bernaschek durch Russland, besuchte Fabriken, Kolchosen und Kultureinrichtungen. Enttäuscht von der Realität in der Sowjetunion kehrte er im September 1934 in die Tschechoslowakei zurück. Im Oktober übersiedelte er unter dem Decknamen Franz Hoffmann nach Kaplitz, weil er hoffte, von Südböhmen aus weiter politisch in Österreich tätig sein zu können.

Sein Ziel, ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Kommunisten in Oberösterreich zu schließen, erreichte er nicht. Ein diesbezügliches Treffen von Vertretern der Revolutionären Sozialisten und der Kommunisten bei Bernaschek blieb erfolglos. Im April 1935 forderte ihn die Bezirkshauptmannschaft Kaplitz ultimativ auf, den Bezirk innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Um ihm jede weitere politische Betätigung in Österreich unmöglich zu machen, wurde es ihm untersagt, in einem Grenzbezirk der Tschechoslowakei zu leben. Bernaschek zog daraufhin nach Prag, sein politisches Engagement kam zum Erliegen. Er lebte von Gelegenheitsverdiensten und der Unterstützung durch die 2. Internationale und seine Familie.

Rückkehr nach Österreich nach der NS-Machtübernahme
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich trieb Bernaschek in verhängnisvoller Fehleinschätzung der Lage seine Rückkehr nach Österreich voran. Da seine Ausbürgerung, die nach seiner Flucht aus dem Gefängnis erfolgte, noch aufrecht war, plante er vorerst seine Emigration über Frankreich nach Schweden. In Paris erhielt er von seinem Bruder Ludwig Bernaschek, ebenfalls ein überzeugter Sozialdemokrat und nach 1945 Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich, die Nachricht, dass er nach Oberösterreich zurückkehren könne. Gauleiter Eigruber hatte erklärt, dass Bernaschek unmittelbar nach seiner Ankunft wieder eingebürgert werden würde und auch keine Verhaftung zu befürchten hätte. Trotz eindringlicher Warnungen, unter anderem von seinem langjährigen Parteifreund Richard Strasser, der inzwischen nach England emigriert war, kehrte Bernaschek nach Oberösterreich zurück.

Anfangs arbeitete er im Radiogeschäft seines Bruders, anschließend als freier Versicherungsvertreter für die Wiener Allianz-Versicherung. Im Juli 1943 wechselte er in das Städtische Maschinenamt. Obwohl er unter verstärkter Beobachtung stand, nahm Bernaschek unmittelbar nach seiner Rückkehr seine politische Tätigkeit wieder auf. Dabei machte er sich seine Reisetätigkeit als Versicherungsvertreter zunutze. Es gelang ihm, viele ehemalige Angehörige des Schutzbundes für den Widerstand zu gewinnen. Eine freundschaftliche Beziehung verband ihn mit einem seiner ehemaligen Gegner, dem früheren Beamten der Bundespolizeidirektion Linz Dr. Josef Hofer, der mittlerweile ein wichtiges Mitglied des Widerstandes in Oberösterreich war.

Verhaftung und Ermordung 1944
Am 21. Juli 1944 erfolgte Bernascheks Verhaftung in Zusammenhang mit dem Hitler-Attentat und dem folgenden Umsturzversuch durch Claus Graf von Stauffenberg. Eine Mitwisserschaft konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Bernaschek war in der Folge im Polizeigefängnis in der Mozartstraße, im Konzentrationslager Mauthausen, in der Polizeidirektion in Wien und im Gestapo-Gefängnis am Morzinplatz inhaftiert. Er wurde auf brutalste Art gefoltert und misshandelt, gab die Namen seiner Mitstreiter aber nicht preis. Am 18. April 1945 ermordete SS-Oberscharführer Niedermaier Bernaschek mit einem Genickschuss im KZ Mauthausen – kurz vor der Befreiung des Konzentrationslagers. Seine Leiche wurde im Krematorium verbrannt.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]