Kriminalisierung der Abweichung von staatlichen Vorgaben
In welcher Form sich deutsche Jugendlichkeit äußern sollte, war klar vorgegeben. Eine Freizeitgestaltung jenseits des verordneten HJ-Angebotes, das Lesen verbotener Literatur oder das Abhören feindlicher Sender wurden als Abweichung bewertet und konnten die Kriminalisierung bedeuten. Die Grenzen zwischen der Entziehung aus den staatlichen Vorgaben und dem Widerstand gegen sie waren fließend. Eine Weigerung gegen den staatlichen Erfassungszwang und ein familiäres Umfeld, das nicht im Sinne des Nationalsozialismus war, erhöhten die Gefahr, sich als Jugendlicher in die Paragraphen des Jugendrechts zu verstricken. Etliche Sachbestände von Jugendkriminalität waren erst durch die NS-Gesetzgebung geschaffen worden. Verhielten sich Jugendliche abweichend, wurde dies schnell als körperliche, geistige und sittliche Verwahrlosung gewertet. In solchen Fällen wurde eine so genannte Schutzaufsicht durch das Vormundschaftsgericht oder Jugendarrest verhängt. Ausgeübt wurde diese Schutzaufsicht vom Jugendamt oder der NS-Volkswohlfahrt.
Im Jahr 1942 wurden von den Amtsgerichten des Landgerichtsbezirkes Linz 240 Jugendstrafverfahren geführt, davon 113 Wochenendkarzer, 52 Jugendarreste, 22 unbedingte Freiheitsstrafen bis zu einem Monat, 19 Ermahnungen, sieben Geldstrafen und 18 bedingt ausgesetzte Schuldsprüche ausgesprochen.
Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher
Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]