Methoden

Die Ur- und Frühgeschichte ist eine Kulturwissenschaft (früher: Geisteswissenschaft), die auch naturwissenschaftliche Methoden anwendet. Im Zentrum der Forschung steht der Mensch, dessen jeweilige Kultur uns durch seine Artefakte gegenübertritt, und anhand derer AchäologInnen versuchen, die Lebensumstände von Menschen aus vergangenen Zeiten auf religiöser, sozialer und wirtschaftlicher Ebene zu rekonstruieren.

Der Mensch selbst – Skelette und Leichenbrand – wird nicht von ArchäologInnen analysiert, sondern von Fachleuten der physischen Anthropologie. In jüngster Zeit beschäftigt sich auch die Molekularbiologie mittels DNA-Analysen mit dem prähistorischen Menschen (Geschlechtsbestimmungen, Verwandtschaftsanalysen, etc.)

Typochronologie
Die älteste Methode der Urgeschichtsforschung, die bis heute nichts von ihrer Bedeutung verloren hat, ist die sogenannte Typochronologie. Damit lässt sich archäologisches Material ordnen und in (zeitlich relevante) Gruppen einteilen. Die Methode beruht auf der Annahme, ähnlich aussehende Objekte (= Typen) würden dem gleichen zeitlichen Horizont entstammen, also „gleichzeitig“ sein. Ebenfalls gleichzeitig sind alle Objekte aus einem sogenannten „geschlossenen Fund“. Ein klassisches Beispiel für einen „geschlossenen Fund“ ist ein ungestörtes Grab. Selbst wenn nicht alle Beigaben eines Grabes zur selben Zeit hergestellt wurden, so lässt sich doch zumeist annehmen, sie seien zum selben Zeitpunkt ins Grab gelangt. Sie sind somit ebenfalls „gleichzeitig“. Die Berücksichtigung aller vorhandenen Objekte einer Region und ihre unterschiedlichen Vergesellschaftungen („Ensembles“) ermöglichten den Pionieren der Urgeschichtsforschung eine chronologische Reihung der Objekte und eine Zuordnung zu den von ihnen so genannten Perioden „Steinzeit“, „Bronzezeit“ und „Eisenzeit“. Auf dieser grundsätzlichen Ordnung baut die Urgeschichtsforschung noch heute auf. Die Bearbeitung von neu gegrabenem Material überprüft und verfeinert diese Ordnung in einem ständigen Forschungsprozess.

Methoden zur Auffindung von Fundorten
Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Auffindung neuer Fundstellen war und ist häufig der Zufall, der ebenso wie Baumaßnahmen unvorhergesehene archäologisch relevante Informationen liefert.

Gezielte Methoden zur Auffindung von Fundstellen begrenzen zumeist vor Aufnahme der Arbeiten das Fundhoffnungsgebiet, suchen also zielgerichtet. Prospektionsmethoden meinen eine „zerstörungsfreie Suche nach archäologischen Hinterlassenschaften unter Zuhilfenahme verschiedener wissenschaftlicher Methoden.“

Aus entsprechender Höhe können Strukturen erkannt werden, die man in Bodennähe nicht bemerkt. Die Luftbildarchäologie erlaubt die Erfassung und Kartierung von Fundstellen über größere Flächen hinweg. Mit dieser Methode können zum Beispiel befestigte unterirdische Bodendenkmäler wie Höhensiedlungen, Gräberfelder und Burgen zur Gänze dokumentiert werden.

Eine weitere zerstörungsfreie Methode der Vorerkundung von archäologischen Fundstellen ist die geophysikalische Prospektion. Sie basiert auf der Messung physikalischer Eigenschaften der Erde und von Anomalien, die durch archäologische Strukturen verursacht werden. Da archäologische Strukturen andere Magnetisierungen als der sie umgebende Boden besitzen, bewirkt dies eine Veränderung des magnetischen Feldgradienten. Die als Bilder visualisierten geophysikalischen Messungen werden mit den Ergebnissen von Luftbildern kombiniert und interpretiert.

Eine weitere Methode zur Erschließung archäologischer Fundorte ist die Begehung, bei der mehrere Personen systematisch Landschaftsbereiche abschreiten und nach archäologischen Oberflächenfunden und Befunden suchen.

Selbst wenn Oberösterreich nicht über eine flächendeckende Landesaufnahme (methodische Erfassung sämtlicher Gebiete und dadurch neu entdeckter Fundstellen) verfügt, sind doch zahlreiche Fundstellen bekannt, die aufgrund ihrer Lage nicht gefährdet und aufgrund der finanziellen Situation der Forschungsinstitutionen noch nicht erforscht (= gegraben) sind. Solange der Status „ungefährdet“ erhalten bleibt, wird zwar die Neugierde der Forschungswelt nicht befriedigt, gleichzeitig bleibt jedoch die Möglichkeit erhalten, die Fundstellen zukünftig mit noch besseren Methoden erforschen zu können.

Methoden zur Untersuchung von Fundorten
Im Gegensatz zu den beschriebenen Prospektionsmethoden sind archäologische Grabungen zerstörend. Umso wichtiger sind Dokumentation, Fotografie, Zeichnungen, Grabungstagebuch, exakte Vermessung usw.

Ziel einer Grabung ist es, archäologische Funde und Fundgegenstände optimal zu untersuchen, dabei umfassend zu dokumentieren und zu datieren sowie Funde und Materialproben zu bergen. Ein zentraler Bestandteil der Grabung ist deshalb die Vermessung, die vor Beginn einer Grabung auf dem Ausgrabungsplatz erfolgen muss. Nur auf diese Weise ist es möglich, die Flächen in das Landeskoordinatensystem einzuhängen und geographisch einzuordnen.

Die Ausgrabung besteht aus der Abtragung einzelner Schichten von oben nach unten. Die wechselnden Oberflächenschichten werden fotografiert und zeichnerisch und/oder digital dokumentiert.

Die sorgfältige Dokumentation (Fotografie, Zeichnungen, Grabungstagebuch, exakte Vermessung etc.) bei einer Ausgrabung ist äußerst wichtig, da während der Grabungstätigkeit die Schichtabfolge zerstört und sämtliche Funde als auch Bodenproben entnommen werden. Nach Beendigung einer Grabung kann man sich bei der Auswertung nur mehr auf die vorhandene schriftliche und bildliche Dokumentation stützen.

Zwei besondere Formen der archäologischen Untersuchung sind die Unterwasserarchäologie und die Montanarchäologie (z.B. Grabungen der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums im Salzbergwerk Hallstatt).

Methoden zur unmittelbaren Untersuchung des Fundmaterials
Funde einer Ausgrabung werden schichtweise in Kisten oder Säcke verpackt und mit Fundzetteln versehen, welche den Namen des Fundplatzes, das Jahr, die Nummer der Erdschicht, die Materialbezeichnung sowie die Koordinaten der Fundlage beinhalten.

Anschließend wird das Fundmaterial gewaschen, getrocknet und mit einer Nummer versehen (inventarisiert). Erdproben werden ausgewertet, indem durch Schlämmen und Sieben selbst kleinste Gegenstände wie Pflanzenreste, Perlen oder Fischgräten zum Vorschein kommen. Je nach Materialart müssen die Fundobjekte entsprechend konserviert oder auch restauriert werden. RestauratorInnen reinigen die Fundobjekte von Ablagerungen, Korrosionen und Schadstoffen, festigen das jeweilige Material, führen manchmal Ergänzungen aus und versuchen, falls möglich und nötig, Rekonstruktionen der Gegenstände herzustellen.

Durch Messung des Gehalts an radioaktiven Elementen in archäologischen Fundobjekten ist eine ungefähre Altersbestimmung möglich. Zu naturwissenschaftlichen Datierungsmethoden zählen 14C-Methode oder Radiokarbonmethode und die Thermoluminiszenzmethode. Weiters ermöglicht die Dendrochronologie der Datierung von Holzgegenständen, indem mithilfe der Jahresringe das Alter relativ genau festgestellt werden kann.

Methoden zur Auswertung des Fundmaterials und des Befundes
Den zeitintensivsten Forschungsteil der archäologischen Arbeit stellt die Auswertung der Funde und Befunde dar.

Über Vergleiche mit Funden anderer Fundorte wird versucht, auf Verwendung, Funktion, Datierung und mögliches Aussehen des Fundobjektes zu schließen. Hier sind Erfahrung, Sachkenntnis und Vorstellungsvermögen der Forscherin oder des Forschers von großer Bedeutung.

Die einzelnen Funde müssen maßstabsgetreu zeichnerisch aufgenommen und in ihrem Querschnitt dargestellt werden. Die Zeichnungen bilden dabei einen der wichtigsten Bestandteile der archäologischen Arbeit, da sie neben der Präsentation des Fundmaterials in Publikationen vor allem als Basis für die Vergleichssuche herangezogen werden.

Zur zeitlichen Einordnung von Funden dient vor allem die Typologie, mithilfe derer sich Entwicklungsabfolgen einer Gegenstandsart und dessen zeitlich bedingte Veränderungen erkennen lassen.

Ähnlich wird vorgegangen, um die Befunde auszuwerten: Grabbauten, Gebäudestrukturen und ähnliche während der Grabung dokumentierten Nachweise menschlicher Eingriffe in den Boden bzw. ehemaliger aufgehender Bauten werden ebenfalls zeichnerisch und beschreibend erfasst, soweit dies nicht bereits während der Grabung geschah. Die Befunde werden im Anschluss daran mit anderen Fundorten verglichen, um Ähnlichkeiten und Unterschiede bestimmter Regionen herauszuarbeiten. Auch dadurch lassen sich Hinweise auf die Datierung (=chronologische Einordnung) erzielen.

Der letzte Schritt der Auswertung, welcher die archäologische Forschung erst zu einer Wissenschaft macht, ist die Interpretation aller bisher gewonnenen Ergebnisse aus der Grabungsauswertung. Hierzu werden auch die Ergebnisse der Nachbarwissenschaften (vor allem der physischen Anthropologie, wenn es sich um ein Gräberfeld handelt; weitere Beispiele: Archäozoologie, Archäobotanik, Numismatik etc.), herangezogen.

Allgemeine kulturgeschichtliche Fragen zu Gesellschaftsstrukturen (Hierarchien, Stellenwert von Kindern, Verhältnisse zwischen Frauen und Männern ...), Wirtschaftsweisen (Handwerk, Mobilität, Austausch von Gütern, Landwirtschaft ...), religiösen Vorstellungen und vielem mehr werden an das jeweilige Material herangetragen. Letztgültige Wahrheiten sind selten erzielen – doch zumeist lassen sich einige wahrscheinlichere Interpretationsvarianten von zahlreichen unwahrscheinlichen trennen.

Experimentelle Archäologie
Nicht unwesentlich zur Beantwortung von Fragen nach den Lebensumständen urzeitlicher Gesellschaften sind die Erkenntnisse der experimentellen Archäologie, welche versucht, Handwerkspraktiken, technische Einrichtungen und Arbeitsvorgänge zu überprüfen, zu erklären und zu rekonstruieren. Die experimentelle Archäologie trägt dazu bei, die technischen Möglichkeiten unserer Vorfahren nachzuvollziehen sowie Grabungsbefunde zu erklären und zu interpretieren.

Alle diese Methoden dienen der Einordnung einzelner Gegenstände in ein zeitliches und räumliches kulturelles Schema und der Erkundung der Alltagskultur der in vergangenen Zeiten lebenden Menschen.

Als wesentlich ist abschließend noch die Vermittlung zu nennen. Die Ergebnisse der archäologischer Forschungen werden durch Publikationen, Berichte, Tagungen und Ausstellungen sowohl einem Fachpublikum als auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Besonders Ausstellungen eignen sich zur Vermittlung an ein möglichst breites Publikum.

Autorinnen: Jutta Leskovar, Ines Ruttner, 2006