Mit dem Anschluss 1938 wurde Österreich Teil des deutschen Wirtschaftsraumes. Im Gegensatz dazu galten die in den folgenden Jahren eroberten Länder lediglich als Ergänzungsgebiete für die deutsche Wirtschaft. Da die wirtschaftliche Lage in Österreich Ende der 30er Jahre schlechter war als in Deutschland, erließ die Reichsregierung Schutzbestimmungen. So durften nur Personen, die am 13. März 1938 einen ordentlichen Wohnsitz, ständigen Aufenthaltsort oder eine geschäftliche Niederlassung in Österreich hatten, österreichische Betriebe aufkaufen oder stilllegen. Im April wurde eine Genehmigungspflicht für die Neuerrichtung, den Aufkauf oder die Beteiligung an österreichischen Betrieben eingeführt.
Einführung der Reichsmark
Mit 17. März 1938 erfolgte die Einführung der Reichsmarkwährung. Der Umrechnungskurs entsprach allerdings nicht dem tatsächlichen Wechselkurs: der Schilling konnte in einem besseren Verhältnis umgetauscht werden. 1,50 Schilling entsprach dabei einer Reichsmark. Zudem erhielt Österreich einen Reichskredit im Umfang von 100 Millionen Reichsmark zur Wiederbelebung der Wirtschaft. Dieses Geld durfte nicht zur Tilgung von Schulden verwendet, sondern musste in Arbeitsbeschaffungsprojekte investiert werden. Oberösterreich erhielt aus diesem Kredit 8.134.000 Reichsmark.
Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
In Hinblick auf die Volksabstimmung über den Anschluss am 10. April 1938 waren die Nationalsozialisten bemüht, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Dies sollte in einem Ausmaß passieren, das auch in entlegenen Gemeinden spürbar war. Ein Schwerpunkt lag auf Investitionen in den Bau von Straßen, Wohnungen und Schulen. Die Arbeitslosenrate in Oberösterreich sank von 18,2 % im Dezember 1937 auf 5 % Ende 1938. Im Frühjahr 1939 konnte Vollbeschäftigung erreicht werden, kurze Zeit später herrschte schon Arbeitskräftemangel, der durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und die Einberufungen zur Wehrmacht noch verschärft wurde und bis zum Untergang des Dritten Reiches anhalten sollte.
Ein Mangel an Fach- und Landarbeitern machte sich schon bald nach dem Anschluss bemerkbar. Viele wanderten in deutsche Industriegebiete ab, wo sie besseren Verdienst erwarten konnten. Zwei Wochen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich erging an deutsche Unternehmen das Verbot, Anzeigen zur Abwerbung österreichischer Arbeitskräfte zu schalten. Um die Einbringung der Ernte nicht zu gefährden, konnten ab Juli 1938 arbeitslos Gemeldete durch das Arbeitsamt zu Erntearbeiten verpflichtet werden. Außerdem musste das Arbeitsamt der Lösung von Arbeitsverhältnissen in der Landwirtschaft, die gegen den Willen der Bauern erfolgte, zustimmen.
In den ersten Monaten nach dem Anschluss ließen die Reichsbehörden die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Österreich prüfen. Es sollten der aktuelle Zustand und die Wirtschaftlichkeit österreichischer Betriebe festgestellt werden. Den Behörden ging es vor allem um eine Prüfung, welches Potenzial die Betriebe für die Aufrüstung, die Hebung der Exportquote und die Durchführung des Vierjahresplanes boten. Die Ergebnisse wurden u. a. als Entscheidungsgrundlage für die Vergabe von Krediten und die Zuteilung staatlicher Aufträge herangezogen.
Wirtschaftliches Aufbauprogramm für Österreich
Ziel des Vierjahresplanes war die Beendigung der Versorgungskrise der deutschen Wirtschaft; das Deutsche Reich sollte unabhängig von Importen werden. Die Vierjahresplanbehörde unterstand Hermann Göring. Den Nutzen Österreichs sah die Behörde vor allem in seinen Gold- und Devisenreserven und in Produktionskapazitäten, die wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage nur unvollständig genutzt worden waren. Göring veröffentlichte im März 1938 ein 17 Punkte umfassendes Aufbauprogramm für Österreich, von denen vier Oberösterreich betrafen. Sie sahen den Bau eines Hüttenwerkes in Linz, den Aufbau einer Zellstofffabrik auf Hartholzgrundlage, den Bau einer Reichsautobahn und die Errichtung von zwei Donaubrücken vor.
Das Stickstoffwerk in Linz, das Aluminiumwerk in Ranshofen (errichtet durch die Aluminiumwerke Berlin), die Hütte Linz und das Zellstoff- und Zellwollewerk in Lenzing sollten dazu beitragen, die knappe Rohstoffbasis des Deutschen Reiches zu erweitern. In Lenzing wurde die Zellstoffpapierfabrik des Bunzl-&-Biach-Konzerns, dessen jüdische Besitzer bereits nach London emigriert waren, ausgebaut. Neben der Zellstofffabrik entstand ein Werk der Zellwolle AG. Wegen der niedrigen Kapitalkraft der österreichischen Textilindustrie wurden auch Spinnereien im Altreich dazu aufgefordert, Aktien zu zeichnen; als Prämie dafür erhielten sie Sonderkontingente an Zellwolle. Generaldirektor in Lenzing wurde Staatsrat Dr. Schieber von der Thüringischen Zellwolle AG.
Linzer Stickstoffwerke
Die Linzer Stickstoffwerke sollten aus dem überschüssigen Koksgas der Hütte Linz Stickstoffdünger und Pulver erzeugen. Zu den Gründungsmitgliedern und Aktionären der Aktiengesellschaft Stickstoffwerke Ostmark gehörten unter anderem die IG-Farben, die Bayerischen Stickstoffwerke, die Bayerischen Kraftwerke, die Lonza-Werke und die Elektrochemische Fabriken GmbH. Der Aufsichtsrat wurde durchgehend mit Personen aus dem Altreich besetzt, der erste Vorsitzende war Dr. Heinrich Bütefisch. Die Produktion begann nach drei Jahren Bauzeit. Als wehrwichtig eingestuft wurden die Stickstoffwerke in den Pulverschnellplan eingebunden.
Reichswerke Hermann Göring
Bereits im Mai 1938 erfolgte die Gründung der Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring Linz als Tochtergesellschaft der Reichswerke Aktiengesellschaft für Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring in Berlin. Ursprünglich war die Errichtung des Hüttenwerkes für Franken geplant, die Entscheidung fiel im Frühjahr 1938 aber zugunsten Oberösterreichs. Während sich Generaldirektor Paul Pleiger und verschiedene Techniker für den Raum Asten – Enns als Standort aussprachen, setzte Gauleiter August Eigruber St. Peter-Zizlau bei Linz durch. Den Spatenstich für die Hütte Linz nahm Hermann Göring am 13. Mai 1938 persönlich vor. 1941 konnte der erste Hochofen angeblasen werden. Von den geplanten zwölf Hochöfen wurden sechs fertig gestellt, in Betrieb gingen allerdings nur vier. Zu Beginn wurde das produzierte Roheisen zur Verarbeitung in die Obersteiermark und das Altreich transportiert, später übernahm die Weiterverarbeitung teilweise das direkt benachbarte Eisenwerk Oberdonau.
Im Gegensatz zur Großindustrie kam es im Bereich der oberösterreichischen Gewerbe- und Handelsbetriebe zu Stilllegungen. Anfang 1945 war die Arbeit in sämtlichen Brauereien und in fast allen Papierfabriken eingestellt. In der Textilindustrie kam es zu einer einzigen Neugründung in Schwanenstadt, wo vor allem Spezialgewebe für die Wehrmacht erzeugt wurden. Einen Aufschwung erlebten hingegen die Sensenindustrie bis 1942/43 und der Bergbau. Vom steigenden Kohlebedarf der Hütte Linz und des Zellwollewerkes in Lenzing profitierte unter anderem der Kohleproduzent Wolfsegg-Traunthaler.
Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher
Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]