Die Rüstungsindustrie
in Oberdonau

Die Aufrüstung im Deutschen Reich fand in einem Ausmaß statt, das Großbetriebe mit modernsten Methoden der Massenproduktion notwendig machte. Während vor dem Anschluss ca. 30 % der Erwerbstätigen in Großbetrieben arbeiteten, waren es 1943 bereits über 65 %. Die oberösterreichische Industriekultur entwickelte sich hin zur Eisen- und Metallverarbeitung.

Anfang 1939 zeichnete sich eine Verlagerung der Produktionsschwerpunkte weg vom Vierjahresplan hin zur Rüstung ab. In Oberdonau entstand mit den Eisenwerken Oberdonau ein Panzerwerk. Die Aluminiumhütte Ranshofen – 1944 größter Aluminiumproduzent Deutschlands – lieferte Grundstoffe für die Flugzeugindustrie und die Stickstoffwerke für die Munitionsproduktion. In Wels begann man 1938 mit dem Bau eines Flugzeugreparaturwerkes.

Steyr Werke
Der größte Rüstungsbetrieb in Oberösterreich waren allerdings die Steyr-Werke, die unter anderem Gewehre, Pistolen, Maschinengewehre und Panzerbüchsen produzierten. 1938 kauften die Reichswerke Hermann Göring die Steyr-Werke von der Creditanstalt, 1942 wurde der Betrieb jedoch reprivatisiert. Neben der Waffenproduktion waren die Steyr-Werke in der Autoproduktion tätig. Sie stellten vor allem den Lastkraftwagen 50 und die Eigenentwicklungen ADGR 205 und ADGR 640, zwei Geländewagen, und den Raupenschlepper Ost her. Außerdem produzierte man Flugzeugkabinen und Fahrgestelle für die Luftwaffe. Zu den Steyr-Werken gehörten auch eine Reihe von Produktionsstätten außerhalb des Gaues Oberdonau. In den Steyr-Puch-Werken in Graz wurden Fahrräder und Waffenteile hergestellt, in Graz-Thondorf Panzermotoren, in Hirtenberg Waffen und Fahrzeugteile. Teil der Steyr-Werke waren zudem eine Gewehrfabrik im polnischen Radom und die Nibelungenwerke in St. Valentin, die neben der Firma Krupp die meisten Panzer IV produzierten.

Die höchsten Produktionszahlen erreichten die Steyr-Werke 1943. Im Februar und März 1944 waren sie erstmals Ziel alliierter Luftangriffe. Damit begann auch die Verlagerung der Produktion. Die Waffenfabrikation kam nach Molln, die Fertigung von Läufen und MP-Ersatzteilen wurde in die unterirdischen Anlagen in Gusen verlegt, wo Häftlinge des Konzentrationslagers Gusen Zwangsarbeit leisten mussten.

Die Rüstungsindustrie in Oberdonau erreichte 1944 ihren Höhepunkt. Im selben Jahr begannen die Angriffe alliierter Luftverbände auf Ziele in Oberdonau, zu denen vor allem die Rüstungsbetriebe und die zentralen Verkehrsverbindungen zählten. Dennoch wurden aus ganz Deutschland Produktionsstätten nach Oberdonau verlegt, das immer noch als halbwegs sicher galt. Im Dezember 1944 betraf dies bereits 53 Betriebe, einen Monat später folgten weitere 46 Rüstungsbetriebe. Sie wurden in alten, stillgelegten Betriebsgebäuden untergebracht. Die notwendigen Facharbeiter brachten die Betriebe mit, da es in Oberdonau unmöglich war, ausreichend zusätzliche Arbeitskräfte zu rekrutieren.

Unterirdische Verlagerung der Rüstungsindustrie
Die Verlagerung von Betrieben unter die Erde war ein Versuch, kriegswichtige Produktionen vor den Fliegerangriffen der alliierten Streitkräfte zu schützen. In Oberdonau wurde das Düsenflugzeug Me 262 serienmäßig unterirdisch hergestellt. In der Stollenanlage in Ebensee entstanden Kleindestillationsanlagen, in denen KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten, da die Raffinerien des Reiches ebenfalls Ziel der alliierten Luftangriffe geworden waren. Bei der Rüstungsinspektion XVII bildete man einen eigenen Verlagerungsstab, ebenso beim Reichsverteidigungskommissar Oberdonau.

Wehrwirtschaftsstelle Linz, späteres Rüstungskommando Linz
Betriebe, die in Oberdonau zu Rüstungsbetrieben erklärt wurden, unterstanden der Wehrwirtschaftsstelle Linz, dem späteren Rüstungskommando Linz. Die Stelle war zuständig für Aufträge, Finanzierung und Vorfinanzierung von Investitionen, für so genannte Uk-Stellungen für unabkömmliche Betriebsangehörige, für die Zuteilung von Arbeitskräften, Kohle, Strom und Rohstoffen. Als Rüstungsbetriebe deklariert  wurden unter anderem die Schiffswerft Linz, die Solo Werke, die Firma Bukowansky, die Hindernisse und Stacheldraht für den Westwall erzeugte, die Hanf- und Drahtseilfabrik Alois Wötzl, die Lederfabrik Vogl in Mattighofen und die Spezialfabrik für Nutzwagen Johannes Zellinger. Generell standen in Oberdonau immer maximal 25 Betriebe auf der Liste der Rüstungsbetriebe. Die Gesamtzahl fluktuierte, weil manche neu hinzukamen, andere wieder gestrichen wurden.

Im Herbst 1944 wurde die Gaukommission für den totalen Kriegseinsatz bestellt. Ihr gehörten unter anderem der Kommandeur der Wehrersatzinspektion, der Präsident des Gauarbeitsamtes, der Vorsitzende der Rüstungskommission und der leitende Beamte der Geschäftsführenden Behörde des Reichsverteidigungskommissars Oberdonau an. Die letzte Entscheidung lag allerdings immer bei Gauleiter Eigruber. Fast gleichzeitig wurden alle tauglichen Rüstungsarbeiter ab Jahrgang 1918 an die Wehrmacht abgegeben.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]