Pläne zur Neuordnung Europas
Die Nachkriegspläne der alliierten Staaten, die sich mit der Zukunft und Ordnung Europas beschäftigten, konzentrierten sich in erster Linie auf Deutschland. Österreich stand, als erstes „Opfer“ des Hitler-Regimes, nur zweitrangig im Interesse der Alliierten. Die Österreich betreffenden Konzepte zur Zonenaufteilung gingen von unterschiedlichen Besatzungsvarianten aus. Da bis zum Schluss unklar war, welche der alliierten Mächte als erste österreichischen Boden betreten würden, entstanden mehrere Konzepte zur Zoneneinteilung. Diese reichten von der Idee einer Zuordnung ganz Österreichs zur britischen bzw. amerikanischen Zone bis zu einem sowjetischen Dreizonenplan vom November 1944, der eine Besetzung Österreichs durch die Briten, Amerikaner und Sowjets vorsah. In diesem Plan wurden weder Gau- noch Landesgrenzen berücksichtigt und es ist zweifelhaft, ob er in der Praxis realisierbar gewesen wäre. Im westlichen Gegenvorschlag zu diesem Konzept war erstmals auch Frankreich als Besatzungsmacht vertreten und eine Orientierung an den ehemaligen Landesgrenzen Österreichs war vorgesehen.
Der Einmarsch der Dritten Armee in Oberösterreich
Die ersten sowjetischen Truppen hatten am 29. März 1945 bei Klostermarienberg im Burgenland österreichischen Boden erreicht. Wien wurde am 13. April befreit und erobert. Vorerst allerdings rückte die Rote Armee in Niederösterreich nur bis zur Erlauf und erst Anfang Mai von Osten her bis zur Oberösterreichischen Grenze vor.
Der amerikanische Einmarsch nach Oberösterreich begann am 1. Mai. Nördlich und südlich der Donau rückten Einheiten des XII. und des XX. Korps der Dritten US-Armee in Oberösterreich ein und besetzten in knapp einer Woche das gesamte Land mit Ausnahme von Teilen des östlichen Mühlviertels. Als Linz kampflos geräumt wurde und die amerikanischen Truppen am 5. Mai 1945 mit Jeeps und Panzern am Linzer Hauptplatz einfuhren, erwartete sie ein freudiger Empfang. Die offizielle Übergabe der Stadt wurde durch Oberbürgermeister Franz Langoth an den Brigadier General Holbrook vollzogen. Am 7. Mai erfolgte die Kapitulation der Heeresgruppe „Ostmark“ unter Generaloberst Rendulic in St. Martin im Innkreis. Am 9. Mai kam es zur Begegnung zwischen amerikanischen und sowjetischen Truppen an der Enns. Mit Inkrafttreten der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 9. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende.
Die endgültige Zoneneinteilung
Als sich die militärischen Entwicklungen mit dem Einmarsch der Roten Armee im Osten Österreichs Ende März 1945 überschlugen, musste eine definitive Entscheidung bezüglich der Zoneneinteilung getroffen werden. Aufgrund der militärischen Erfolge in Ostösterreich kam letzten Endes ein Vorschlag der Sowjetunion vom 4. April.1945 zur Durchführung: Demnach sollte den Sowjets das Burgenland, Niederösterreich und – im Gegensatz zu bisherigen Planungen – das gesamte oberösterreichische Mühlviertel zugesprochen werden. Die Amerikaner stimmten überraschend schnell der Forderung nach dem Mühlviertel zu: Einerseits machte die Donau als geographisch vorgegebene Demarkationslinie durchaus Sinn, da auf diese Weise möglichen Zusammenstöße zwischen den Besatzungsmächten aus dem Weg gegangen werden konnte, andererseits war das Mühlviertel wirtschaftlich viel weniger interessant als die Industrieregionen der Steiermark und das östliche Ennsufer bei Steyr mit den Steyr-Werken, die von den Sowjets wieder geräumt wurden.
Die Russen zogen sich im Juli aus der bereits besetzten Steiermark zurück und erhielten dafür neben Niederösterreich und dem Burgenland auch das vorerst amerikanisch besetzte Mühlviertel westlich von Freistadt. Oberösterreich südlich der Donau und Salzburg wurden amerikanische, die Steiermark, Kärnten und Osttirol britische und Tirol und Vorarlberg französische Zone. Die Bundeshauptstadt wurde wie Berlin in vier Zonen geteilt und der erste Bezirk gemeinsam verwaltet.
Endgültig besiegelt wurde die Zoneneinteilung mit dem Zonenabkommen vom 9. Juli 1945, das in Oberösterreich den Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Mühlviertel zwischen 27. Juli und 3. August 1945 einleitete. Die Sowjets besetzten das Mühlviertel zwischen dem 1. und 8. August zur Gänze. Damit erhielten die Sowjets die Kontrolle der gesamten Grenze zur Tschechoslowakei und einen Anteil an der Donau von Passau bis Hainburg.
Mühlviertel: „Die Russen kommen!“
Für Oberösterreich bedeutete diese Grenzziehung die Zerschneidung in zwei Teile. Das Mühlviertel war vorerst faktisch ein zehntes Bundesland geworden. Tendenzen, es an Niederösterreich anzuschließen, von wo aus ja schon ein Bezirkshauptmann im bereits vorher russisch besetzten Perg ernannt worden war, konnten mit der unter Johann Blöchl aktiv werdenden "Zivilverwaltung Mühlviertel" abgeblockt werden. Ab 8. August 1945 war die Donau für die Mehrheit der oberösterreichischen Bevölkerung eine vorerst fast unüberschreitbare Grenze geworden. Johann Blöchl wurde von der Regierung Renner zum „Staatsbeauftragten“ für das Mühlviertel ernannt.
Das Passieren der Zonengrenze auf der Linzer Nibelungenbrücke war nur mehr mit dem viersprachigen Identitätsausweis und einem amtlichen Passierschein möglich und wurde erst 1947 (Amerikaner) bzw. 1953 (Sowjets) wieder aufgehoben.
Befreiung oder Besetzung?
Die Moskauer Deklaration der Alliierten vom 30. Oktober 1943 war die Grundlage der österreichischen Nachkriegsordnung: Österreich, das erste freie Land, das Hitlers Angriffspolitik zum Opfer gefallen sei, solle von deutscher Herrschaft befreit werden, hieß es in der von den Außenministern Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten verabschiedeten Erklärung. Gleichzeitig wurde auf die Verantwortung Österreichs „für die Teilnahme am Kriege an der Seite Hitler-Deutschlands“ hingewiesen.
Die Unabhängigkeitserklärung der Österreichischen Bundesregierung vom 27. April 1945, mit der die Wiederherstellung der Republik Österreich dokumentiert wurde, knüpfte an die Moskauer Deklaration der Alliierten vom 30. Oktober 1943 an: Österreich als erstes Opfer der nationalsozialistischen Aggression war ein zentraler Bestandteil der österreichischen Nachkriegsdiplomatie und Nachkriegsidentität. Die österreichische Regierung in dieser Zeit extremer Not und Bedrängnis wäre allerdings schlecht beraten gewesen, anders zu argumentieren: Opfer zu sein, ersparte nicht nur vieles, sondern einte auch.
Wurde Österreich von den Alliierten befreit oder besetzt? Eindeutig ist, dass Österreich mit dem Einmarsch der Alliierten Truppen vom NS-Terror befreit wurde, dem ein schlagartiges Ende gesetzt wurde. Österreich wurde von der NS-Herrschaft befreit, aber wie ein Feindstaat behandelt: Es wurde von den alliierten Truppen besetzt, denen ein Fraternisierungsverbot mit der Bevölkerung auferlegt wurde, es wurde von alliierten Militärregierungen verwaltet, und es kam, vor allem in der sowjetischen Besatzungszone, zu zahlreichen Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung.
Sehr lange dauerte der steinige Weg bis zum Abschluss des Staatsvertrages, der schließlich die volle Souveränität Österreichs als unabhängiger Staat (wieder)herstellte und den Abzug der Besatzungsmächte besiegelte.
Österreich musste sich seine Freiheit sichern: durch eine eindeutige Wahlentscheidung für ein demokratisches und freies Österreich in den Wahlen ab 1945, durch eine kluge Nutzung der weltpolitischen Konstellationen und durch erhebliche finanzielle Leistungen, vornehmlich an die Sowjetunion.
Verwendete Literatur siehe Bibliografie.
Redaktionelle Bearbeitung: Elisabeth Kreuzwieser, 2005
Siehe auch: Aus der Artikelserie Alltagsdinge der Oberösterreichischen Nachrichten: Die Armbanduhr (Roman Sandgruber)