Josef Ratzenböck
(*1929)

Dr. Josef Ratzenböck, geboren 1929, stand seit 1953 im Dienste der Partei. Rasch entwickelte er sich zur Stütze des damaligen Landesparteisekretärs Dr. Erwin Wenzl, zuerst als Referent und Sachbearbeiter, seit 1955 als faktischer, wenn auch nicht nomineller Landesparteisekretär, seit 1956 auch als Landessekretär des neu gegründeten Seniorenbundes, seit 1969 als Landesparteisekretär.
Zwischen 1958 und 1973 war er auch Geschäftsführer der „Wohnungsfreunde“ und eignete sich dort seine umfangreichen Kenntnisse in Wohnbaufragen an, die 1968 bei der Neuordnung des Wohnungswesens voll zum Tragen kamen.

Seit 1973 trug er als Landesrat für Kultur und Finanzen auch Regierungsverantwortung. In diesem Sinn war für Kontinuität gesorgt, als Ratzenböck 1977 von Wenzl das Amt des Landeshauptmanns übernahm und am 19. Oktober 1977 einstimmig zum Landeshauptmann gewählt wurde. Der Wiederaufbau war längst geschafft. Strukturwandel war angesagt.

In seiner 18-jährigen Amtszeit als Landeshauptmann erreichte das oberösterreichische Klima der Kooperation und Zusammenarbeit, seit den Zeiten von Landeshauptmann Dr. Ebenhoch sprichwörtlich, eine neue Qualität. Fast alle Beschlüsse der Landesregierung wurden einstimmig gefasst. Partnerschaftlicher Wettbewerb wurde zum Leitmotiv. Ratzenböck hatte 1955 das Wählerservice der Volkspartei gegründet.
Als Landeshauptmann behielt er diesen Stil bei und verstärkte ihn. Die wöchentlichen Sprechstunden begannen um 6.00 Uhr früh und noch früher. Das Popularitätshoch der Persönlichkeit des Landeshauptmanns prägte die Stellung der Partei.

Politik galt Dr. Josef Ratzenböck als Handeln für den Nächsten: Davon zeugt auch die breit gespannte Palette an sozialen Maßnahmen, die er nicht nur während seiner Zeit als Landeshauptmann initiierte und umsetzte. Er veranlasste unter anderem die Einführung des Pflegegeldes, bei dem Oberösterreich gemeinsam mit Vorarlberg Vorreiter war und das mittlerweile bundesweit gilt. Auch Beratung und Information waren Landeshauptmann Dr. Ratzenböck schon von Beginn an ein wichtiges Anliegen. Verwirklicht wurde es zum einen durch das Wählerservice, zum anderen auch durch die zu Beginn der 1980er Jahre eingeführten Betreuungsmandatare für die einzelnen Gemeinden. Die Sorgen und Wünsche der Senioren lagen Ratzenböck als Begründer und erstem Landessekretär des Seniorenbundes besonders am Herzen.

Das Jahr 1980 stand unter dem Motto „Jahr der guten Nachbarschaft“, eine Idee, die von der oberösterreichischen Volkspartei geboren, vom Land Oberösterreich in seine Bereiche ausgeweitet und letztlich auch von der Bundesparteileitung für die Gesamtpartei übernommen wurde. Am 9. Juli 1980 wurde in einer Enquete dazu Zwischenbilanz durch den Landeshauptmann gezogen. Am 15. Dezember folgte eine schriftliche Zusammenfassung aller Aktionen zur „guten Nachbarschaft“. 1981 war das Motto „Jahr der Behinderten“, 1983 das Oberösterreichjahr.

Obwohl die 1980er Jahre von schweren wirtschaftlichen Problemen – wie z. B. dem Zweiten Erdölschock (1979/80) oder der Krise der Verstaatlichten Industrie – geprägt waren, gelang es, in Oberösterreich die Zahl der Arbeitslosen dennoch vergleichsweise gering zu halten. Sie lagen ausnahmslos unter den gesamtösterreichischen Durchschnitten. Dazu trugen große Erfolge wie die Ansiedlung von BMW in Steyr – ebenfalls ein Erfolg des Verhandlungsgeschickes von Landeshauptmann Ratzenböck – auch im Poker um die Förderhöhe und zudem das Strukturprogramm für die Wirtschaftsräume in Oberösterreich sowie die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben und des Fremdenverkehrs maßgeblich bei.

Dem Wohnbauspezialisten Ratzenböck waren Wohnungspolitik und Wohnungsförderung ein besonderes Anliegen. Aber es blieb nicht nur bei Kampagnen über die Wohnbauförderung – hervorzuheben ist vor allem die von Ratzenböck initiierte begünstigte frühzeitige Rückzahlung von Wohnbaudarlehen (Ratzenböck-Plan), die mit Nationalrat Leopold Helbich im Parlament durchgesetzt werden konnte. Zu erwähnen sind auch das Pendlergeld, die Kindergartenfreifahrt …

Auch Umweltschutz war und blieb ein wichtiges Thema: 1980 wurde der Arbeitskreis „Grüne Welle“ gegründet, das Jahr 1982 zum Jahr des Natur- und Umweltschutzes ausgerufen und das Jahr 1986 dem Schutz des Waldes gewidmet. 1989 folgten „Verkehrssicherheit“, 1990 „Abfallvermeidung“ und 1991 „Energiesparen“. Bereits von Anbeginn an engagierte sich Dr. Josef Ratzenböck in der Bewegung gegen das Atomkraftwerk Temelin und die davon ausgehende Gefahr, was ihn aber nicht davon abhielt, sich besonders um die Integration der neuen Nachbarn in Europa zu bemühen.

Landeshauptmann Dr. Ratzenböck gehörte zu den wenigen westeuropäischen Politikern, die lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs Kontakte nach Osteuropa geknüpft hatten. Europäische Politik wurde auf Landesebene immer wichtiger: An der Gründung der ARGE Alpen-Adria in Venedig 1978, der dann auch die Gründung der ARGE Donauländer folgte, war Oberösterreich maßgeblich beteiligt. Es war sicherlich ein Höhepunkt seiner Amtszeit, als der überzeugte Europäer Ratzenböck am 11. Dezember 1989 gemeinsam mit dem südböhmischen Kreisvorsitzenden Dipl.-Ing. Miroslav Šenkyř beim oberösterreichisch-tschechischen Grenzübergang Wullowitz eigenhändig den „Eisernen Vorhang“ durchschneiden konnte. Wenige Tage später wurde von den Außenministern Alois Mock und Jiři Dienstbier dieselbe Aktion an der niederösterreichisch- tschechischen Grenze wiederholt.

Im selben Jahr 1989, am 17. Juli, überreichte der österreichische Außenminister Alois Mock im Auftrag der Bundesregierung in Brüssel den Antrag auf Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft (EG). Landeshauptmann Ratzenböck engagierte sich bereits 1988 als Sprecher der Länder in Fragen des EG/EU-Beitritts und leistete auch zu Beginn der 1990er Jahre unermüdliche Überzeugungsarbeit für den Beitritt Österreichs – ein Bemühen, das bei der EU-Beitritts-Abstimmung 1994 in Oberösterreich mit einem überwältigenden Ja (65,5 Prozent) der Landesbürger zum Beitritt honoriert wurde.

18 Jahre war Dr. Josef Ratzenböck Kulturreferent des Landes Oberösterreich. Krönung dieses kulturpolitischen Engagements war die Gründung des Landesmusikschulwerkes im Jahre 1977, das heute mit 149 Musikschulen mehr als 55.000 jungen Menschen aus ganz Oberösterreich die Möglichkeit bietet, qualitativ hochwertigen und erschwinglichen Musikunterricht zu genießen. Er eröffnete das Landeskulturzentrum Ursulinenhof sowie das Offene Kulturhaus (OK) und unterstützte bestehende Institutionen und traditionelle Kulturformen: Sein Anliegen war die Öffnung des Kulturbegriffs sowie die Förderung von Kultur als gesellschaftliches und politisches Mittel der Integration.

Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck vereinte wie nur ganz wenige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Mut zur größeren Perspektive mit dem Gespür für die Sorgen der Menschen im Land. Ihm waren nicht nur die großen Entwicklungen wichtig, in abertausenden Stunden bei den frühmorgendlich beginnenden Sprechtagen hat er sich der Anliegen aller Oberösterreicherinnen und Oberösterreich angenommen und auf diese Weise das Land nicht nur durch seine Sachpolitik, sondern auch durch seine Persönlichkeit geprägt.

Zu den wichtigsten Leistungen seiner Amtszeit zählt Ratzenböck immer wieder die Einführung der begünstigten Rückzahlung von Wohnbaudarlehen (Ratzenböck-Plan), die Ansiedlung von BMW in Steyr sowie die Gründung des Landesmusikschulwerkes. Ratzenböck baute die ÖVP Oberösterreich zu einer Servicepartei im Dienste der Bürgerinnen und Bürger aus. Er hat darüber hinaus die Entwicklung des modernen Oberösterreich durch sein großes soziales Engagement stark beeinflusst.

Autor: Roman Sandgruber, 2005