Zaum und Zügel
Zäume sind die ältesten und wichtigsten Hilfen, um ein Pferd zu steuern und zu lenken. Seit etwa 6000 Jahren sind sie anhand von Scheuerspuren an Pferdeschädeln und Zähnen nachweisbar. Das deutsche „Zaum“ und das englische „team“ haben dieselbe sprachliche Wurzel. Mensch und Tier werden mit deren Hilfe quasi zu einem Team. „Im Zaum halten“ und „die Zügel führen“ sind schon seit der Antike allgemein gebräuchliche Metaphern der Herrschaftslehre. Welche Bedeutung Zaum und Zügeln zugemessen wird, wird auch aus der Vielfalt der sprichwörtlichen Verwendungen deutlich: Man fasst das Pferd beim Zügel, den Mann beim Wort. Und man soll das Pferd nicht von hinten aufzäumen, sonst wird man bald abgehalftert.
Sattel
Die Ägypter und Griechen verwendeten nur Satteldecken, die Römer Decken mit eingearbeiteten Stützhörnern. Sättel kamen ursprünglich als Packsättel im Gebrauch. Die Reitsättel wurden von den Steppenvölkern erfunden. Die Einheit aus einem durch einen Sattelbaum verstärkten Sattel mit den Steigbügeln war die Voraussetzung für die Entstehung der europäischen Panzerreiter und ihrer militärischen Erfolge. Welch hohe symbolische Bedeutung der Sattel erlangte, belegt der sprichwörtliche Gebrauch: vom fest im Sattel sitzen, jemandem in den Sattel helfen und sattelfest sein bis zu mit allen Sätteln zurechtkommen, aber auch umsatteln oder gar aus dem Sattel geworfen werden.
Sporen
Wer kennt es nicht aus den Westernfilmen: das Klirren der Sporen, wenn die bestiefelten Revolverhelden in die Bar stapfen und nach einem Whisky verlangen? Klimpern gehört eben zum Handwerk wie der Sporn zum Reiter. Sporen sind ein Mittel der Macht. Sie sollen dem Pferd die Richtung vorgeben und ihm den Willen des Reiters spüren lassen. Neben dem Schwert waren sie das wichtigste Attribut des adeligen Reiters. Man verdiente sich die ersten Sporen. Früher konnte man als Auszeichnung goldene und silberne Sporen überreicht bekommen. Heute reicht auch eine blecherne Medaille oder eine papierene Urkunde.
Hufeisen
„Ein Nagel kann ein Hufeisen retten“, heißt es, „ein Hufeisen ein Pferd, ein Pferd einen Reiter und ein Reiter ein Land.“ Erst die Hufeisen haben die Pferde zu wirklich effizienten Zug- und Reittieren gemacht. Genagelte Hufeisen, wie sie heute verwendet werden, sind seit dem 5. Jahrhundert nach Christus zweifelsfrei nachweisbar. Die Grundform hat sich seither nicht viel verändert. Hufeisen gelten als Glücksbringer. Warum? Das weiß man nicht wirklich. Wegen ihrer Form? Wegen des Werts ihrer Träger. Man muss sie allerdings finden und darf sie nicht suchen. Und man darf auf keinen Fall daran vorbei gehen. Doch die Chance, heute irgendwo auf der Straße ein Hufeisen zu finden, dürfte recht gering sein.
Stegreif und Steigbügel
Die Steigbügel sind eine der wichtigsten reit- und militärtechnischen Innovationen des Frühmittelalters. Die Römer kannten sie noch nicht. Sie wurden wahrscheinlich in Ostasien erfunden und durch die Awaren nach Europa gebracht. Seit der Karolingerzeit gehörte der Stegreif oder Steigbügel fix zur Ausrüstung des reitenden Mannes und wurde wegen seiner wehr- und reittechnischen Bedeutung rasch zum wichtigen Rechtssymbol. Jemandem den Steigbügel zu halten, konnte Ehrerbietung oder Unterwerfung bedeuten. Aber als Steigbügelhalter benutzt zu werden, ist nicht gerade ehrenhaft. Ein Ritter vom Stegreif lebte einst von Straßenräuberei. Aber aus dem Stegreif spielen und reden kann sehr erfrischend sein.
Kummet
Das Kummet oder Kumt hat dem Pferd die Kraft gegeben. Es war die wichtigste Neuerung im mittelalterlichen Transportwesen. Es ermöglichte eine Steigerung der Zugkraft des Pferdes auf das Vier- bis Fünffache. In China oder Zentralasien entwickelt hat es sich in Europa seit dem Ende des 1. Jahrtausends nach Christus durchgesetzt. Die Fortschritte der mittelalterlichen Agrar- und Verkehrsentwicklung sind damit eng verknüpft. Jemandem das Kummet umhängen, bedeutet, ihm schwere Lasten und Arbeit auferlegen. Und andererseits: Hast du das Kummet aufgenommen, sagt das Sprichwort, dann sage nicht, dass du zu schwach bist.
Peitsche
Die Mensch-Pferd-Beziehung ist auch eine Geschichte der Leiden, eine Geschichte von Herrschaft und Einhegung: in Koppeln und Boxen, mit Zaumzeug, Kandare, Sporen und Peitsche. Wie kein anderes Accessoire der Pferdehaltung und Pferdenutzung ist die Peitsche auch ein Zeugnis der Gewalt gegen Tiere. Als Symbol der Unbarmherzigkeit gegen das Tier und seiner bisweilen sehr rücksichtslosen Indienstnahme. Schön gestaltete Peitschen und Gerten sind Statussymbole. Doch es gehört zum Ehrenkodex von Reiter und Fahrer, sie richtig zu nutzen und ein Tier nicht durch Schläge zu mehr Leistung oder Gefügigkeit antreiben zu wollen. Das geschundene Pferd muss der Geschichte angehören.
Stiefel
Der Stiefel ist eng mit der Reiterei und dem militärischen Bereich verbunden. Und doch leitet sich das Wort aus dem friedlichen Bereich der Geistlichkeit her, vom lateinischen „aestivale“, dem „Sommerschuh“ der Mönche. Bis ins 20. Jahrhundert kennzeichneten die Stiefel die adelig-militärisch geprägten Männergesellschaften: Generäle, Cowboys, Landsknechte und Studenten. Adolf Loos erwartete 1899 für das 20. Jahrhundert eine neue, demokratischere Gesellschaft, in welcher der Schnürschuh den Reitstiefel ersetzen werde, ohne zu ahnen, wie sehr der "Kamerad Schnürschuh" in zwei Weltkriegen das Gesicht Europas bestimmen sollte. Inzwischen hat der Stiefel ein anderes Gesicht bekommen: als Fußkleidung für Frauen und friedliche Reiter.
Hose
Kein Kleidungsstück ist so sehr zum Zeichen männlicher Überlegenheit und gleichzeitig Signal weiblicher Emanzipation geworden wie die Hose. Die Hosen gelten als Erfindung der Reitervölker. Zum Statussymbol wurden sie durch die fast auf den Leib geschmiedeten Rüstungen mittelalterlicher Panzerreiter. Frauen ritten im Seitsitz. Der Kampf um die Hose wurde zum Leitbild der im 19. Jahrhundert einsetzenden Frauenemanzipation, sowohl im Sport wie im Gesellschaftsleben. Heute ist die Reithose wie die Hose ganz generell zu einem formvollendeten und auch unumstrittenen weiblichen Kleidungsstück geworden. Doch wer die Hose anhat, dem wird noch immer viel Einfluss zugeschrieben.
Scheuklappen
Pferde sind Fluchttiere. Mit ihrem fast vollständigen Rundblick von nehmen sie alles wahr, was sich von der Seite oder von schräg hinten nähert. Geblendete Rossstirnen und Scheuklappen sollten schon seit dem Mittelalter verhindern, dass die Pferde von der Seite oder von hinten abgelenkt oder aufgescheucht werden. Die Menschen haben ein viel kleineres Gesichtsfeld. Das ist der Grund, dass schon früh der fehlende geistige Horizont mancher Menschen mit Scheuklappen gleichgesetzt wurde, weil Menschen bisweilen viel weniger sehen als ihre Pferde.
Pferdefuß
Das Pferd ist ein Zehenspitzengeher. Sein Fuß ist ein Wunderwerk der Natur. Doch der Pferdefuß ist zum Kennzeichen des Teufels geworden. Dass sagenhaften und geheimnisvollen Schmieden wie Dädalus oder Wieland Gehbehinderungen zugeschrieben wurden, mag vielleicht auch mit Berufskrankheiten erklärt werden. Hinkende Zauberer und Schamanen, die übernatürliche Kräfte besitzen und meist mit Bocks- oder Pferdefüßen dargestellt werden, sind im ganzen eurasischen Kulturkreis verbreitet. Auch unser Teufel gehört in diesen Kontext. Er kann in noch so schönen Verkleidungen auftreten. Der Pferdefuß entlarvt ihn. Aus dem Repertoire der Theologie ist er inzwischen tunlichst verbannt. Nicht einmal mehr im Brauchtum darf er auftreten. Aber einen Pferdefuß möchte man immer noch lieber nicht in seinen Akten und Projekten finden.
Amtsschimmel
Jeder glaubt ihm schon einmal begegnet zu sein, dem Amtsschimmel, auch wenn dieser nicht, wie das Wort vermuten ließe, tatsächlich ein Pferd ist, sondern sich vom lateinischen „Simile“, dem Muster oder Formular, herleitet. Der "Amtsschimmel" hat also nichts mit verschimmelten Akten, weißen Pferden oder berittenen Boten gemeinsam. Der Schimmelbrief machte den Amtsschimmel: Mit Hilfe von Standard-Vordrucken und Formularen ließen sich auch in einem Zeitalter, das noch nicht von Kopierern und digitalen Akten, sondern von hand- und maschinschriftlichen Büros geprägt war, ähnlich lautende Anliegen schematisch und zügig erledigen. Im Zeitalter von „copy and paste“ ist das „Simile“ Geschichte. Aber der Amtsschimmel wiehert immer noch.
Steckenpferd
Als Kinderspielzeug waren Steckenpferde bereits im Mittelalter gebräuchlich: Sie hatten damals eine ähnliche Bedeutung wie hernach diverses Kriegsspielzeug oder heute Spielzeugautos. Das 19. Jahrhundert war die große Zeit der Steckenpferde. Seit dem 18. Jahrhundert ist der Begriff „Steckenpferd“ auch zum Ausdruck für mehr oder weniger teure und zeitaufwendige Hobbies und Freizeitbeschäftigungen geworden. Als Kinderspielzeug sind Steckenpferde längst unmodern geworden. Sie sind durch Tretroller, Dreiräder und Buggies verdrängt. Aber irgendwelche Steckenpferde hat fast jeder Mensch. Und das ist gut so.
Schaukelpferd
Schaukeln gehört zu den ältesten Erfahrungen des Menschen. Generationen von Schaukelpferden sind durch die Kinderzimmer galoppiert. Hölzerne Pferde auf Rädern zum Nachziehen oder Aufsitzen gab es als Kinderspielzeug schon im antiken Rom und Athen. Auf Kufen montierte Schaukelpferde dürften allerdings frühestens im 17. Jahrhundert in Gebrauch gekommen sein. Die Zeit ihrer größten Faszination war das 19. Jahrhundert. Da zierten sie die Gabentische reicher Adels- und Bürgerhaushalte. Erloschen ist der Reiz des Schaukelns auch heute nicht. Schaukeln kann beruhigen und in Sicherheit wiegen, aber auch zum "Verschaukeln" führen.
Autor: Roman Sandgruber, 2016
Mensch & Pferd - Kult und Leidenschaft - Dokumentation zur OÖ Landesausstellung 2016, 29. April bis 6. November 2016 im Pferdezentrum Stadl Paura.