Homosexualität

In Österreich galt bis 1971 der § 129 des Österreichischen Strafgesetzbuches, der unter dem Straftatbestand Verbrechen der Unzucht wider die Natur auch die Homosexualität umfasste. Als Strafmaß waren ein bis fünf Jahre schweren Kerkers vorgesehen. Im Gegensatz zum deutschen Recht betraf dieser Paragraf auch lesbische Handlungen. Im Deutschen Reich wurde Homosexualität nach § 175 des Deutschen Strafgesetzbuches verfolgt, der ein Vorgehen bereits bei Verdacht auf eine Unzuchtshandlung erlaubte und nicht erst, wie in Österreich, nach Vorliegen einer solchen. Da es bis zum Untergang des Dritten Reiches zu keiner Rechtsangleichung in diesem Punkt kam, urteilten die Richter in der Ostmark weiterhin nach § 129, wurden aber dazu angehalten, ihn im Sinne des deutschen Paragrafen streng auszulegen. Die Anzahl an Prozessen gegen Homosexuelle stieg nach dem Anschluss an und erreichte in Oberdonau 1940 ihren Höhepunkt.

Verfolgung von Homosexuellen
Die Verfolgung der Homosexuellen lag in den Händen des Sittlichkeitsreferates der Staatlichen Kriminalpolizei in der Kripoleitstelle Linz. Leiter der Sittenpolizei war Kriminal-Oberassistent Ferdinand Stanek. Waren Minderjährige oder Frauen betroffen, oblagen die Ermittlungen der Dienststelle Weibliche Kriminalpolizei, die ebenfalls bei der Kripoleitstelle Linz angesiedelt war. In die Zuständigkeit der Gestapo fielen alle Fälle, die die Partei betrafen oder in denen Kontakte zum Ausland eine Rolle spielten. Die Gestapo initiierte in Oberdonau auch das massive Vorgehen gegen die Barmherzigen Brüder: ab Mai 1938 wurden insgesamt 44 Mitglieder der Ordensgemeinschaft der Homosexualität beschuldigt und in Linz vor Gericht gestellt.

Das NS-Regime betrachtete die Sexualität des einzelnen Bürgers nicht als dessen Privatsache. Da das Wachstum der Bevölkerung zu seinen erklärten Zielen gehörte, hatte der Staat ein massives Interesse am Sexualleben seiner Bürger. Homosexualität bedeutete für ihn eine Gefährdung für den Erhalt der eigenen Rasse. Interessanterweise war die Intensität der Verfolgung homosexueller Männer und lesbischer Frauen nicht miteinander vergleichbar. Frauen billigte man zu, dass sie auch weiterhin Kinder bekommen und damit zum Erhalt der Rasse beitragen konnten. Verurteilte waren vom Strafvollzug ausgenommen, solange sie minderjährige Kinder zu versorgen hatten.

Verhaftungen und Einweisungen in Straflager und Konzentrationslager
Aufgrund des aus dem deutschen Recht übernommenen Gewohnheitsverbrechergesetzes von 1933 konnten Richter als Strafverschärfung zeitlich unbefristete Sicherheitsverwahrung anordnen. 1942 konnte als weitere Verschärfung die Haftzeit auf die gesamte Kriegsdauer ausgedehnt werden. Ein Runderlass des Reichssicherheitshauptamtes von 1940 verfügte, dass Homosexuelle, die der Verführung mehrerer Partner schuldig gesprochen wurden, nach der Haftentlassung in polizeiliche Vorbeugehaft genommen werden sollten, was die Einweisung in ein Konzentrationslager bedeutete. Die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat ermöglichte es schließlich, Homosexuelle auch ohne gerichtliche Entscheidung in Konzentrationslager einzuliefern. Hier sollten sie durch die harten Lagerbedingungen wie geringe Essensrationen, Isolierung, ständige Überwachung und den Einsatz in besonders harten Arbeitskommandos zu Heterosexuellen umerzogen werden. Auf Anweisung des Reichsjustizministeriums kamen Homosexuelle auch in Strafgefangenenlager im Emsland im Nordwesten Deutschlands, wo sie harte Zwangsarbeit leisten mussten. Oberösterreicher wurden sowohl in die Emslandlager als auch in das Gefangenenlager Rodgau bei Dieburg (Hessen) und in das Straflager Elbregulierung Griebo bei Coswig (Sachsen) eingeliefert. Die Einweisung in ein Straflager war meist die Vorstufe zur anschließenden Überstellung in ein Konzentrationslager. In den KZ mussten Homosexuelle als Kennzeichen einen rosa Winkel auf der Häftlingskleidung tragen, teilweise aber auch als Gewohnheitsverbrecher einen grünen. In der Häftlingshierarchie waren sie weit unten angesiedelt und Übergriffen von Wachmannschaften und Mithäftlingen ausgesetzt.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches wurden Homosexuelle aus Konzentrationslagern befreit, die in Gefängnissen inhaftierten mussten ihre Strafen zum Teil aber weiter absitzen, weil Homosexualität auch im Nachkriegsösterreich als Straftat galt. Entschädigungen für das erlittene Unrecht wurden ihnen erst in den 1990er Jahren zuerkannt.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]