Kriegsgefangene
in Oberdonau

Die kriegführenden Staaten des Zweiten Weltkrieges waren in der Behandlung der Kriegsgefangenen einerseits an die Genfer Konvention gebunden, andererseits gegenüber der Sowjetunion, die die Konvention nicht ratifiziert hatte, an die Haager Landkriegsordnung. Letztere sah unter anderem eine menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen vor, Arbeitseinsätze nur für Mannschaften und nicht für Offiziere und die Unterstützung von Hilfsgesellschaften wie dem Roten Kreuz. In der Genfer Konvention wiederum war festgelegt, dass Kriegsgefangene keinen Repressionen ausgesetzt sein durften und es Schutzmächten gestattet war, die Lager zu kontrollieren. Ebenso war die mögliche Bestrafung von Gefangenen genau definiert und reglementiert. Sowohl das Deutsche Reich als auch die UdSSR zeigten aber wenig Interesse, diese Bestimmungen einzuhalten.

Kriegsgefangenenlager
Je nach Waffengattung existierten in Deutschland eigene Kriegsgefangenenlager für Angehörige der Marine, der Luftwaffe und der Wehrmacht. Die Wehrmacht wiederum unterschied ihre Lager in Stalags (Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlager), in denen die Mannschaften und Unteroffiziere untergebracht waren, und in Oflags (Kriegsgefangenen-Offizierslager), in denen Offiziere mit Mannschaften als Ordonnanzen lebten. Offiziere leisteten Arbeit nur freiwillig. Eine Ausnahme bildeten die Offiziere der Roten Armee. Sie wurden gemeinsam mit den Mannschaften in Stalags untergebracht und wurden zur Zwangsarbeit herangezogen. Eine eigene Kategorie bildeten die so genannten Schattenlager. Dabei handelte es sich um Kommandanturen, die nur für die Verwaltung der außerhalb der Lager bestehenden Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos zuständig waren. Die Kriegsgefangenen-Bau- und Arbeitsbataillone gehörten organisatorisch meist zu einem Stalag, bildeten aber eigene Einheiten mit einem gesonderten Stab und kamen geschlossen in der Industrie und bei Aufräumungsarbeiten nach Bombenangriffen zum Einsatz.

Stalag Pupping
Das einzige Stalag in Oberdonau befand sich in Pupping. Die ersten Planungen 1941 gingen in Richtung eines Schattenlagers, das die Verwaltung von 25.000 bis 30.000 Kriegsgefangenen übernehmen sollte, weil diese vom Stalag XVII B Gneixendorf nicht mehr ausreichend durchgeführt werden konnte. Als ursprünglicher Standort war Kremsmünster vorgesehen. Nach einem Einspruch von Gauleiter Eigruber gegen diesen Standort fiel die Wahl auf Pupping [...]. 1941 wurde in Pupping dann schließlich kein Schattenlager, sondern ein Stalag aufgebaut, das aber bald an der russischen Front zum Einsatz kam. Die Baracken in Pupping dienten anschließend als Zweiglager des Stalag Gneixendorf. 1943 wurde schließlich das Stalag XVIII B von Wagna/Leibitz nach Pupping verlegt und erhielt die Bezeichnung Stalag 398 Pupping. Der Großteil der in Pupping Inhaftierten waren französische Kriegsgefangene.

1942 waren die Zustände im Lager schlecht, beanstandet wurden der mangelhafte Zustand der Gebäude und die Probleme mit der Wasserver- und der Abwasserentsorgung. Der Großteil der Todesfälle musste in diesem Jahr verzeichnet werden. Die Gefangenen starben an Durchfall, Tuberkulose und allgemeiner Abmagerung. Die Verhältnisse besserten sich aber und neben den Unterkunftsbaracken entstanden ein Krankenrevier, eine Schuster- und Schneiderwerkstatt und eine Zahnstation. Ernsthaft Erkrankte wurden seit 1943 in das Reservelazarett für Kriegsgefangene und Militärinternierte nach Haid gebracht. Dieses Reservelazarett war einem Arbeitslager für Zwangsarbeiter angegliedert.

[Literaturhinweis: Zum Stalag 398 Pupping ist 2025 eine Publikation von Paul Huemer im Eigenverlag erschienen.]

Verhältnis Bevölkerung - Kriegsgefangene
Das Verhalten der Bevölkerung gegenüber den Kriegsgefangenen wurde von der NS-Propaganda gesteuert. Am schlechtesten gestellt waren die sowjetischen Kriegsgefangenen, nicht zuletzt aufgrund der von der Partei propagierten These vom russischen Untermenschen. Ihnen gleichgestellt waren die italienischen Militärinternierten. Die beste Behandlung erfuhren Franzosen, gefolgt von den Belgiern, Holländern und Norwegern. Eine Sonderstellung hatten die Briten inne, die großteils eine reservierte Haltung gegenüber der Bevölkerung einnahmen, und die US-Amerikaner, die in relativ wenig Kontakt zu den Einheimischen in Oberdonau kamen. Am unteren Ende der Kriegsgefangenenhierarchie aber noch über den Italienern und den Angehörigen der Roten Armee befanden sich die Gefangenen aus Südosteuropa und Polen. Jüdische Kriegsgefangene wurden bis 1944 genauso wie ihre nicht-jüdischen Kameraden behandelt. Erst nach der Übernahme des Kriegsgefangenenwesens durch die SS separierte man sie innerhalb der Lager. Zu gewaltsamen Übergriffen kam es nur in Einzelfällen. Eine Ausnahme bildeten auch hier wieder die jüdischen Soldaten der Roten Armee. Die wenigsten überlebten ihre Gefangennahme und kamen überhaupt in Stalags. Bei immer wieder durchgeführten Aktionen wurden sie hier von ihren Kameraden getrennt und in das KZ Mauthausen eingeliefert.

Aktion Kugel
1944 ordnete das Oberkommando der Wehrmacht mit der geheimen Aktion Kugel an, dass geflohene und wieder aufgegriffene Offiziere und Unteroffiziere, die nicht im Arbeitseinsatz standen, an die Sicherheitspolizei und den SD zu übergeben seien, die sie dann in das KZ Mauthausen einlieferten. Offiziell galten die Betroffenen als geflohen. Ausgenommen von der Aktion Kugel waren lediglich britische und amerikanische Offiziere.

Mühlviertler Hasenjagd
Das KZ Mauthausen diente auch als Kriegsgefangenenlager. Hier ereignete sich am 2. Februar 1945 die größte Massenflucht des gesamten Wehrmachtsbereiches. 419 sowjetischen Offizieren gelang die Flucht. Die SS machte sich gemeinsam mit Gendarmen, Hitlerjungen und Volkssturmmännern auf eine erbarmungslose Suche, die als Mühlviertler Hasenjagd bekannt wurde. (siehe Kapitel „Orte des Terrors“)

Kriegsgefangene als Arbeitskräfte
Oberste Priorität in der Kriegsgefangenenfrage hatte für den NS-Staat die Ausnutzung der Arbeitskraft der Gefangenen. Sie wurden auf Bauernhöfen ebenso eingesetzt wie in der Industrie und sollten die fehlenden deutschen Arbeitskräfte ersetzen. Im Stalag Pupping organisierte dies die Gruppe Arbeitseinsatz. Sie stand in engem Kontakt zu den Arbeitsämtern, bei denen die Anträge um Zuweisung von Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte gestellt wurden. Der Einsatz und die Unterbringung eines Gefangenen auf einem Bauernhof sah zwar verpflichtend die Anwesenheit eines einheimischen Mannes vor, der als Hilfswachmann verpflichtet werden konnte, in der Realität konnte die Vorschrift aber nicht immer eingehalten werden. Während die Kriegsgefangenen zu Beginn ihrer Gefangenschaft abends immer von ihren Arbeitsplätzen in die Lager zurückkehren mussten, blieben sie später die ganze Woche dort. Den Weg zwischen Stalag und Arbeitsstätte durften sie ohne Bewachung zurücklegen, was ihnen durch einen eigenen Ausweis bestätigt wurde. Ganz anders sah hier wiederum die Situation der sowjetischen Kriegsgefangenen aus. Sie durften anfangs nur in größeren Gruppen und bei größeren Arbeitsvorhaben eingesetzt werden, Außerdem war strikte Trennung von anderen Kriegsgefangenen und Arbeitern vorgeschrieben.

Evakuierungsmärsche zu Kriegsende
Nach dem Fall von Stalingrad häuften sich auch in Oberdonau Berichte über widersetzliches Verhalten der Kriegsgefangenen, die eine Niederlage des Dritten Reiches näher rücken sahen. Gegen Ende des Krieges kam es zu Evakuierungsmärschen von Kriegsgefangenen, besonders aus jenen Lagern, die sich vom Vorrücken der Roten Armee bedroht sahen. Die Märsche führten entlang der Donau und durch das Mühl- und Waldviertel Richtung Braunau. Zum Teil endeten sie in einer Katastrophe, wie der Marsch der 500 bis 600 rumänischen Kriegsgefangenen aus Wien-Ottakring, von denen lediglich 300 bis 400 Mann Braunau erreichten. Alle anderen waren unterwegs an Entkräftung gestorben oder von der SS-Begleitmannschaft wegen Marschunfähigkeit oder bei Fluchtversuchen erschossen worden. Von April bis Mai 1945 bestand im Weilhartforst bei Braunau ein Sammellager für evakuierte Kriegsgefangene. Der deutsche Kommandant übergab es am 27. April 1945 an inhaftierte amerikanische Offiziere.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]