Roma und Sinti

Für die nationalsozialistischen Rassenideologen waren die Gruppen der Roma und Sinti ein Problem: Einerseits galten sie aufgrund ihrer indischen Herkunft als Arier, andererseits wurden sie aber als artfremd eingestuft. In den nationalsozialistischen Theorien wurden sie als „geistig minderwertig und asozial“ beschrieben; ihnen wurde nur ein minderer Intellekt zugestanden, weshalb sie „weniger gefährlich“ für die Deutschen wären als die Juden. Eine Vermischung mit deutschem Blut müsse jedoch unterbunden werden.

Verhaftungswelle nach dem Anschluss
Der Erlass über die vorbeugende Verbrechensbekämpfung erlangte durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 auch in Österreich Geltung. Er ermöglichte es den Behörden, Roma und Sinti als potenziell asozial in Vorbeugehaft zu nehmen und in Konzentrationslager einzuweisen. Während dieser Erlass noch auf alle Bevölkerungsschichten anwendbar war, richtete sich der Grunderlass zur Bekämpfung der Zigeunerplage von Dezember 1938 nur mehr gegen die Roma und Sinti. Bei den Kripoleitstellen wurden eigene Zigeunerreferate eingerichtet, zu deren Aufgaben die Erfassung und Registrierung der Roma und Sinti gehörten. Unmittelbar nach dem Anschluss setzte im Rahmen der Aktion Arbeitsscheu Reich eine Verhaftungswelle ein, von der auch die Roma und Sinti im ehemaligen Österreich betroffen waren.

Restriktive Verbote
Aufgrund eines Runderlasses des Bundeskanzleramtes vom 16. März 1938 verloren alle Roma und Sinti ihr Stimmrecht. Musizierverbote und die äußerst restriktive Ausgabe von Wandergewerbescheinen entzog vielen von ihnen ihre traditionelle Lebensgrundlage. Seit dem Schuljahr 1939/40 durften Kinder, die den Roma oder Sinti angehörten, keine öffentlichen Schulen mehr besuchen. Vor allem das Burgenland nahm dabei eine Vorreiterrolle ein. Im Altreich wurde den Kindern der Schulbesuch erst im März 1941 untersagt. Die Auswirkungen waren katastrophal, weil die Überlebenden nach 1945 meist Analphabeten waren und in ihren beruflichen und persönlichen Möglichkeiten stark eingeschränkt blieben.

Festsetzungserlass und Einweisung in Anhaltelager
Im Oktober 1939 verfügte das Reichssicherheitshauptamt mit dem Festsetzungserlass, dass kein Roma oder Sinti mehr seinen aktuellen Aufenthaltsort verlassen dürfe. Sie wurden in Sammellagern zusammengefasst, ihre Wohnwagen und Pferde, aber auch Immobilien und Barvermögen vom Staat beschlagnahmt. In Oberdonau bestand von Jänner bis November 1941 ein Zigeuneranhaltelager in Weyer, in das mehr als 300 Roma und Sinti eingewiesen wurden. Nach der Auflösung des Lagers kamen die verbliebenen Häftlinge in das Zigeuneranhaltelager Lackenbach im ehemaligen Burgenland, von wo aus die Deportationszüge in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau fuhren, in dem es ein eigenes Zigeuner-Familienlager gab.

Systematische Ermordung ab 1942
Der Auschwitz-Erlass von Heinrich Himmler von Dezember 1942 besiegelte das Schicksal der Roma und Sinti im deutschen Herrschaftsbereich. Ziel der nationalsozialistischen Politik war nun nicht mehr ihre Absonderung von der Gesellschaft, sondern ihre Ermordung. 1942 wurden alle wehrdienstleistenden Roma und Sinti aus der Wehrmacht ausgeschlossen und kamen bis spätestens Frühjahr 1943 ebenfalls in das KZ Auschwitz. Im August wurde das Familienlager aufgelöst, alle Arbeitsfähigen brachte man in die Konzentrationslager Buchenwald und Ravensbrück, die Verbliebenen wurden ermordet.

Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher

Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]