Zwangsarbeit in Oberdonau hatte sehr unterschiedliche Gesichter. Sie wurde von zivilen ausländischen ArbeiterInnen aus allen Teilen des von den Deutschen besetzten Europa geleistet, von Kriegsgefangenen, KZ-Häftlingen und den so genannten italienischen Militärinternierten. ZwangsarbeiterInnen kamen auf den unterschiedlichsten Gebieten zum Einsatz: von der Bauwirtschaft über die Rüstungsindustrie bis zur Landwirtschaft. Durch den steigenden Arbeitskräftebedarf der Rüstungsindustrie und den gleichzeitigen Verlust von einheimischen Arbeitskräften an die Wehrmacht war die deutsche Kriegswirtschaft seit 1941/42 existenziell auf den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen angewiesen.
Hierarchisierung der ZwangsarbeiterInnen gemäß der NS-Rassenideologie
Die NS-Rassenideologie wirkte sich auch auf die Lebensbedingungen der ZwangsarbeiterInnen aus. An der Spitze der Hierarchie befanden sich ZwangsarbeiterInnen aus von den Nationalsozialisten als germanische Staaten definierten Ländern wie Flamen und Dänen, ihnen folgten ZwangsarbeiterInnen aus Westeuropa, anschließend jene aus Süd- und Südosteuropa, gefolgt von den TschechInnen und SlowakInnen, schließlich die PolInnen und die so genannten OstarbeiterInnen, BürgerInnen der Sowjetunion. Am untersten Ende standen die KZ-Häftlinge, unter denen wiederum eine eigene Häftlingshierarchie herrschte.
Von freiwilliger Anwerbung zur zwangsweisen Rekrutierung
Die Formen des Zwanges, unter dem die ausländischen Arbeitskräfte standen, unterschieden sich sehr stark. So gab es ArbeiterInnen, die sich ursprünglich freiwillig nach Deutschland zur Arbeit anwerben ließen, aber nach Erfüllung ihres Vertrages nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren durften. UkrainerInnen, die sich nach dem Einmarsch deutscher Truppen in der Ukraine ebenfalls freiwillig gemeldet hatten, fanden sich in Lagern wieder – mit schlechter Verpflegung und ohne die Möglichkeit einer Rückkehr in die Heimat.
Anfangs verfolgte das NS-Regime die Strategie der freiwilligen Anwerbung von Arbeitskräften. Bald stellte sich allerdings heraus, dass die deutsche Wirtschaft mehr ArbeiterInnen benötigte, als auf diesem Weg rekrutiert werden konnten. In den von den Deutschen besetzten Ländern begannen zwangsweise Aushebungen von Männern und Frauen, die zur Arbeit nach Deutschland gebracht wurden. In den besetzten Ländern Westeuropas wurde eine Dienstpflicht eingeführt. Weigerten die Betroffenen sich, dieser Verpflichtung nachzukommen, drohte man ihnen mit dem Entzug der Lebensmittel- und Kleiderkarten. 1943 schloss Fritz Sauckel, seit 1942 Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz, mit der französischen Vichy-Regierung ein Abkommen, das vorsah, für je drei französische Arbeiter, die nach Deutschland kamen, einen französischen Kriegsgefangenen freizulassen.
Eine besondere Gruppe stellten die Italiener dar. Ursprünglich galt Italien als befreundetes Ausland und damit als Rekrutierungsgebiet für freiwillige Arbeitskräfte. Nach der Landung der Alliierten auf Sizilien, dem ersten Sturz Mussolinis und der Unterzeichnung des Waffenstillstandes zwischen den Alliierten und Italien startete Deutschland einen militärischen Gegenschlag. Die 600.000 italienischen Kriegsgefangenen, die dabei in deutsche Hand fielen, kamen unter der Bezeichnung Militärinternierte nach Deutschland, eine größere Gruppe auch nach Oberdonau. Da Deutschland Italien offiziell noch nicht als feindlichen Staat betrachtete, galten sie nicht als Kriegsgefangene. 1944 änderte man ihren Status in zivile Zwangsarbeiter.
Die Lebensumstände der ZwangsarbeiterInnen waren sehr unterschiedlich. Sie reichten von erträglichen Verhältnissen mit ausreichender Ernährung und ärztlicher Versorgung bis zu grausamen Übergriffen von Lagerleitern und Wachpersonal. Tendenziell war die Situation für die AusländerInnen, die in der Landwirtschaft arbeiteten, in Oberdonau vor allem Franzosen und Polen, besser als für die RüstungsarbeiterInnen. Trotzdem darf das starke Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich die landwirtschaftlichen ZwangsarbeiterInnen zu den Bauern befanden, nicht unterschätzt werden. OstarbeiterInnen erhielten im Vergleich zu anderen Gruppen einen geringeren Lohn, weil von ihnen bis 1944 die so genannte Ostarbeiterabgabe einbehalten wurde. In ihrer Heimat galten sie zudem auf Befehl Stalins als Verräter und bekamen daher auch keine Pakete von zu Hause. Erst 1995 wurden sie von Boris Jelzin offiziell rehabilitiert.
Fremdvölkische Säuglings- und Kinderheime
Mehr als die Hälfte der Ostarbeiter waren Frauen. Bis zum Jahr 1942 wurden Ostarbeiterinnen und Polinnen, wenn sie schwanger wurden, auf Kosten der Arbeitsämter nach Hause geschickt. Als der Verdacht aufkam, dass sie die Schwangerschaften dazu benutzten, um Deutschland wieder verlassen zu können, schlug Gauleiter August Eigruber dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler daher vor, neugeborene Kinder von Ostarbeiterinnen, Polinnen, Sloweninnen, Bulgarinnen und Tschechinnen in eigenen Heimen unterzubringen, damit die Arbeitskraft der Mütter dem Reich erhalten bliebe. Für die Kosten sollten die Mütter aufkommen. Wenn das Kind einen deutschen Vater hatte, sollte zudem die Möglichkeit einer Eindeutschung geprüft werden.
Nach Himmlers Zustimmung entstand in Spital/Pyhrn im Lindenhof ein Fremdvölkisches Säuglingsheim. Schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen in Oberdonau kamen seit 1942 in der Regel nach Linz in das Durchgangslager 39. Die Entbindungen fanden großteils in der Frauenklinik in Linz, fallweise auch im AKH statt.
Nach Himmlers Zustimmung entstand in Spital/Pyhrn im Lindenhof ein Fremdvölkisches Säuglingsheim. Schwangere Ostarbeiterinnen und Polinnen in Oberdonau kamen seit 1942 in der Regel nach Linz in das Durchgangslager 39. Die Entbindungen fanden großteils in der Frauenklinik in Linz, fallweise auch im AKH statt.
1943 wurde auf dem Gelände der Frauenklinik eine eigene Ostarbeiterinnen-Baracke für die Geburten errichtet. Als die Frauenklinik wegen der Luftangriffe nach Bad Hall übersiedelte, entstand auch dort eine solche. Unter den Säuglingen, die nach Spital/ Pyhrn kamen, war die Sterblichkeit sehr hoch. Nach einem Bericht des zuständigen Arztes wurde der Lindenhof überprüft und festgestellt, dass für jeden Säugling am Tag ein halber Liter Milch und 1 ½ Stück Würfelzucker zur Verfügung standen. Die NSV ersuchte Himmler daraufhin um eine generelle Entscheidung, ob die Kinder der Ostarbeiterinnen und Polinnen sterben oder als künftige Arbeitskräfte für das Reich großgezogen werden sollten. Himmler entschied sich für Letzteres, worauf sich die Verhältnisse am Lindenhof etwas besserten. Neben dem Haus in Spital/Pyhrn wurden in Oberdonau noch weitere Fremdvölkische Kinderheime eingerichtet, unter anderem in Schloss Etzelsdorf in Pichl bei Wels, in Braunau/ Inn, in Schwanenstadt und in Schloss Windern in Desselbrunn. Die schlechte Versorgung der Kinder wurde immer wieder zum Thema bei einzelnen Behörden.
Seit 1943 konnten Abtreibungen bei Ostarbeiterinnen und Polinnen straffrei durchgeführt werden. Notwendig dazu war eine Genehmigung durch einen Gutachter. Diese Schwangerschaftsabbrüche wurden ebenfalls in der Ostarbeiterinnen-Baracke der Frauenklinik und fallweise im AKH durchgeführt. Der Grad der „Freiwilligkeit“ dieser Abtreibungen lässt sich schon daran erkennen, dass viele Betroffene versuchten, ihre Schwangerschaft zu verbergen oder der Überweisung in die Frauenklinik keine Folge leisteten.
Im Jahr 2000 richtete Österreich einen Versöhnungsfonds ein, aus dem symbolische Beiträge an die Opfer der Zwangsarbeit geleistet werden.
Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher
Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]
Der Ausbau von Linz in der NS-Zeit stand im ursächlichen Zusammenhang mit der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen, Kriegsgefangenen und zivilen ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern.
Dauer: 3:23 Minuten
Produktion: Archiv der Stadt Linz / Stadtkommunikation
http://www.linz.at/geschichte/de/989.asp
Lizenz: Standard-YouTube-Lizenz
Veröffentlicht am 01.08.2012