Religionsfreiheit bestand im Nationalsozialismus nur in der Theorie. Aufgrund des nationalsozialistischen Totalitätsanspruchs musste es zwangsweise zu einer Auseinandersetzung mit den christlichen Kirchen kommen. Da der Katholizismus in Oberösterreich auch in der Zeit des Nationalsozialismus die vorherrschende Religion war, liegt der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen auf einer Betrachtung der katholischen Kirche. Die antikirchlichen Maßnahmen trafen aber auch die Angehörigen der evangelischen und altkatholischen Kirche.
Bischof Johannes Maria Gföllner
Der Linzer Bischof Johannes Maria Gföllner war ein vehementer Gegner des Nationalsozialismus und brachte dies auch vor der Machtübernahme 1938 immer wieder zum Ausdruck. 1933 warnte er in seinem Hirtenwort Über wahren und falschen Nationalismus vor den Gefahren des Nationalsozialismus. Den Aufruf der österreichischen Bischöfe, bei der Volksabstimmung am 10. April 1938 für den Anschluss zu stimmen, unterzeichnete er nur widerwillig. Seine Haltung gegenüber dem NS-Regime war in der Folge von äußerster Zurückhaltung geprägt.
Generalvikar Josef Fließer
Nach Bischof Gföllners Tod am 3. Juni 1941 folgte ihm Generalvikar Joseph Fließer nach, der den Nationalsozialismus ebenfalls ablehnte, aber eine pragmatischere Haltung als Gföllner einnahm. Offener Widerstand gegen das Regime kam für ihn als wenig zielführend nicht in Frage; stattdessen setzte er auf eine Taktik des Durchhaltens. Die Arbeit der Kirche sollte möglichst nicht durch ein unüberlegtes Vorgehen gefährdet werden.
Kirchenaustritte und Kirchensteuer
Die in Deutschland 1936 einsetzende Welle an Kirchenaustritten griff nach dem Anschluss auch auf die Ostmark über. Ihren Höhepunkt erreichte sie in Oberösterreich 1939 mit über 16.000 Austritten. Gefördert wurden die Kirchenaustritte durch die Einführung der Kirchensteuer im Mai 1939. Bis zu diesem Zeitpunkt finanzierte sich die Kirche vor allem aus dem Religionsfonds und Staatsmitteln. Der Religionsfonds umfasste im Wesentlichen das Vermögen der von Kaiser Joseph II. eingezogenen kirchlichen Besitztümer. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten den Religionsfonds, strichen die staatliche Unterstützung der Kirche und führten die Kirchensteuer ein.
Zerschlagung des katholischen Vereinswesens
Unmittelbar nach dem Anschluss begann die Zerschlagung des katholischen Vereinswesens mit dem Ziel, der katholischen Kirche mit den Vereinen auch eine wichtige Basis für die Seelsorge zu entziehen. Im April 1938 legten die Nationalsozialisten der Diözese eine Liste mit allen aufzulösenden Vereinen vor, darunter der Katholische Volksverein und die Katholische Frauenorganisation. Der Kirche gelang es – trotz der Verschärfung der Lage durch das Gesetz zur Überleitung und Eingliederung von Vereinen, Organisationen und Verbänden von Mai 1938, in dem die Neuordnung des österreichischen Vereinswesens durch den Stillhaltekommissar geregelt wurde – ihre Vereine selbst aufzulösen. Auf das Vereinsvermögen erhielt sie aber nur teilweise Zugriff.
Übernahme des kirchlichen Pressewesens
Ein weiteres Ziel der Nationalsozialisten war die Übernahme und Ausschaltung des kirchlichen Pressewesens. Die katholische Tages- und Wochenpresse musste eingestellt werden, ebenso die Tätigkeit kirchlicher Verlage und Druckereien. So wurde beispielsweise der Katholische Pressverein aufgelöst. Die Herausgabe katholischer Druckwerke war damit weitestgehend unterbunden.
Einschränkungen im kirchlichen Leben
Das kirchliche Leben wurde massiv eingeschränkt. Die Seelsorge durfte nur mehr in kircheneigenen Gebäuden stattfinden, Gottesdienste und Predigten wurden bespitzelt und Prozessionen überwacht. Von staatlicher Seite schränkte man das Glockengeläut ein und ab März 1940 mussten Glocken als kriegswichtige Metallreserve abgeliefert werden. Kirchliche Feste wie das Fest des Landespatrons Leopold am 15. November, Mariä Himmelfahrt am 15. August und Mariä Empfängnis am 8. Dezember wurden gestrichen, Christi Himmelfahrt und Fronleichnam auf den jeweils folgenden Sonntag verlegt. Vor der Fronleichnamsprozession des Jahres 1943 verbot Gauleiter Eigruber, die Wege mit Blumen zu bestreuen oder Birkenzweige zu verwenden – wegen „Vermeidung jeder Futtermittelvergeudung“.
Einschränkungen im Religionsunterricht
Bereits kurz nach dem Anschluss mussten die meisten kirchlichen Vertreter die Bezirks- und Ortsschulräte verlassen. Der Religionsunterricht in den Schulen wurde stark eingeschränkt, zum Freigegenstand erklärt und in manchen Schultypen überhaupt abgeschafft. An seine Stelle sollte die Deutsche Lebens- und Gesinnungslehre treten. Die Gestapo ließ sich regelmäßig von den Bezirkshauptmannschaften und Magistraten über die Abmeldungen vom Religionsunterricht berichten. Katholische Kindergärten, Privatschulen und Studentenkonvikte wurden geschlossen. Unliebsame Priester erhielten Schul- und Redeverbot. In Oberdonau durften 146 Geistliche keinen Religionsunterricht mehr erteilen, über ein Dutzend musste den Gau verlassen. Das Priesterseminar und die Philosophisch-Theologische Hochschule sahen sich gezwungen, zunächst in das Stift Wilhering und im Oktober 1944 in ein Ausweichquartier in Urfahr zu übersiedeln. Trotzdem konnte der Lehrbetrieb weitergeführt werden.
Enteignung und Auflösung von Stiften und Klöstern
Die oberösterreichischen Stifte und Klöster waren von Enteignungen betroffen oder wurden überhaupt aufgelöst. In den Klostergebäuden wurden NS-Schulen untergebracht oder die Räumlichkeiten der Wehrmacht, der Fürsorge oder dem Rundfunk zur Verfügung gestellt; auch viele Flüchtlinge fanden Unterkunft. Das Augustinerchorherrenstift Reichersberg und das Zisterzienserstift Schlierbach entgingen der Auflösung, waren aber trotzdem von Einquartierungen betroffen.
1942 plante Gauinspektor und SS-Standartenführer Franz Peterseil die Beschlagnahmung sämtlicher Klöster in Oberdonau, in denen sich noch Priester, Ordensbrüder oder -schwestern aufhielten, um in den Gebäuden 60.000 Umsiedler unterzubringen. Bischof Fließer versuchte die so genannte Aktion Peterseil zu verhindern, aber Peterseil beschlagnahmte im Juli 1942 sämtliche Frauenklöster in Linz sowie Klöster und kirchliche Einrichtungen in Krumau, Freistadt, Maria Schnee, Gmunden, Ried/Innkreis, Braunau, Steyr, Vöcklabruck und Hellmonsödt. Ausgenommen blieben nur die Krankenhäuser der Elisabethinen und der Barmherzigen Schwestern. Dem Bischof gelang es schließlich, Spannungen zwischen Gauleiter August Eigruber und Peterseil auszunutzen und einen Teil der Beschlagnahmungen rückgängig zu machen.kirche-in-oberoesterreich
Überwachung der Priesterschaft
Die Priester verhielten sich gemäß der bischöflichen Weisung zwar großteils zurückhaltend gegenüber der Partei, wurden von den Nationalsozialisten aber als potenzielle Gegner ständig überwacht. Bei Hausdurchsuchungen in Pfarrhöfen, Klöstern und Stiften forschte die Polizei nach belastendem Material. Ein Viertel der in Oberdonau zu diesem Zeitpunkt tätigen Priester wurde gemaßregelt oder kam wegen Kanzelmissbrauch, Vergehen gegen das Heimtückegesetz oder wegen Zersetzung der Wehrkraft vor Gericht. Die verhängten Strafen reichten von Geldstrafen über Unterrichtsverbote und Gauverweise bis zu Gefängnisstrafen, Einlieferungen in die Konzentrationslager und Todesstrafen.
Autoren: Josef Goldberger und Cornelia Sulzbacher
Aus: Goldberger, Josef - Cornelia Sulzbacher: Oberdonau. Hrsg.: Oberösterreichisches Landesarchiv (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 11).- Linz 2008, 256 S. [Abschlussband zum gleichnamigen Forschungsprojekt des Oberösterreichischen Landesarchivs 2002-2008.]