Ovilava – Das römische Wels

1. Jahrhundert: Römische Siedlung am Traunufer
Die römische Siedlung entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. am linken Traunufer im Bereich der heutigen Stadt. Eine keltische Vorgängersiedlung lässt sich derzeit nicht nachweisen. Der Grund für die Entwicklung einer Siedlung zur Römerzeit in Wels hängt mit der landschaftlichen und verkehrsgeographisch günstigen Lage zusammen. Es wird vermutet, dass der Traunübergang in Wels bereits in römischer Zeit genutzt wurde. Über Wels verliefen drei bedeutende Hauptstraßen: Die sogenannte „Norische Hauptstraße“ (oder Nord-Süd-Verbindung) und die Ost-West-Verbindung entlang der Donau Richtung Iuvavum/Salzburg, die beide etwa aus der Mitte des 1. Jh. n. Chr. stammen und eine weitere Straße, die von Wels ausgehend über Eferding an den Donaulimes nach Passau führte [--> Römerstraßen]
Funde der 2. Hälfte des 1. bzw. frühen 2. Jahrhundert n. Chr. stammen vor allem aus dem Gebiet westlich bzw. nordwestlich der ummauerten mittelalterlichen Siedlung. Die jüngst vorgelegte Bearbeitung der antiken Fundmünzen von Wels belegt den Beginn der Siedlung in der Regierungszeit Vespasians (69–79 n. Chr.). Gräberfelder, die bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrunderts n. Chr. belegt wurden, befanden sich am Marktgelände und nördlich des Kaiser-Josef-Platzes.

2. Jahrhundert: Munizipales Stadtrecht für Ovilava
Kaiser Hadrian (117–138 n. Chr.) erhob Ovilava zum municipium, zu einer autonomen Stadt. Damit erhielt sie gemäß der römischen Verwaltung einen Stadtbezirk, der im Norden von der Donau, im Westen vom Inn, im Osten von der Enns begrenzt wurde. Im Süden bildete das Stadtgebiet von Iuvavum/Salzburg bzw. der Kamm der Tauern bis zur Enns die Grenze.
In der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. richtete eine gewaltige Überschwemmung der Traun große Schäden in der Stadt an. Mächtige Schottermassen bedeckten das Gräberfeld Marktgelände und Bereiche der Gräbergruppen nördlich des Kaiser-Josef-Platzes. Diese Gräberfelder wurden daraufhin aufgegeben und die wachsende Siedlung bereitete sich darüber aus. Aus der Traun wurden Teile einer Reiterstatue aus Bronze geborgen, die Vergleichen nach zu schießen, der Zeit Marc Aurels angehören.

3. Jahrhundert: Stadtbefestigung
Die Stadt wurde Ende des 2. oder Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. mit einer Stadtbefestigung geschützt, die aus einer Mauer mit Türmen und Toren und bis zu vier vorgelegten Spitzgräben bestand. F. Wiesinger konnte an der Nordseite ein Tor nachweisen. Im Jahr 2000 gelang es, eine weitere Toranlage an der Ostmauer nahe der heutigen Roseggerstraße aufzudecken.
Kaiser Caracalla (211–217 n. Chr.) verlieh Ovilava den Titel einer colonia. Diese Bezeichnung scheint auf dem Grabstein des Lucius Saplius Agrippa aus Köppach bei Schwanenstadt und jenem des Publius Aelius Flavus aus Lambach auf. Für jene Forscher, die eine Stadterhebung der Zivilsiedlung von Lauriacum-Enns/Lorch annehmen, gilt als logische Konsequenz die Verkleinerung des Stadtgebietes von Ovilava im Osten zugunsten des neuen municipiums.

Stadtbild und Stadtbebauung
Von der Innenbebauung der Stadt weiß man nur wenig. Die teilweise kontinuierliche Besiedlung desselben Platzes bis in die jüngste Zeit lässt die Ausgrabung größerer zusammenhängender Siedlungsstrukturen kaum zu. Das Zentrum der Stadt, das Forum und die öffentlichen Gebäude, konnten bislang noch nicht gefunden werden. Es lassen sich Teile des sich rechtwinkelig kreuzenden Straßensystems nachweisen. An der Ost-West-Straße, die durch das Gräberfeld Ost zog und etwa parallel zur heutigen Dr.-Groß-Straße verläuft, wurde ein Meilenstein des Maximinus Thrax (235–238 n. Chr.) gefunden. Die Inschrift gibt unter anderem die Entfernung eine Meile an. Verfolgt man diese Ost-West-Straße Richtung Westen und biegt man vor der Kreuzung zur Vogelweiderstraße nach Süden ab, so erreicht man eine weitere parallel verlaufende Ost-West-Straße knapp südlich des Kaiser-Josef-Platzes. E. Nowotny vermutete bereits 1923 das Zentrum in diesem Bereich. Doch gerade in diesem Geviert machen die dichte Bebauung eine Grabung derzeit unmöglich.

Alltagsleben
Fehlbrände, Model, Schlacken, Gusstiegel und Altmetall weisen auf Handwerkertätigkeit im Norden der Stadt hin. Mauerreste im Westen und Norden der Stadt wurden als Vorratsräume gedeutet. Größere Räume mit Hypokausten dürften nach jüngeren Forschungen doch keine Thermen gewesen sein. Vereinzelt wurden Ziegel mit Stempeln von Militärziegeleien gefunden, Stempel der legio II Italica, aber auch Numeri- und Alenstempel. Eine große Zahl mit Stempeln der zweiten italischen Legion fand sich in den Hypokausten eines Gebäudes unter dem ehemaligen Minoritenkloster im Süden der Stadt. Ein Stempel auf einem Dachziegel wies außerdem einen Statthalter nach, den wir bislang namentlich noch nicht kennen. Wahrscheinlich befand sich das mit Mosaikfußboden, Wandmalerei, Bleiwasserrohrleitung und Fußbodenheizung ausgestattete Haus sogar im Besitz des Statthalters. Die Ziegelstempel und die aufgefundenen Münzen datieren die Errichtung des Baues an das Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr.

Bauliche Errungenschaften
Am rechtsseitigen Traunufer ließ sich eine Wasserleitung nachweisen, die zwischen der Eisenbahnbrücke und der Straßenbrücke über den Fluss führte. Nowotny gelang der Nachweis zweier Bauphasen, eine des 2. Jahrhunderts n. Chr. in Holz und den Ausbau in Stein des 3. Jahrhunderts n. Chr.
Im Westteil der Stadt, nahe der Ost-West-Durchzugsstraße wurde ein Bronzeverwahrfund, bestehend aus Bronze- und Terra Sigillata-Geschirr sowie Eisengerät und eine Bronzestatuette eines auf einem Stuhl sitzenden Genius gefunden. Eine Münze aus der darüber liegenden Brandschicht und die Terra sigillata-Gefäße datierten den Fund in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr.

Religiöses Leben
Das religiöse Leben belegen verschiedene Weihesteine und Statuetten für römische, orientalische, ägyptische und einheimische Gottheiten. Die Gräberfelder lagen außerhalb der ummauerten Stadt im Westen und im Osten entlang der bereits erwähnten Ost-West-Durchzugsstraße. Die Bestattungen begannen im 2. Jahrhundert n. Chr. und reichen im Gräberfeld Ost bis in die Spätantike. Beide Gräberfelder wiesen sowohl Brand- als auch Körperbestattungen auf.

4. Jahrhundert: Verwaltungsreform unter Diocletian
Im 4. Jahrhundert n. Chr. wurde Ovilava im Zuge der Verwaltungsreformen Kaiser Diocletians (284–305 n. Chr.) wahrscheinlich Hauptstadt der neu geschaffenen Provinz Ufernoricum an der Donau - Noricum ripense. Im Minoritenkloster kamen bei den Grabungen, die der Revitalisierung des Gebäudes 1997 voraus gegangen sind, immer wieder Funde aus dem 4. Jh. n. Chr. – unter anderem ein Inschriftstein als Loyalitätserklärung des Gemeinderates an Kaiser Diocletian – zu Tage. Bereits bei dem Aushub von Künetten im Bereich des Hauses Minoritengasse 4, d. h. knapp nördlich der späteren Grabungen, wurden eine große Zahl an spätrömischen Münzen vor allem aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. geborgen, außerdem Fragmente grün glasierter sowie grauer glättverzierter Keramik, dazu Bruchstücke zweier Zwiebelknopffibeln des 4./5. Jahrhunderts n. Chr.
Aus der Füllschicht des Heizkanals im Langhaus der Kirche stammen winzige Bruchstücke Terra sigillata-Chiara, weiters glasierte und glättverzierte Keramik sowie Münzen der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. und eine Zwiebelknopffibel. In der Schicht knapp über der Heizung und über den Estrichresten im Langhaus fanden sich zahlreiche Münzen des 4. Jh. n. Chr., darunter vor allem Stücke der 2. Hälfte des 4. Jh. n. Chr., die Schlussmünze fällt in die Zeit des Theodosius I (388–393 n. Chr.). Im Nordteil des Kreuzganges wurde ebenfalls in der Füllschicht des Hypokaustums, die stark mit Brandresten durchsetzt war, eine bronzene Gürtelschnalle mit festem dreieckigen Beschlag gefunden, die R. M. Swoboda folgend in das 4. bzw. 5. Jahrhundert n. Chr. zu setzen ist, sowie der Oberteil einer nordafrikanischen Lampe mit einer Rosette im Spiegel. Die Mehrzahl der gefundenen Münzen stammt aus der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. Auch die römerzeitlichen Schichten des Osttraktes ergaben wiederum zahlreiche Münzen der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. mit einem Halbcentenionalis des Arcadius (392–393 n. Chr.) als Schlussmünze.

5. Jahrhundert: Christentum in Ovilava
Ovilava, das in der Tabula Peutingeriana, einer mittelalterlichen Kopie einer spätantiken Landkarte, als Ovilia eingetragen ist, wird in der vita Sancti Severini nicht mehr erwähnt. Noch immer gilt das an der Ost-West-Durchzugsstraße im Norden der Stadt gefundene Pilasterkapitell als einziger Hinweis auf die mögliche Existenz einer frühchristlichen Kirche.
Im Gräberfeld Ost wurde als Zeugnis des frühen Christentums der Grabstein der Ursa geborgen, der in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts n. Chr. zu setzen ist. Da in diesem Gräberfeld nicht systematisch gegraben wurde, lassen diverse Einzelfunde nur einen Grabkontext vermuten, wie etwa ein grauer Krug, ein schrägwandiger Becher mit Glättverzierung oder ein Armring aus Bronze, die in das 5. Jahrhundert n. Chr. datieren. Eine Gräbergruppe knapp nördlich der Nordwestecke der Stadtmauer kann mangels Beigaben nicht näher zeitlich bestimmt werden.

Im Jahr 1974 wurden weit westlich der antiken Stadt auf einem Grundstück auf einer Traunterrasse einige Körpergräber freigelegt, die direkt in den Schotter eingetieft waren. Die Humusschicht ist hier sehr gering. Zu den Beigaben zählen ein Bronzearmreif mit Schlangenkopfenden, ein Bronzearmreif mit Knopfenden, eine Gürtelschnalle aus Bronze, ein graues Henkeltöpfchen sowie Glas- und Tonperlen. Die Fundstücke fallen in des 4. bzw. 5. Jahrhundert n. Chr. Etwas westlich davon in der Albrechtstraße wurde bereits um 1940 zufällig ein Körpergrab entdeckt, das eine Zwiebelknopffibel aus vergoldeter Bronze enthielt. Wahrscheinlich gehörten die Bestattungen zu einer Gräbergruppe, die weit außerhalb der Stadt lag.

Autorin: Renate Miglbauer, 2006