Erika Grabmair

Erika Grabmair. Eine Frau, die für die Familie und die Allgemeinheit viel Gutes tut


1941, das Geburtsjahr meiner Mutter. Eine Zeit geprägt von Kriegswirren, Tränen und Abschied. So begann das Leben von Erika Grabmair am 25. Juli in dem besagten Jahr auf einem Bergbauernhof in Altmünster am Gmundnerberg. In diesem Zuhause wohnte sie ab nun mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter. Der Vater war im Krieg! Bei dem letzten Heimatbesuch meines Großvaters sagte dieser zu seinem jüngeren Bruder, er solle sich um seine Mädels kümmern, falls er nicht mehr nachhause zurückkehren würde. 1944 kam dann auch die Schreckensnachricht, dass er in Russland gefallen ist! Meine Großmutter war von so tiefer Trauer erfasst, die sie ihr ganzes weiteres Leben nicht mehr ganz losgeworden ist.

Der jüngere Bruder nahm die Worte des Verstorbenen so ernst, dass er im Jahre 1946 die Witwe seines großen Bruders, meine Oma, heiratete. Ab da an hatte meine Mutter einen Stiefvater, der nur um 17 Jahre älter war als sie, und der seiner Rolle als Ersatzvater ihr gegenüber nie gerecht werden konnte. In den Jahren 1947 und 1950 kamen Erikas Brüder Willi und Hans zur Welt. Schon in sehr jungen Jahren musste sie sich um das Wohl der beiden Buben kümmern. Der große Rettungsanker in dieser Zeit war für meine Mutter ihre Großmutter, bei der sie allein Verständnis und Liebe fand.

Doch im Alter von 9 Jahren übersiedelte die Familie nach Pinsdorf. Der Erhalter der Familie bekam dort eine Betriebswohnung und die Großmutter konnte nur mehr selten besucht werden. Schon in dieser Zeit wurden Erika viele Kinder anvertraut, die zwei Söhne des Polizeidirektors, die Buben aus der Nachbarschaft, … Als meine Mutter 15 Jahre alt war übersiedelte die Familie nach Wels, da mein Stiefgroßvater dort eine lohnenswerte Stelle angeboten bekam. Erika absolvierte im gleichen Betrieb eine kaufmännische Lehre, die sie mit Bravour gemeistert hat und somit im Betrieb sehr beliebt und angesehen war.

Dies fiel auch bald einem Reisenden des Unternehmens auf und immer mehr wurde sie mit Süßigkeiten und kleinen Aufmerksamkeiten von diesem Herrn verwöhnt. Nach vielerlei Anbahnungsversuchen gab es dann doch das erste Stelldichein und meine zukünftigen Eltern wurden zum Paar. Im Jahr 1960 wurde geheiratet und die Familie mit dem ersten Kind Wolfgang gegründet. Sie kauften sich ein kleines Häuschen in Wels und auch meine Schwester Manuela ließ nicht lange auf sich warten.

Schon im Jahre 1964 kam dann meine Schwester Martina zur Welt und die Familie übersiedelte nach Marchtrenk, da mein Vater sich mit dem Handel von Landmaschinen selbstständig gemacht hatte. Von diesem Zeitpunkt an war meine Mutter nicht nur die treibende Kraft im Haushalt und bei den drei Kleinen, sondern sie macht auch alle Bürodienste für das Familienunternehmen. Ein eingespieltes Team waren die beiden. Mein Vater, der großzügige Unternehmer und meine Mutter, die wusste und noch immer weiß, wie die Dinge ihre Ordnung behalten.

Im Jahre 1970 war dann meine Geburtsstunde. Da ich sehr krank war, hat meine Obhut einer besonderen Aufmerksamkeit bedurft. Als ich dann aus dem Gröbsten heraus war, meldete sich unsere Letzte im Bunde, meine Schwester Pezi, an. Es war nicht von Anfang an klar, dass sie ein besonderes Leben vor sich hat. Aber im Alter von 3 Monaten bekam sie eine schwere Gehirnhautentzündung und ihre Krankengeschichte nahm ihren Lauf. Relativ spät wurde erkannt, dass Pezi seit Geburt einen Gendefekt mit sich trägt, das sogenannte Williams-Beuren-Syndrom. Vergleichbar dem Mongolismus und dennoch so anders und - da so selten - sehr unerforscht. Durch die besondere Begleitung meiner Mutter konnte sich meine Schwester mit all ihren Fähigkeiten entfalten.

Es wurde sehr viel musiziert bei uns zuhause. Alle durften ein Instrument erlernen. Mein Bruder hatte einen eigenen Probenraum für seine Band und man hat auch Pezis musikalische Fähigkeiten früh erkannt und wunderbare Keybordklänge - von ihr gespielt - hörte man im ganzen Haus. Aber dank meiner Eltern wurde nicht nur viel musiziert, es wurde auch viel gelacht und ein jeder war bei uns willkommen! Egal wer, ob Geschäftsfreunde, Verwandte, Austauschschüler aus aller Herren Länder, Freunde von uns Kindern...allen standen Tag und Nacht die Türen offen! Und alle wurden sie von meiner Mutter aufs feinste bewirtet. Nebenbei hat sie dann auch noch abends für uns Kinder die schönsten Pullover gestrickt. Sogar eine selbstgestickte Goldhaube nennt sie ihr Eigen! Auch, wenn meine Mutter meinen Vater im Betrieb voll unterstützt hat, für uns Kinder blieb immer die Zeit um getröstet zu werden, spät nachts von einem verpatzten Rendezvous abgeholt zu werden, zum Turnverein gebracht zu werden und, und, und... Insbesondere für Pezis Werdegang musste meine Mutter viel Zeit, Liebe und Geduld aufbringen. Viele Therapiestunden und Fördermaßnahmen wurden getroffen, dass Pezi so leben kann wie sie es heute tut.

Auch gründete meine Mutter in dieser Zeit einen Treffpunkt für Mütter mit Kindern mit Einschränkungen. Aus diesem kleinen Treffen ist bereits seit mehr als 25 Jahren der Integrationsstammtisch für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung geworden. Viel wurde schon miteinander unternommen, Bälle wurden veranstaltet, viele Bücherflohmärkte wurden organisiert um das Bestehen des Vereins zu finanzieren.

Nun ist meine Mutter bereits vielfache Oma und sogar Urgroßmutter und Gott sei Dank noch kein bisschen leise! An Ihrem letzten Geburtstag haben wir, auf ihren Wunsch hin, ein Familientanzfest veranstaltet. Es wurde bis in die Nacht hinein getanzt und wer den längsten Atem hatte, brauch ich wohl nicht erwähnen!

Text: Andrea Märzinger, Tochter

Marchtrenker Frauen - Dokumentation einer Ausstellung des Museumsvereins Marchtrenk - Welser Heide im Rahmen des Tags des Denkmals 2017 unter dem Motto "Heimat großer Töchter" in der Alten Pfarrkirche Marchtrenk.