Fisch
und Frutti di mare

Das Reich der Wassertiere war im alten Rom – sozusagen – eine „Zweiklassengesellschaft“. Die Süßwasserfauna – etwa die Gemeine Flussmuschel – galt kulinarisch als mehr oder weniger minderwertig (wobei auch schon ihre mögliche Kontamination durch Abwässer bedacht wurde). Sie blieb vor allem dem Speisezettel der einfacheren Leute überlassen. Dagegen legte die gehobene Küche eine Liebe zu Seefisch und Meeresfrüchten an den Tag, die erstaunliche Ausmaße annehmen konnte.

Fischkonserven und „Flüssigsalz“
Aus dem 18. Jahrhundert ist uns der Ausruf eines Feinschmeckers überliefert: Ob man denn in Ländern leben könne, in die kein Seefisch gelangt. Die römische Zeit wäre mit diesem Feinschmecker völlig einig gewesen. Sie hat daher in großem Maßstab Konserven von Meerestieren produziert und bis tief ins mitteleuropäische Binnenland verhandelt. Diese Konserven wurden salsamentum oder muria genannt.

Unter „Konserven“ ist dabei dreierlei zu verstehen:

  • eingesalzene oder in Salzlake eingelegte Fische und Fischteile, etwa von der Mittelmeermakrele
  • die stark salzhältige Fischsauce allec, die Teile verschiedenster Meerestiere enthielt; sie wurde entweder als eigenes Gericht serviert oder zum Würzen verwendet
  • die ebenso salzhältige Fischsauce garum (auch liquamen genannt). Eigentlich ein gut filtriertes allec, war dieses Produkt eine klare Flüssigkeit. Es diente in der römischen Küche als eine Art von „Flüssigsalz“ und wurde weit häufiger als reines Salz verwendet.

Gefunden und untersucht hat man Reste von allec bisher selten. Im Binnenland der nördlichen Provinzen ist das bisher nur in Mainz und in Salzburg geschehen. Der interessantere Fall war der aus Salzburg; dort kamen in einer komplett erhaltenen Amphore aus italischer Produktion als Rückstand ihres einstigen Inhalts tausende zarter Jungfischgräten ans Licht. Bei einer genauen Untersuchung gelang es, nicht weniger als 24 mediterrane Seefischarten nachzuweisen. Der Löwenanteil entfiel dabei auf die Sardine.

Wie schmeckt „garum“?

Über Geschmack und Geruch das Flüssigsalzes garum mit dem zarten Fischaroma werden bis heute die unsinnigsten Behauptungen verbreitet.

Über Geschmack und Geruch das Flüssigsalzes garum mit dem zarten Fischaroma werden bis heute die unsinnigsten Behauptungen verbreitet. Die Zubereitung nach einem überlieferten Rezept zeigt, dass die klare, goldgelbe Flüssigkeit weder penetrant schmeckt noch riecht und sich bestens zum Würzen eignet.
Wegen des hohen Salzgehaltes ist die Aufbewahrung des Produktes auch über Wochen hinweg hygienisch unbedenklich.

Frischer Fisch
Meeresprodukte wurden aber nicht nur als Konserven, sondern sogar frisch bis in unser Gebiet verhandelt. So scheint zumindest ein großer Teil der sehr häufigen römischen Austernfunde (sie kamen im Alpenund Voralpenland an rund 100 Fundstellen zutage) lebend importiert worden zu sein. Die Biologie der Auster (und Ähnliches gilt für andere Meeresfrüchte, wie beispielsweise für die Purpurschnecke) hat solche Lebendtransporte zwar ermöglicht, da sich Austern außerhalb des Seewassers bis zu 24 Tage halten. Die Qualität lange transportierter Tiere wird aber nicht immer gut gewesen sein. Ob das binnenländischen Konsumenten immer auffiel, scheint freilich fraglich; und ebenso, ob sie alle wussten, dass eine verdorbene Auster – wie es ein spätantiker Arzt ausdrückt – „kein anderes Gift mehr nötig“ macht (Anthimus 49).

Wie wurde Fisch transportiert?

Nach den römerzeitlichen Funden erreichten Makrelen damals eine Körperlänge von bis zu einem halben Meter. So große Exemplare dieser Tierart sind heute ungewöhnlich geworden. Wie französische Belege zeigen, hat man die Fische aber trotz ihrer Größe unzerteilt in Amphoren gefüllt und verschickt.

Nach den römerzeitlichen Funden erreichten Makrelen damals eine Körperlänge von bis zu einem halben Meter. So große Exemplare dieser Tierart sind heute ungewöhnlich geworden. Wie französische Belege zeigen, hat man die Fische aber trotz ihrer Größe unzerteilt in Amphoren gefüllt und verschickt.
Das Entnehmen der Tiere aus den engwandigen Transportgefäßen war dabei sicher schwierig. Vielleicht dürfen wir aber eine spätantike Literaturstelle dahingehend verstehen, dass man solche Amphoren am Zielort zerschlagen und den Inhalt umgefüllt hat. Die erwähnte Textstelle findet sich im Brief 148 des Synesios. Hier wird berichtet, wie Synesios ein Gefäß mit Salzfischen ausgießt, indem er es auf einem Stein zerschlägt. Geschehen ist das im Hinterland von Kyrene.

Autoren: Erwin M. Ruprechtsberger, Günther E. Thüry, 2007

Kulinarisches aus dem römischen Alpenvorland - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz vom 12. Juni bis 9. September 2007.