Mit der Zeit Kaiser Augustus’ (27 v. Chr.–14. n. Chr.) begann eine Friedenszeit im Römischen Reich, die mit gewissen Unterbrechungen bis ins dritte nachchristliche Jahrhundert fortbestand. Diese war auch eine Blütezeit der Lebensmittelproduktion, des Lebensmittelhandels und der gehobenen Küche. Im Schutz des Friedens wuchs das seit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts stark vergrößerte Römische Reich zu einem einheitlichen, verkehrsmäßig gut erschlossenen Wirtschaftsraum mit gleicher Währung und einer zunehmenden Zahl florierender städtischer Zentren zusammen.
Obwohl sich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung Wohlstand erwirtschaften konnte und nicht wenige Menschen von der Selbstversorgung lebten, entwickelte sich doch auch eine lebhafte Nachfrage nach Lebensmitteln aller Art. Selbst Haushalte mit schmalerem Geldbeutel leisteten dazu einen in der Summe nicht unerheblichen Beitrag.
„Kulinarische Eroberung“
Auch der Raum am Nordfuß der Alpen, den Augustus erobert hatte, wurde dem römischen Geldverkehr und Städtewesen erschlossen und in das Verkehrsnetz des Reiches einbezogen. Lebensmittelproduzenten aus Italien und anderen Reichsgebieten fanden hier einen neuen Absatzmarkt; und nicht nur der Handel, sondern auch speziell der Fernhandel mit kulinarischen Importgütern entwickelte sich. Diesen Prozess kann man durchaus als ein Geschenk des Friedens betrachten.
Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass gerade die in der Provinz stationierten römischen Truppen einen gewaltigen Anteil an dieser „kulinarischen“ Entwicklung hatten. Einerseits wirkten ihre Garnisonen als Ballungszentren von Kaufkraft und als Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung. Andererseits empfanden Soldaten, die aus anderen Reichsteilen kamen, die Ernährungstraditionen der einheimischen Bevölkerung gewiss als sehr fremd.
So drangen, als das Gebiet des heutigen Österreich römisch wurde, bei uns nicht nur südländische Lebensweise und die bunte Warenwelt ein. Die Veränderungen betrafen vielmehr auch die verwendeten Lebensmittel, die Küche und damit gewiss die Rezepte sowie den Essstil des Südens. Wie allgemein die Aneignung fremder Kulturelemente als „Akkulturation“ bezeichnet wird, ließe sich im Fall eines solchen Vordringens fremder Ernährungstraditionen von „kulinarischer Akkulturation“ sprechen.
Einen ähnlichen Vorgang haben wir in den letzten Jahrzehnten selbst erlebt: den Siegeszug der Pizzerias, griechischen Restaurants und Dönerbuden, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg bis an Donau und Rhein ausbreiteten. Die mediterrane Ernährung hat sich hier neben der einheimischen fest etabliert; und das Gewicht, das der einheimischen Küche zukommt, ist dadurch geringer geworden.
Neues und Gewohntes
Ähnlich war es in römischer Zeit. Auch damals hat die südländische Küche bei uns Fuß gefasst, hat aber die einheimische nicht verdrängt. So hatten die verschiedenen Provinzen des Römischen Reiches ihre eigenen kulinarischen Spezialitäten. Dafür nur einige Beispiele: Während die Küche des Südens weitestgehend eine Olivenölküche war, hegten die Bewohner im Gebiet des heutigen Frankreich eine besondere Vorliebe für Schweineschmalz. Dort sowie in Teilen der Iberischen Halbinsel war auch Butter ein beliebtes Küchenfett; in Italien kannte man sie dagegen nur als Medikament.
Ähnlich stand es mit dem Bier. Dieses wurde in Pannonien und Dalmatien, im Bereich des heutigen Deutschland und Frankreich sowie auf der gesamten Iberischen Halbinsel getrunken. Der Süden kannte es dagegen zwar als Hustensaft, nicht aber als Getränk. Im heutigen oberösterreichisch-bayerischen Grenzgebiet wurden schließlich Froschschenkel gegessen, was man in anderen Teilen des Reiches für eine besonders schwerwiegende Geschmacksverirrung hielt.
Autoren: Erwin M. Ruprechtsberger, Günther E. Thüry, 2007
Kulinarisches aus dem römischen Alpenvorland - Dokumentation zur Ausstellung im Nordico Stadtmuseum Linz vom 12. Juni bis 9. September 2007.