Die Hexenverfolgungen gehören zu den dunklen Kapiteln der Neuzeit. Auch Oberösterreich war betroffen. Insgesamt 79 Hinrichtungen wegen Hexerei sind hier bekannt. Oberösterreich zählt also keineswegs zu den Zentren der europäischen Hexenverfolgung.
Zahlreiche Opfer
Die Verfolgung wegen Hexerei ist ein schreckliches Kapitel der europäischen Geschichte, auch wenn die Zahl der Opfer häufig in völlig unrealistische Dimensionen erhöht wird: Die Zahl von 9 Millionen Opfern, die ein Quedlinburger Stadtarzt im 18. Jahrhundert errechnete, wurde bis in die Gegenwart mit unterschiedlichster ideologischer Schattierung von radikalen Kirchengegnern, nationalsozialistischen Hexenforschern und übereifrigen Feministinnen immer wieder wiederholt. Die realistische Opferbilanz liegt für ganz Europa zwischen 50.000 und 100.000 hingerichteten Frauen und Männern.
In Österreich gab es drei Verdichtungen der Verfolgungsintensität, um und nach 1600, zwischen 1640 und 1700, und zuletzt noch in den 1720er Jahren. Man kennt für das heutige Österreich etwa namentlich 1000 Todesurteile wegen Hexerei. Die Dunkelziffer mag noch einmal so hoch sein. Im europäischen Vergleich ist das sehr wenig. Während in Vorarlberg, dem Burgenland und Tirol mehr als doppelt so viel Frauen als Männer hingerichtet wurden, waren in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, Kärnten, Salzburg und der Steiermark mehr Männer als Frauen betroffen.
Opfer aus unteren Schichten
Für Oberösterreich sind der neuesten Zusammenstellung zufolge insgesamt 162 Gerichtsverfahren wegen Hexerei bekannt, insgesamt 170 Männer und 86 Frauen wurden in diesen Verfahren angeklagt; 79 Hinrichtungen wegen Hexerei sind gesichert. Fast zwei Drittel der bekannten Todesurteile betrafen Männer. Die erste Hinrichtung wegen Hexerei erfolgte 1570 in Kremsmünster, die letzte 1732 wiederum in Kremsmünster, wegen Hostienschändung. Der jüngste Verurteilte, der wegen magischer Handlungen und Mäusezauberei ins Gefängnis musste, war ein siebenjähriger Bettelbub. Betroffen waren in der Regel bäuerliche und unterbäuerliche Schichten, kaum Stadtbewohner. Rund ein Drittel war beschäftigungslos und heimatlos.
Das Fliegen galt als das herausragendste Zeichen der Hexerei. Im Wort steckt ja Hag, der Zaun: die Zaun- oder Steckenreiterin, die auf einem Besenstiel fliegen kann …
Das Fliegen galt als das herausragendste Zeichen der Hexerei. Im Wort steckt ja Hag, der Zaun: die Zaun- oder Steckenreiterin, die auf einem Besenstiel fliegen kann …
Schaden- und Wetterzauber waren ein anderer Vorwurf, dass Pest, Unwetter, Missernten, Hungersnöte das Werk von Hexen und Hexern darstellten. Es kann recht deutlich das starke Ansteigen von Hexenverfolgungen in Zeiten extremer Schlechtwetterperioden und Hungersnöte festgemacht werden.
Spektakuläre Fälle
Die spektakulärsten Fälle waren der Prozess gegen die Kaperger-Bande 1658/59, der Greinburger Hexenprozess von 1694 bis 1696 - der größte bekannte Hexenprozess aus Oberösterreich mit 21 Hinrichtungen und drei im Gefängnis Verstorbenen - und als später Nachklang der 1731/32 vor dem Landgericht Schwertberg/Prandegg gegen die Familie Grillenberger geführte Hexenprozess, mit sechs Todesurteilen der drittgrößte in Oberösterreich.
Die Kaperger-Bande
Die Kaperger-Bande war eine mehr als 30-köpfige Räuberbande, die um die Mitte des 17. Jahrhunderts im oberösterreichischen Alpenvorland - in den Landgerichten Eggenberg, Scharnstein, Pernstein, Kremsmünster, Hall und Ort bei Gmunden - ihr Unwesen trieb. Zur Last gelegt wurden ihr nicht nur die Raub- und Mordtaten, sondern auch Bündnisse mit dem Teufel, Hostienfrevel und Wetterzauber. Elf von ihnen, durchwegs Männer, wurden vor allem deshalb hingerichtet. Eine Serie von 25 zeitgenössischen Tafelbildern beschreibt die wichtigsten „magischen“ Handlungen der Bande und ihre Verfolgung.
Der Greinburger Hexenprozess
Beim Greinburger Hexenprozess von 1694/95, der mit Einsatz massiver Folter geführt wurde, waren insgesamt 29 Personen angeklagt. Anlass waren Nachbarschaftsstreitigkeiten, die in Hexereivorwürfe mündeten. Die 50-jährige Maria Enickhel, Mutter von acht Kindern, gestand unter der Folter, sie sei von einer Bekannten dem Teufel vorgestellt worden, habe zum Zeichen einige Blutstropfen vom kleinen Finger gegeben, die Hostie mit nachhause genommen und sich in die rechte Hinterbacke einnähen lassen, sie sei mit einer stinkenden Brühe umgetauft worden. Die Frau wurde vom Scharfrichter auf Teufelsmale untersucht: Man fand Schnitte unter der linken Achsel, am Mittelfinger der linken Hand und dass sie auch keine Haare unter der Achsel habe …
Der Schwertberger Hexenprozess
Viehzauber und Generationenkonflikte waren die beherrschenden Motive im Schwertberger Hexenprozess von 1729 bis 1731: Die 62-jährige Bäuerin Magdalena Grillenberger vom Wagenlechnergut der Herrschaft Zellhof wurde von ihrer Enkelin belastet, eine Hostie zur Steigerung des Milchertrags der Kühe verwendet zu haben. Zur Beweissicherung wurde der Großmutter eine Narbe aufgeschnitten, weil man darunter eine gestohlene Hostie vermutete; das herausfließende Blut wurde vom Pfarrer mit einem Tuch aufgefangen. Von den neun Angeklagten im Schwertberger Hexenprozess wurden sieben hingerichtet, darunter die „alte“ Grillenbergerin durch Erdrosseln am Scheiterhaufen mit zweimaligem Zwicken durch glühende Zangen und Abschlagen der rechten Hand. Mathias Grillenberger nahm sich im Gefängnis selbst das Leben.
Melancholischer Kaiser
Was die Ursachen des Hexenwahns und seines Höhepunkts im 17. Jahrhundert waren, ist recht umstritten: Die Gegenreformation war wohl nicht ausschlaggeben, denn Zentren der Verfolgung fanden sich in protestantischen Regionen. Hexerei wurde bis in die Staatsspitze vermutet: Kaiser Rudolf II., der 36 Jahre von 1576 bis 1612 auf der Prager Burg regierte, ein Junggeselle mit heimlicher sexueller Zügellosigkeit, interessiert an Alchimie und Astrologie, war spätestens ab 1600 allem Anschein nach der Melancholie und geistigen Verwirrtheit anheimgefallen. Man spekulierte, ob der Kaiser verhext oder gar selbst ein Hexer sei. Sein Beichtvater Johannes Pistorius meinte: Er ist nicht besessen, wie manche glauben, sondern er leidet an Melancholie.
Nicht irgendwer, sondern des Kaisers unehelicher Sohn, Don Julio Cesare von Österreich (1585-1609), der in Krumau interniert war, entwickelte die abwegigsten Vorlieben, kaufte sich den Hexenhammer, pflegte geheime Rituale. 1608 kam es zum mühsam verdeckten Skandal: Er erstach seinen Diener und ermordete seine Geliebte, schnitt ihr die Ohren ab, riss ihr ein Auge heraus, zertrümmerte den Schädel, zerlegte den Körper und verteilte die Stücke in der Krumauer Burg.
Johannes Kepler
Auch Johannes Kepler, Kaiser Rudolfs Hofastronom, war in Hexereivorwürfe verwickelt: Während seiner Prager Zeit verfasste er 1609 sein Somnium, den Traum vom Mondflug, eines der ersten Science-Fiction-Werke der Weltgeschichte: Ein dürrer Spanier, der fast nichts wog, flog zur Erkundung auf den Mond. Seine Mutter, eine alte Hexe, weihte ihn in die Kunst des Fliegens ein. Als Keplers eigene Mutter (die ‚Leonberger Hexe’ Katharina Kepler) 1615 als Hexe angeklagt wurde, werteten die Richter auch die Mondflugphantastereien des Sohnes als Indiz. Kepler hatte größte Mühe, ihr Leben zu retten. Die Mutter starb 1621, kurz nach der Entlassung aus dem Gefängnis, an den Folgen der erlittenen Folter.
Schadenszauber
Die Grundlage der Hexenverfolgung war der sowohl in den Führungsschichten wie im Volk tief verwurzelte Glaube an die Wirksamkeit des Schadenzaubers, auf den von außen kommend die im Spätmittelalter von den gelehrten Theologen entwickelte Hexenlehre des Malleus Maleficarum (Hexenhammers) aufgepfropft wurde.
Der aus Schlettstadt stammende Dominikaner Heinrich Kramer (bekannt unter dem latinisierten Namen Institor), der in Innsbruck 1485/86 etwa 50 Personen der Hexerei anklagte und schließlich vom Brixener Bischof und vom Tiroler Landesherrn verjagt wurde, verfasste 1486 den Hexenhammer (Malleus maleficarum), der über 150 Jahre lang den Leitfaden für Aufspürung, „Befragung“ und Verurteilung von Hexen und Hexern darstellte.
Der aus Schlettstadt stammende Dominikaner Heinrich Kramer (bekannt unter dem latinisierten Namen Institor), der in Innsbruck 1485/86 etwa 50 Personen der Hexerei anklagte und schließlich vom Brixener Bischof und vom Tiroler Landesherrn verjagt wurde, verfasste 1486 den Hexenhammer (Malleus maleficarum), der über 150 Jahre lang den Leitfaden für Aufspürung, „Befragung“ und Verurteilung von Hexen und Hexern darstellte.
In den Gesetzeskodifikationen wurden Hexerei und Zauberei als Hauptverbrechen verankert. Muttermale, schlechter Leumund, verdächtiges Verhalten genügten, um der Folter unterworfen zu werden.
Einer der bekanntesten oberösterreichischen Hexenjäger war der aus Sarleinsbach stammende, in Padua studierte Mediziner Adam Lebaldt von Lebenwaldt (1624-1696). 1680 publizierte er Acht Tracktätl von des Tueffels List und Betrug, in denen er die Formen der Hexerei beschrieb.
Die Landgerichtsordnung für das Land ob der Enns, 1675 (Leopoldina) enhält ein Kapitel: Von der Zauberey: Wer Zauberey treibt, ist Landtgerichtlich zu straffen. Auch die 1768 erlassene und 1770 in Kraft getretene Constitutio Criminalis Theresiana geht im Artikel 58: Von der Zauberey, Hexerey und Wahrsagerey darauf ein. Erst die Kriminalgerichtsordnung Josephs II. beendete in der österreichischen Gesetzgebungsgeschichte die Bestrafung des Zauberei-Deliktes im Sinne eines Teufelsbündnisses.
Für Wetterkapriolen, Seuchen und Unglücke wurden Schuldige gesucht. Verhöre und Folterungen erzwangen dann die Geständnisse. Vielleicht ist es kein Zufall, dass das 17. Jahrhundert nicht nur voll von Kriegen und Seuchen war, sondern auch von der „kleinen“ Eiszeit geprägt war. Im 16. Jahrhundert war es deutlich kälter geworden. Das ausgehende 17. Jahrhundert stellte den letzten Höhepunkt der Kälteperiode dar. Erst im 18. Jahrhundert, parallel zum Durchbruch der Aufklärung, stiegen die Temperaturen wieder an. Die Hexenpaniken ebbten ab. Im 18. Jahrhundert fanden nur noch vereinzelt Hexereiprozesse statt.
Seinen wichtigsten Grund hatte das Ende der Verfolgungen allerdings nicht im besseren Wetter des 18. Jahrhunderts, sondern in einem Mentalitätswandel der Eliten. Die staatlichen Organe zeigten zusehends weniger Neigung, Hexenprozesse zu inszenieren. Dem wissenschaftlichen Paradigmenwechsel entsprach die Wendung hin zu einem toleranten Umgang mit religiösen Angelegenheiten.
Letzte Prozesse
Die letzten Hexereiprozesse in Oberösterreich wurden 1802 in Obernberg gegen Johann Keindl wegen Ausbrütens eines Hühnereis unter der Achsel, eines so genannten „Ur-Eis“, und 1803 im Landgericht Mondsee gegen einen 61-jährigen Häuslers wegen abergläubischer Handlungen geführt. Beide endeten mit Freispruch.
Literatur:
- Kramer, Heinrich (Institoris): Der Hexenhammer. Malleus Maleficarum. Neu aus dem Lateinischen übertragen von Wolfgang Behringer, Günter Jerouschek und Werner Tschacher. Herausgegeben und eingeleitet von Günter Jerouschek und Wolfgang Behringer. München 2000.
- Behringer, Wolfgang: Hexen. München 2005.
- Scheutz, Martin - Sturm, Johann Sturm - Weichenberger, Josef - Wimmer, Franz Xaver: Räuber, Mörder, Teufelsbrüder. Die Kapergerbande 1649-1660 im oberösterreichischen Alpenvorland. Linz: Oö. Landesarchiv 2007.
Autor: Roman Sandgruber
Oberösterreichische Nachrichten, 9. August 2008