Vorromanik und Romanik in Oberösterreich
Den Spuren der Romanik begegnet man in Oberösterreich nicht auf Schritt und Tritt. Was hierzulande an romanischen Zeugnissen allerdings erhalten ist, gilt als überaus bedeutend und ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
Mit Romanik wird die erste große europäische Kunstepoche seit dem Ende der Antike bezeichnet. Das christliche Europa erlebte damals Höhen und Tiefen, es ist die Zeit der Kreuzzüge und der großen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst.
Der Begriff entstand erst im 19. Jahrhundert, und zwar wegen der Verwandtschaft zur römischen Architektur, von der Rundbogen, Pfeiler, Säulen und Gewölbebau übernommen wurden. Bedingt durch die sehr dicken, nur durch kleine Rundbogenfenster unterbrochenen Mauern sind die Räume meist sehr dunkel.
Es ist eine andere, jenseitige Welt, in die man hier tritt. Die Bauten sind zunächst fast kubisch einfach und flach gedeckt. Die Wände trugen im Inneren oft Malereien. In der Spätromanik ist die Architektur meist gewölbt und reicher gegliedert, vor allem an Fenstern und Portalen. Im 13. Jahrhundert kommt es schließlich unter dem Einfluss der Zisterzienser zur Aufnahme gotischer Formen.
Tassilokelch
Die Romanik entspricht weitgehend der Regierungszeit der Salier und Staufer. Die vorausgehende Epoche der Karolinger und Ottonen wird meist als Vorromanik bezeichnet. Oberösterreich entwickelte sich damals vom „östlichen Bayern“ zum „Land ob der Enns“. Die Christianisierung des Landes verdanken wir den Agilolfingern, die auch die bedeutenden Klöster Mondsee und Kremsmünster gründeten. Hier haben sich aus der Frühzeit nicht nur bedeutende Handschriften wie der Psalter von Montpellier und der Codex Millenarius erhalten, sondern auch – als Kunstwerk von absolutem Weltrang – der berühmte Tassilokelch. Die Inschrift nennt als Stifter Herzog Tassilo und seine Gemahlin Liutpirc, die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius. Da neben Christus und Maria auch die Heiligen Theodo und Theodolinde dargestellt sind, dürfte der Kelch im Jahr 772 anlässlich der Taufe des Sohnes Theodo in Auftrag gegeben und 777 dem Kloster Kremsmünster geschenkt worden sein. Dieses bewahrte das kostbare Stück auch nach dem Sturz Tassilos, der von seinem Cousin, Kaiser Karl dem Großen, zum Tod verurteilt, dann aber zu lebenslanger Verbannung in ein Kloster begnadigt wurde.
Die so genannten Tassiloleuchter sind nicht, wie früher vermutet, das umgestaltete Szepter des unglücklichen Herzogs, sondern entstanden erst um 950.
Martinskirche
In diese Zeit reicht auch die 799 erstmals erwähnte Linzer Martinskirche zurück, die heute nur noch ein Drittel ihrer einstigen Größe besitzt. Der ursprüngliche Grundriss ist heute auf der Wiese in Stein eingelegt. Ihre heutige Gestalt erhielt die Kirche wohl erst nach den Zerstörungen durch die Ungarn. Nach dem Sieg Kaiser Ottos des Großen in der Schlacht auf dem Lechfeld erholte sich das Land wieder, nicht zuletzt durch das Wirken des Bischofs Altmann von Passau.
Lambacher Fresken
1056 gründete der hl. Adalbero das Stift Lambach, wo 1956/57 nach aufwändigen statischen Sicherungsarbeiten romanische Wandmalereien freigelegt werden konnten. Die Kirche war doppelchörig, das heißt, dass sie außer dem Chor im Osten auch noch einen weiteren im Westen besaß. Nur dieser blieb erhalten. Die Wandmalereien sind neben jenen von S. Angelo in Formis (bei Capua) die bedeutendsten aus der Zeit des Investiturstreites, in dem Adalbert die päpstliche Linie vertrat. Erzählt werden Episoden aus dem Leben Jesu, in die Szenen aus der Geschichte von Herodes dem Großen und Herodes Agrippa eingefügt sind. Die noch vor der Weihe von 1089 vollendeten Malereien sind vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse um den Kirchenbann und die Absetzung König Heinrichs IV. durch Papst Gregor VII. zu sehen. So wurde hier ganz offensichtlich das furchtbare Ende des Herodes Agrippa als historisches Vorbild für den Sturz Heinrichs dargestellt.
Handschriften
Während so gut wie alle Wandgemälde verblasst und teilweise zerstört sind, haben sich Buchmalereien wie jene der Riesenbibel von St. Florian ohne jede Veränderung erhalten. Das gilt auch für das in Mondsee entstandene Liutold-Evangaliar, dessen goldunterlegte Miniaturen in einprägsamer Weise das Leben Christi erzählen. Beide Werke gehören bereits dem 12. Jahrhundert an, aus dem auch die so genannte Rieder Kreuzigung im Linzer Schlossmuseum stammt. Erst 1925 an einem Bauernhaus in Ried im Traunkreis entdeckt, könnte das Relief ursprünglich den Kreuzaltar der nahen Stiftskirche von Kremsmünster geziert haben. Die streng symmetrische Komposition erinnert an eine ähnliche Darstellung in einer frühen Kremsmünsterer Handschrift, weshalb das Werk früher um 1050 datiert wurde. Es galt deshalb auch als älteste erhaltene Holzplastik Österreichs, während man heute an eine viel spätere Entstehung denkt. Als Auftraggeber käme dann Abt Albert I. in Frage, der auch Glasfenster anfertigen ließ.
Romanische Portale
Die heutige Stiftskirche von Kremsmünster wurde 1232 begonnen und verschwand später fast völlig unter der Barockisierung. Nur die Außenseite des Chors, die Seitenschiffportale und das Läuthaus mit dem später hierher versetzten Grabmal des seligen Gunter geben noch eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen.
Auch in Wilhering blieben vom romanischen Bau nur das Portal der Stiftskirche und das schon frühgotische Portal des Kapitelsaals erhalten. Ähnlich war es in Baumgartenberg, wo man am Hauptportal und an zahlreichen Details des Außenbaus noch den romanischen Kern der einstigen, erst 1259 vollendeten Klosterkirche erkennen kann.
Ein weiteres romanisches Portal hat sich an der Stadtpfarrkirche in Wels erhalten. Einer der eindrucksvollsten Räume der Romanik ist die so genannte Krypta in Schlägl, bei der es sich vielleicht um den ursprünglichen Kapitelsaal des Klosters handelt. Von dort stammt wohl eine thronende Madonna, die jetzt im Linzer Schlossmuseum zu bewundern ist. Dass auch Gleink eine bedeutende romanische Kirche besaß, erkennt man heute noch an den Türziehern und einem sehr schönen Wandmalereifragment.
Der einzige romanische Karner des Landes hat sich in Mauthausen erhalten. Der obere Raum, die Barbarakapelle, enthält Wandmalereien im so genannten Zackenstil, der eigentlich bereits der Gotik angehört. Mit der herrlichen thronenden Madonna aus Freistadt – heute im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart – vollzieht sich schließlich auch in der Skulptur der Übergang zur Gotik.
Romanische Kunst in Oberösterreich: | ||
---|---|---|
Baumgartenberg | Stiftskirche (barockisiert) | vor 1259 |
Kremsmünster | Stiftskirche (barockisiert) | |
Tassilokelch | um 772/777 | |
Tassiloleuchter | um 950 | |
Scheibenkreuz | um 1170 | |
Lambach | Stiftskirche – ehemaliges Westwerk mit Wandmalereien | vor 1089 |
Adalberokelch | um 1200 | |
Linz | Martinskirche | 799 erwähnt, im 11. Jh. umgebaut |
Linz, Schlossmuseum | Rieder Kreuzigung | um 1160 |
Schlägler Madonna | um 1220 | |
Mauthausen | Karner | um 1260/70 |
St. Florian | Stift: Abtstab aus Gleink | 12. Jh. |
Riesenbibel | 12. Jh. | |
Schlägl | Stift – Krypta | 1218-57 |
Wels | Stadtpfarrkirche, Portal | vor 1216 |
Wilhering | Stiftskirche, Portal | um 1210 |
Kapitelsaal | um 1214–1254 |
Literatur:
- Filitz, Hermann: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich. Früh- und Hochmittelalter. München 1988.
- Biedermann, Gottfried: Romanik in Österreich. Graz 1990.
- Oberösterreich Archiv. Wien: Archiv-Verlag. o. J.
Autor: Lothar Schultes
Oberösterreichische Nachrichten, 8. November 2008