Die Weltwirtschaftskrise
in Oberösterreich

Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre, die in Österreich mit dem mühsam abgewehrten Zusammenbruch der Bodencreditanstalt am 5. Oktober 1929 eingeleitet worden war, dauerte fast zehn Jahre und war die schwerste Krise des Kapitalismus, die Europa und die Welt bislang erfahren hat.

Nach der Überwindung der wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkriegs, des Zerfalls des österreichisch-ungarischen Großstaats, des Hungers und der Hyperinflation glaubte man in Österreich ab 1925 mit Recht, Zuversicht schöpfen zu können. Auch in Oberösterreich: Die wirtschaftliche Bedeutung des Bundeslandes war in der neuen Republik viel größer geworden. Oberösterreich, das in der Habsburgermonarchie eher eine Randlage eingenommen hatte, war ins Zentrum des neuen Staates gerückt.

Bauernland Oberösterreich
Das Land war zwischen den beiden Weltkriegen immer noch ein Bauernland. 1934 war fast die Hälfte der oberösterreichischen Bevölkerung der Landwirtschaft zuzurechnen. Die rund 220.000 unselbstständig Beschäftigten in der Landwirtschaft teilten sich in 90.000 mithelfende Familienmitglieder und 130.000 Knechte und Mägde.

Der Industrialisierungsgrad Oberösterreichs war noch gering: Nur etwa 10 % der oberösterreichischen Bevölkerung waren der Industrie zuzurechnen. Aber in Oberösterreich waren krisenempfindliche Branchen besonders stark vertreten: die Automobilfabrikation in den Steyr-Werken, der Schiffsbau mit der Linzer Schiffswerft, die Lokomotiverzeugung mit der Linzer Lokomotivfabrik Kraus. Die mächtige Sensen- und Sichelindustrie des Landes litt nicht nur unter der Konkurrenz der immer wichtiger werdenden Mähmaschinen, sondern auch unter dem Wegfall des großen russischen Marktes, der 1929 von Stalin für österreichische Sensenexporte gesperrt worden war. Und die vielen Granitsteinbrüche und Ziegelwerke spürten den Zusammenbruch der Baukonjunktur.

Die Industriekrise
Von 1929 bis 1934 verringerte sich die Zahl der Beschäftigten in der oberösterreichischen Industrie um 41 %. Der Abbau an Beschäftigten bei den Steyr-Werken war dramatisch: von 6648 im Jahr 1929 auf 969 im April 1934. Und es ging Schlag auf Schlag: Das Messingwerk Reichraming wurde bereits 1928 stillgelegt. Ein großer Schock war die vollständige Verlagerung der Reifenwerke Reithoffer, die in den 1920er Jahren in Steyr noch mehr als 1000 Leute beschäftigten, nach Traiskirchen und Wien. Die Linzer Schiffswerft entließ mehr als 500 ihrer 636 Beschäftigten. Die Lokomotivfabrik Krauß & Co., die nach dem Ersten Weltkrieg durch sehr erfolgreiche Serien von Elektro- und Dampflokomotiven hervortrat, wurde völlig unerwartet am 1. August 1930 um 9 Uhr früh stillgelegt.
Die Lage der Sensen- und Messerindustrie war verzweifelt, ebenso wie die der gesamten Eisen- und Metallindustrie. Die Liste berühmter Firmennamen, die die Krise nicht überstanden, ist lang: neben Krauß & Co auch die Österreichische Bamag-Büttner-Werke AG in Linz, die Baumwollspinnerei Rädler, die Welser Lederwerke Adler AG der Brüder Falkensammer, die Koloseus-Herdfabrik/Wels, die Welser Maschinenfabrik und Eisengießerei Ludwig Hinterschweiger & Co, deren gleichnamiger Inhaber 1926 bis 1930 Präsident der oberösterreichischen Handels- und Gewerbekammer gewesen war. Auch die Stilllegung der Velourhutfabrik Carl Blum, einer Firma von Weltrang, die Filialen in Amsterdam, Berlin, London, Paris und Wien unterhalten hatte, traf die Welser Wirtschaft schwer. Ähnlich war es mit der Büromöbelfabrik Hobeg der Brüder Gans-Schiller, der Deckenfabrik Wilhelm Weinzierl, den „Titania“-Werken und der Seifen-, Kerzen- und Fettwarenfabrik Henry.

Symbol der Weltwirtschaftskrise
Steyr wurde überhaupt zum Symbol der Weltwirtschaftskrise. Es war zu einer der „ärmsten Städte der Republik“ geworden. Ende 1931 war rund die Hälfte der Steyrer Bevölkerung auf Arbeitslosenunterstützung und andere öffentliche Fürsorge angewiesen. Die politischen und sozialen Gegensätze der Zwischenkriegszeit prallten gerade hier mit besonderer Härte aufeinander. Die Steyrer Waffenfabrik, die sich nach dem Krieg zur größten Automobilfabrik Österreichs gewandelt hatte, wurde in den Zusammenbruch ihres Hauptaktionärs, der Bodencreditanstalt, hineingezogen. Mitte Oktober 1929 hatte das Unternehmen auf der Pariser Automobilausstellung noch ihr von Ferdinand Porsche konstruiertes Renommierprojekt, den Typ Austria mit 5,3 Liter 8-Zylinder-Motor und 100 PS Leistung präsentiert. Doch das Produkt wurde zum Flop. Insgesamt nur vier Stück wurden von dem innovativen Luxusautomobil erzeugt. Porsche musste Steyr verlassen.

Tiefpunkt im Jahr 1934
Vom Jahr 1929 bis zum Tiefpunkt im Jahr 1934 verloren in Oberösterreich mehr als 48.000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz, davon rund 43.000 in Industrie und Gewerbe. Bei der Volkszählung am 22. März 1934 bezeichneten sich 58.870 Personen als arbeitslos, um 22.929 mehr als zu dieser Zeit als jene, die zu dieser Zeit Arbeitslosenunterstützung erhielten und um 20.723 mehr als vorgemerkt waren. Im oberösterreichischen Durchschnitt waren Ende März 1934 33 % aller nicht landwirtschaftlichen Erwerbstätigen ohne Arbeit, in Linz 26,6 %, in Steyr 41 %.

Die Depression stand im Zeichen eines dramatischen Verbrauchsrückgangs, der sich am drastischsten am mehr als halbierten Bierkonsum ablesen ließ. Das wirkte sich auf die Nachfrage nach Most aus: Die Arbeitslosen oder Ausgesteuerten, und nicht nur diese, tranken im Gasthaus oder bei einem Bauern „a Seitl Most, das net vü kost‘“.

Das Hauptproblem waren die sinkenden Masseneinkommen, die hohen Zinsen und die deflationäre Tendenz, die die Wirtschaft erfasst hatte. Nach 1934 besserte sich die Lage zwar allmählich. Doch im Jahre 1937 warteten in Oberösterreich einschließlich der „Ausgesteuerten“, deren Zahl man auf über 20.000 schätzte, immer noch etwa 50.000 Menschen auf Arbeit.

Politische Auswirkungen
Das politische Klima in Oberösterreich war lange Zeit deutlich besser gewesen als in Gesamtösterreich. Doch die Polarisierung der politischen Lager war auch in Oberösterreich nicht aufzuhalten: 1927 starben innerhalb eines halben Jahres die beiden großen, auf Ausgleich bedachten Landespolitiker, der langjährige Landeshauptmann Prälat Johann Nepomuk Hauser und der Linzer Bürgermeister Josef Dametz. Die Heimwehr, der Republikanische Schutzbund und nationalsozialistische Schlägertruppen standen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Finanzskandale bei den Sozialdemokraten in der Linzer Stadtregierung und bei den Christlichsozialen im Land wurden gegenseitig aufgerechnet. Eine zunehmende Radikalisierung in den Parteien und bei den Wehrverbänden charakterisierte die Lage.

1932 verlegte die gesamtösterreichische Führung der NSDAP ihren Hauptsitz und ihr Führungszentrum nach Linz. Ihre Aktivitäten verstärkten sich. Der Linzer Diözesanbischof Johannes Maria Gföllner studierte das Parteiprogramm der NSDAP sorgfältig und nahm in einem Hirtenbrief vom 21. Jänner 1933 öffentlich gegen den Nationalsozialismus und dessen Programm Stellung. Dieser Hirtenbrief gilt als erstes kirchliches Dokument, das eine scharfe und umfassende Verurteilung des nationalsozialistischen Gedankengutes enthält. Gleichzeitig ist dieser Hirtenbrief leider auch ein Zeugnis eines tiefgreifenden kirchlichen Antisemitismus.

Die NSDAP erreichte in Oberösterreich bei den Nationalratswahlen 1930 nur 2,5 % der Stimmen und bei den Landtagswahlen 1931 magere 3,5 % und verfehlte damit sowohl den Einzug in den Nationalrat wie auch in den Landtag. Die Christlichsoziale Partei hatte 1931 mit 52,4 % der Stimmen ihr bestes Landtagswahlergebnis in der Zwischenkriegszeit erreicht, während der austrofaschistische Heimatblock nur 4,1 % erhielt.

Die beiden großen politischen Lager, die Christlichsozialen und die Sozialdemokraten, zerfleischten sich im Bürgerkrieg. Der Ausweg in die ständestaatliche Diktatur und die viel zu langsam kommende wirtschaftliche Erholung begünstigten die Erwartungen an den Nationalsozialismus. Es hatte sich ganz generell eine radikalisierte Denkweise aufgebaut, die es den Nationalsozialisten leicht machte, 1938 für den Anschluss eine so breite Akzeptanz zu erhalten.

1929 / 2008

Was wir von den Anfängen der Finanzkrise des Jahres 2008 erlebt haben, ist recht ähnlich im Vergleich zum dem, was sich im Jahr 1929 ereignet hat. Beide Male, 1929 und 2008, war die Krise im Oktober im Finanzbereich ausgebrochen: Die damalige Wirtschaftskrise erreichte ihre Höhepunkte im Jahr 1931 und 1932 und dauerte in Österreich mindestens bis zum Jahr 1937, in den USA oder in Norwegen sogar bis 1939. Die Aktien an der Wiener Börse stürzten 2008 viel stärker als 1929: Der Wiener Aktienindex verlor 2008 mehr als 60 %. 1929 reagierte die Wiener Börse vorerst recht wenig auf die internationale Krise, obwohl mit der Krise der Bodencreditanstalt am 5. Oktober 1929 die erste große Erschütterung von Wien ausgegangen war. Der Wiener Aktienindex lag 1928 bei 112,0, im Jahr 1929 bei 109,9 und fiel 1930 auf 99,6. Der Tiefststand wurde erst 1933 mit 53,5 erreicht.
Dann ging es langsam aufwärts. 1937 wurde mit 113,8 erstmals das Niveau von 1929 wieder überschritten. Auf die Realwirtschaft hatte die Krise im Jahr 1929, ähnlich wie im Jahr 2008, noch recht wenig übergegriffen. Das Jahr 1929 war jenes Jahr in Österreich, in welchem das höchste Bruttosozialprodukt der gesamten Zwischenkriegszeit erwirtschaft worden war. Das BIP, das in Österreich 1929 noch um 1,4 % gewachsen war, nachdem 1928 ein Wachstum von 4,6 und 1927 von 3,0 % erreicht worden war, sank 1930 um 2,8 %, 1931 um weitere 8,0 % und 1932 noch einmal um 10,3 %. Erst 1934 konnte wieder ein Wachstum erreicht werden: 0,9 %. 1937, im Jahr vor dem Anschluss, wuchs die österreichische Wirtschaft um 5,3 %.

Was wir von den Anfängen der Finanzkrise des Jahres 2008 erlebt haben, ist recht ähnlich im Vergleich zum dem, was sich im Jahr 1929 ereignet hat. Beide Male, 1929 und 2008, war die Krise im Oktober im Finanzbereich ausgebrochen: Die damalige Wirtschaftskrise erreichte ihre Höhepunkte im Jahr 1931 und 1932 und dauerte in Österreich mindestens bis zum Jahr 1937, in den USA oder in Norwegen sogar bis 1939. Die Aktien an der Wiener Börse stürzten 2008 viel stärker als 1929: Der Wiener Aktienindex verlor 2008 mehr als 60 %. 1929 reagierte die Wiener Börse vorerst recht wenig auf die internationale Krise, obwohl mit der Krise der Bodencreditanstalt am 5. Oktober 1929 die erste große Erschütterung von Wien ausgegangen war. Der Wiener Aktienindex lag 1928 bei 112,0, im Jahr 1929 bei 109,9 und fiel 1930 auf 99,6. Der Tiefststand wurde erst 1933 mit 53,5 erreicht.
Dann ging es langsam aufwärts. 1937 wurde mit 113,8 erstmals das Niveau von 1929 wieder überschritten. Auf die Realwirtschaft hatte die Krise im Jahr 1929, ähnlich wie im Jahr 2008, noch recht wenig übergegriffen. Das Jahr 1929 war jenes Jahr in Österreich, in welchem das höchste Bruttosozialprodukt der gesamten Zwischenkriegszeit erwirtschaft worden war. Das BIP, das in Österreich 1929 noch um 1,4 % gewachsen war, nachdem 1928 ein Wachstum von 4,6 und 1927 von 3,0 % erreicht worden war, sank 1930 um 2,8 %, 1931 um weitere 8,0 % und 1932 noch einmal um 10,3 %. Erst 1934 konnte wieder ein Wachstum erreicht werden: 0,9 %. 1937, im Jahr vor dem Anschluss, wuchs die österreichische Wirtschaft um 5,3 %.
Das Unheilvolle der „Großen Depression“ bestand im Zusammentreffen einer internationalen Agrar-, Industrie- und Bankenkrise, die in Österreich noch aufgrund einer Krise des Tourismus und der vielen inneren Gewaltakte und die Pressionen Hitler-Deutschlands verstärkt und verlängert wurde. Die schwere Verunsicherung des Bankensystems war der Ausgangspunkt. In Österreich war die Krise des Bankensystems dadurch besonders akzentuiert, dass das System seit dem Zerfall der Habsburgermonarchie und der Hyperinflation von 1922 sehr brüchig war. Zahlreiche kleinere Geldinstitute wurden geschlossen, andere wie die Postsparkasse durch staatliche Hilfe saniert, die größeren von den anderen Instituten der Reihe nach aufgefangen und übernommen, bis 1929 nur mehr eine Großbank übrig war: die Credit-Anstalt. Diese wurde 1931 selbst zum Sanierungsfall, der den Staatshaushalt völlig in den Abgrund riss.

Der „Alma“-Skandal – ein Ausläufer der Weltwirtschaftskrise in Oberösterreich

Die vom Land Oberösterreich 1925, 1927 und 1928 in den USA aufgenommenen Anleihen führten durch die Unkorrektheit des Vermittlers Dr. Hans Alma, aber auch durch die Unfähigkeit der oberösterreichischen Landesbeamten zu einem Finanzskandal, der dem Land bis 1935 einen Verlust von 9 Millionen Schilling eintrug.

Die vom Land Oberösterreich 1925, 1927 und 1928 in den USA aufgenommenen Anleihen führten durch die Unkorrektheit des Vermittlers Dr. Hans Alma, aber auch durch die Unfähigkeit der oberösterreichischen Landesbeamten zu einem Finanzskandal, der dem Land bis 1935 einen Verlust von 9 Millionen Schilling eintrug.
Der Landesamtsdirektor, der zu den Kreditverhandlungen nach New York gereist war, beherrschte - was im Strafprozess ausführlich zur Sprache kam - kein Englisch und hatte sich vor der Vertragsunterzeichnung die wichtigsten Verhandlungsergebnisse und den Vertragstext jeweils von Dr. Alma übersetzen lassen. Im November 1932 erfuhr Landeshauptmann Schlegel von den „Betrügereien Almas“. Der Schaden drohte an die 40 Millionen Schilling auszumachen. Trotz der Bemühungen Schlegels, die drohende Versteigerung der Landespapiere zu stoppen, blieb ein Schaden von ca. 9 Millionen Schilling. Dr. Hans Alma war Jude, was ein willkommenes Feindbild in der verworrenen Affäre abgab.

Zeittafel: Die größten Wirtschaftskrisen der Geschichte
1637 Tulpen-Hausse in Amsterdam
1720 John Laws Mississippi-Projekt und die Südsee-Blase in Paris und London
1771/73 Hungerkrise in Europa und Finanzkrach in London
1811/1816/17 Letzte große Hungerkrise und Staatsbankrott in Österreich
1846/48 Folgen der Kartoffelkrankheit: Hungerkrise, die zur Revolution führt
1857 Erste Weltwirtschaftskrise
1873 „Schwarzer Freitag“: großer Wiener Börsenkrach und Beginn der Großen Depression
1906/07 Erste große Krise an der US-Börse
1921/22 Österreichische Hyperinflation
1929 „Schwarze Donnerstag“: New Yorker Börsenkrach und Beginn der Weltwirtschaftskrise
1973 Erster Ölschock
1987 „Schwarzer Montag“ an den Börsen
1997/98 Asienkrise
2002 Internetkrise

Literatur:

  • Lackinger, Otto: Industriegeschichte von Linz. Linz: Oberösterreichisches Landesarchiv 2008.
  • Sandgruber, Roman: Das 20. Jahrhundert. Geschichte Österreichs. Bd. 6. Wien 2003.

Autor: Roman Sandgruber

Oberösterreichische Nachrichten, 10. Jänner 2009