Kunst des Biedermeier

Die Kunst des Biedermeier in Oberösterreich

„Herr Biedermeier“
Der Name Biedermeier entstand aus zwei Gedichten mit den Titeln Biedermanns Abendgemütlichkeit und Bummelmaiers Klage, die Joseph Victor von Scheffel im Revolutionsjahr 1848 veröffentlichte. Ein Jahr zuvor verfasste Ludwig Pfau ein ironisches Gedicht mit dem Titel Herr Biedermeier, und 1855 schufen Ludwig Eichrodt und Adolf Kussmaul die fiktive Figur des treuherzigen, spießbürgerlichen Gottlieb Biedermaier, dem seine kleine Stube, sein enger Garten, sein unansehnlicher Flecken und das dürftige Los eines verachteten Dorfschulmeisters zu irdischer Glückseligkeit verhelfen. Der Begriff meinte zunächst also gar keine Kunstwerke, sondern eine geistige Haltung. Erst die Zeit der Sezession und der Wiener Werkstätte erkannte um 1900 in der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts ihr großes Vorbild. Dabei ging es zunächst vor allem um den Einrichtungsstil, dessen Einfachheit der Epoche den Beinamen einer ersten Moderne einbrachte. Zu diesem von rein geometrischen Formen bestimmten Stil gesellte sich ab etwa 1830 das so genannte Zweite Rokoko. Es brachte eine Rückkehr zum Barock, wenn auch in reicheren, übersteigerten Formen. Gleichzeitig lebte aber auch die Neugotik weiter, so dass es schon damals zu der für den Historismus des 19. Jahrhunderts so typischen Vielfalt der Stile kam.

Vorläufer der Moderne
Die 1748 bis 1759 errichtete Sternwarte des Stiftes Kremsmünster war nicht nur eines der ersten Hochhäuser der Welt, sondern auch ein wichtiger Vorläufer dieser „ersten Moderne“. Nach dem großen Brand von 1800 entfaltete sich auch in Linz eine rege Bautätigkeit, und zwar in einem ähnlich einfachen, vornehm zurückhaltenden Stil, wie ihn heute noch die Fassaden von Landhaus und Landestheater, aber auch viele Bürgerhäuser zeigen. Nur selten haben sich auch die Ausstattungen erhalten, von denen etwa das Sensenschmiedemuseum in Micheldorf oder das Landschaftszimmer auf Burg Clam einen Eindruck geben. Eine Erfindung der Zeit waren die zimmergroßen, in der Linzer Wollzeugfabrik erzeugten Spannteppiche, die damals die Residenzen des Adels, aber auch kirchliche und bürgerliche Gebäude schmückten.

Kirchen wurden nur wenige neu errichtet, so etwa jene der Jesuiten auf dem Freinberg, deren Ausstattung dem jung verstorbenen Nazarenermaler Franz Anton Stecher zu verdanken ist. Eine ähnliche Richtung vertrat auch Joseph Sutter, der dem Lukasbund angehörte. Es war dies eine ordensähnliche, christlich geprägte Künstlergemeinschaft, die sich in Rom konstituierte. Sutter starb 1866 verarmt und vergessen in Linz.

Nicht alle hatten das Glück, Förderer wie die Brüder Spaun zu finden, von denen einer als Freund Franz Schuberts, der andere als Gründer des Oberösterreichischen Landesmuseums bekannt wurde. Ihrem Kreis gehörte auch Moritz von Schwind an (1804–1871), dem Anton von Spaun den Auftrag zur Ausmalung des Steinernen Saals des Linzer Landhauses vermittelte. Die Ausführung unterblieb allerdings wegen der Revolution von 1848. Ein Freund von Schubert und Schwind war auch Leopold Kupelwieser (1796–1862), der 1836 Professor an der Wiener Akademie wurde und Johann Baptist Reiter zu seinen Schülern zählte. Kupelwieser malte zahlreiche Porträts, darunter auch jenes von Erzherzog Franz Carl, des Protektors des Oberösterreichischen Landesmuseums. Für die Pfarrkirchen von Molln, Bad Goisern und Bad Ischl schuf er bedeutende Altarbilder.

Beziehungen zum Schubert-Kreis hatte auch der aus Weyer stammende, in Troppau (Opava, Mähren) verstorbene Johann Manschgo (1800–1867), der auch als Dichter hervortrat. Der aus Vorarlberg stammende Franz Xaver Bobleter (1800–1869) ist vor allem durch seine Bildnisse reicher Sensenschmiedefamilien bekannt. Von ihm stammt aber auch das Altarbild der Evangelischen Kirche in Linz, die 1842 bis 1844 ohne Turm und mit der Auflage errichtet werden durfte, sie gegenüber der Landstraße zurückzuversetzen (der Turm folgte erst zehn Jahre später).

Landschaftsmaler im Salzkammergut
Seit etwa 1830 entdeckten die Wiener Landschaftsmaler das Salzkammergut als bevorzugtes Motiv, angeregt durch die Reisebeschreibungen von Joseph August Schultes. Ein Pionier war Franz Steinfeld (1787–1868), dessen brillante Ansichten des Hallstätter Sees zum Inbegriff des Wiener Biedermeier wurden. Franz Eybl hat seinen Malerkollegen 1837 auf der Kahnfahrt über den Gosausee gemalt und ihm damit ein bleibendes Denkmal gesetzt. Damals schuf Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) seine berühmten Salzkammergut-Landschaften, so 1835 die großartige Darstellung der Notarsfamilie Eltz vor der späteren Kaiservilla in Ischl – eines der Hauptwerke des Malers. Drei Jahre später entstand die eindrucksvolle Ansicht des Dachsteins von der Hütteneckalpe. Auch Johann Fischbach (1797–1871) hielt sich bereits ab 1831 jeden Sommer im Salzkammergut auf. Die steigende Nachfrage veranlasste auch Friedrich Loos, Josef Kriehuber und viele andere, hier zu malen. Allerdings waren sie nur Sommergäste, denn von der Kunst leben konnte man damals nur in Wien.

Johann Baptist Reiter und Johann Baptist Wengler
Dort suchte auch der Linzer Leopold Zinnögger (1811–1872) sein Glück, und zwar gemeinsam mit Johann Baptist Reiter. Seine großen Blumenstillleben brauchen den Vergleich mit jenen Waldmüllers nicht zu scheuen. Später kehrte Zinnögger nach Linz zurück, wo er als Zeichenlehrer, Botaniker und Fotograf tätig war. Reiter, dessen Geburtshaus in Urfahr jüngst der Spitzhacke zum Opfer fiel, blieb in Wien, wo er einer der originellsten Porträt- und Genremaler seiner Zeit wurde. Zu seinen frühesten Werken gehören die Seitenaltarbilder der Wallfahrtskirche von Maria Scharten und ein Votivbild der Pöstlingbergkirche. Ein weiteres Frühwerk zeigt ihn, wie er aus der Stadt kommend die väterliche Tischlerwerkstatt betritt. Von seinem Selbstbewusstsein als Maler zeugen mehrere originelle Selbstbildnisse. Viele seiner damaligen Werke sind von zarter Erotik. Seine Frau malte er in allen erdenklichen Situationen, so im Bett, beim Essen, beim Bügeln und als Schanzarbeiterin während der Revolution von 1848. Wenig später entstand das sensationelle und überhaupt nicht mehr biedermeierliche Bild der Emanzipierten, ein Porträt der Zigarre rauchenden Frauenrechtlerin Louise Aston. Besonders gelungen und reizvoll sind Reiters Kinderbilder. Mit Werken wie dem Bittenlernen fand er später zu einem Realismus, der in vielem an den Franzosen Gustave Courbet erinnert. Da die Bedeutung seiner Spätwerke unerkannt blieb, starb Reiter 1890 völlig vergessen.

Ähnlich war das Schicksal des 1816 in St. Radegund geborenen Johann Baptist Wengler. Trotz seiner bäuerlichen Herkunft studierte er in Wien, wo er mit Bildern aus dem Volksleben wie etwa dem Landlertanz oder dem Prahlhans bekannt wurde. Nach 1848 ging er nach Amerika, wo er sich auf abenteuerliche Weise durchschlug und Bilder von Eingeborenen malte. Trotz seiner einstigen Beliebtheit, starb auch er verarmt in Aigen bei Salzburg.

Ludwig Pfau und Johann Nestroy

Aus dem Gedicht Ludwig Pfaus, 1847 – Johann Nepomuk Nestroy spöttelte 1846 über die damalige Malwut im Salzkammergut.

Aus dem Gedicht Ludwig Pfaus, 1847 – Johann Nestroy spöttelte 1846 über die damalige Malwut im Salzkammergut:

„Schau, dort spaziert Herr Biedermeier und seine Frau, den Sohn am Arm; sein Tritt ist sachte wie auf Eier, sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.“
Johann Pfau

[...] Denn sehen Sie, es ist jetzt ein Kreutz; die Welt wird nicht größer und die Mahler werden immer mehr. Wo was neues finden? Um jeden steirischen Felsen sitzen drei Maler herum und bemseln drauf los; jedes Bachbrückel, jedes Seitel Wasserfall – prangt auf der Leinwand, das ganze Salzkammergut existiert in Öhl.“
Johann Nepomuk Nestroy

Autor: Lothar Schultes

Oberösterreichische Nachrichten, 12. Juli 2008